Peter Schmidt inszeniert “Das alte China“, eine Klang- und Text-Performance

Der Gesang eines unscheinbaren Vogels rührt einen Kaiser und bringt den ganzen Popanz seiner höfischen Pracht- und Machtentfaltung ins Wanken. Hans Christian Andersens Märchen "Die Nachtigall" bildet den roten Faden in der Szenencollage "Das alte China". Der Designer und Regisseur Peter Schmidt gestaltet die Bild- und Raum-Konzeption. Mit dem SHMF-Chefdramaturgen Frank Siebert hat er Weisheiten von Konfuzius und Laotse ausgewählt. Im Abendblatt-Gespräch erläutern die beiden ihr drittes gemeinsames Projekt.

Hamburger Abendblatt:

Herr Schmidt, Sie sind in Ihrer Arbeit wie in Ihrem Privatleben stark beeinflusst durch asiatische Kunst. Was interessiert Sie an China?

Peter Schmidt:

China ist die Wiege der menschlichen Kultur und war wegweisend für die Entwicklung der Zivilisation mit Erfindungen und philosophischen Einsichten, zum Beispiel von Laotse, die ich sehr schätze.

Wie gehen Sie bei der Auswahl von Musik und Texten vor?

Frank Siebert:

Das geschieht in Absprache. Jeder zeigt dem anderen, was er hat, und so entwickelt sich Schritt für Schritt unser Projekt.

Schmidt:

Frank kam mit Andersens "Nachtigall". Wir sitzen zusammen, reden Nächte lang und verstehen gut, was der andere will.

Was verbindet Andersens Märchen mit der Philosophie im alten China?

Siebert:

Sie berühren sich dort, wo es um die Suche des Menschen nach Authentizität und das Kultivieren der Persönlichkeit, die Suche nach sich selbst geht.

Können Sie diese Berührungspunkte näher erklären?

Siebert:

Andersen schildert ironisch die Oberflächlichkeit des Kaiserhofes, das Falsche im eitlen Machtapparat. Der kleine Vogel bringt alles durcheinander, weil er natürlich, wahrhaftig und ganz bei sich ist. Er sieht nicht nur sich, sondern die Welt, hat ein mitfühlendes Herz. Was unsere Welt braucht, wäre, dass wir die Nachtigall in uns nicht vergessen, dass wir sie zum Singen bringen.

Welche Musik haben Sie für "Das alte China" ausgewählt?

Siebert:

Zum einen traditionelle chinesische Musik auf der Wölbbrettzither Guzheng. Sie begleitet und untermalt Isabella Vértes-Schütter, die das Andersen-Märchen erzählt. Zum anderen hören wir westliche Musik von Johann Sebastian Bach, John Adams oder Philipp Glass, teilweise als Einspielungen vom Tonband. Ich habe auch für mich zwei Entdeckungen gemacht: den ukrainischen Komponisten Valentin Silvestrov und den Letten Peteris Vasks und seine "Weiße Landschaft".

Herr Schmidt, inspiriert Sie die Musik für die Gestaltung der Bilder, Bühne und Projektionen?

Schmidt:

Natürlich, ohne sie und die Kunst könnte ich weder arbeiten noch leben.

Sie beide sprechen von einer musiktheatralischen Trilogie. Wo sehen Sie die die Verbindungen zwischen Ihren beiden SHMF-Produktionen der vergangenen Jahre, "Venezia" und Arkadien", und dem neuen "China"-Abend?

Siebert:

Formal sind alle drei interdisziplinäre Performances mit Bildern, Musik, Texten und Tanz. Aber es ergab sich, dass wir unsere Mittel von einem Stück zum nächsten reduzierten.

Wie ist denn das zu verstehen?

Siebert:

Bei "Venezia" gab es beispielsweise ein Kammermusik-Ensemble auf der Bühne, diesmal beschränken wir uns auf zwei Instrumentalistinnen: Li Mona an der Guzheng und Ulrike Payer am Klavier. Getanzt wird überhaupt nicht mehr, doch die Tänzerin und Choreografin Fione Darby-Rettenberger übernimmt die Bewegungsregie für die rezitierende Schauspielerin. Mir ist jetzt auch aufgefallen, dass wir in den beiden anderen Projekten aus Text-Montagen ein Ganzes fügten. Nun wird beim "China"- Abend aus der zusammenhängenden Andersen-Geschichte eine Text-Collage, begleitet, kommentiert oder unterbrochen von der Musik und den philosophischen Texten. Das zauberhafte Märchen fungiert inhaltlich als roter Faden und Spannungsbogen, um den Zuhörer nicht zu verlieren.

Schmidt:

Wir wollen dem Publikum einen entschleunigten Abend bieten. Wir laden die Leute ein, die laute und eilige Welt etwas leiser und langsamer betrachten, indem wir Ruhe und eine Art meditativen Raum schaffen für das Nachsinnen, die Poesie und Träume.

"Das alte China - Hans Christian Andersens 'Die Nachtigall' und die Weisheit des Ostens" 13.7. Hamburg, Ernst-Deutsch-Theater