Allein die Baukosten für die Einführung der Primarschule werden sich vermutlich von 200 auf 390 Millionen Euro fast verdoppeln.

Hamburg. Lange war unklar, wie teuer der Kompromiss in der Schulreform wird, auf den sich CDU, SPD, GAL und Linke Anfang März verständigt haben. Doch der Nebel der Ungewissheit lichtet sich allmählich. Allein die Baukosten für die Einführung der sechsjährigen Primarschule werden sich voraussichtlich von 200 auf 390 Millionen Euro fast verdoppeln. Der Grund: Infolge der zwischen den Parteien vereinbarten deutlich kleineren Klassengrößen für die Primarschule gibt es einen Mehrbedarf von 288 Klassenräumen.

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Die brisanten Zahlen finden sich in einem vertraulichen Begleitschreiben der Schulbehörde zu einer Mitteilung des Senats an die Bürgerschaft in Sachen Haushalt 2009/10. In dem vom Verwaltungschef der Behörde verfassten neunseitigen Brief heißt es zunächst, dass die Raumreserven an den Schulen wegen der ursprünglichen Reformplanungen "weitestgehend ausgeschöpft" sind. Zusätzlicher Platzbedarf könne nur über weitere Zubauten abgedeckt werden. "Eine grobe Abschätzung der dadurch ausgelösten Baukosten führt zu einem Investitionsvolumen von etwa 190 Millionen Euro", heißt es in dem Schreiben. Der größte Brocken entfällt auf den Neubau von Klassenräumen. Aber allein die zusätzlich erforderlichen Sporthallenflächen schlagen mit 55 Millionen Euro zu Buche.

Bislang hatte die Schulbehörde die Baukosten für die Schulreform in der ursprünglichen Planung mit 200 Millionen Euro angegeben. Grundlage war die erste Änderung des Schulgesetzes vom Oktober 2009. Danach sollten die Klassengrößen der Primarschulen generell auf 25 Kinder, in sozialen Brennpunkten auf 20 Kinder gesenkt werden. Nach dem Vier-Parteien-Kompromiss vom März dürfen nur 23 und in sozialen Brennpunkten nur noch 19 Kinder in einer Primarschulklasse sitzen.

Derzeit ist noch offen, wie die zusätzlichen Kosten finanziert werden können. "Schulbau Hamburg (die mit dem Schulbau beauftragte städtische Gesellschaft, die Red.) hat ... erste überschlägige und noch nicht belastbare Berechnungen angestellt, in welcher Größenordnung sich die Finanzierungsnotwendigkeiten der nächsten Jahre entwickeln könnten", heißt es in dem vertraulichen Schreiben. Klar ist offensichtlich nur, dass das im vergangenen Jahr gegründete Sondervermögen nicht ausreichen wird. Pikant: Das brisante Schreiben wurde gestern bekannt - an dem Tag, an dem Bürgermeister Ole von Beust ein strukturelles Haushaltsdefizit von mehr als einer halben Milliarde Euro eingestehen musste.

Der Reform-Kompromiss vom März wird auch dazu führen, dass sich die Mietkosten für die allgemeinbildenden Schulen erhöhen: im Jahr 2011 um 22 auf 275 Millionen Euro und im Folgejahr um 41 auf 306 Millionen Euro. Weil bis zum Start der ersten Primarschulen zum Beginn des nächsten Schuljahres nur noch wenig Zeit ist, müssen die zusätzlichen Klassen zum Teil in Containern untergebracht werden. Laut Behördenschreiben sind 45 Klassen von einer solchen "mobilen Lösung" betroffen. "Die - noch zu ermittelnden Kosten für die Gestaltung von mobilen Klassenzimmern zur Überbrückung der Planungs- und Bauphase sind in den Überlegungen zu den Baukosten noch nicht enthalten", warnt das Schreiben. Zu den erwartbaren Kosten gebe es "noch keine Anhaltspunkte".

Erst am Dienstag hatte der Senat erstmals die zusätzlichen Belastungen des Betriebshaushalts durch die Reform beziffert. Insgesamt sollen 970 Lehrer zusätzlich eingestellt werden, was in der Endstufe, die im Jahr 2016 erreicht wird, zusätzliche Ausgaben in Höhe von jährlich knapp 74 Millionen Euro bedeutet. Auf den März-Kompromiss entfallen allein knapp 46 Millionen Euro.

Mit 557 Lehrern soll mehr als die Hälfte des zusätzlichen Personals zur Absenkung der Klassenfrequenzen eingesetzt werden. Weitere 433 Pädagogen werden benötigt, um mehr individualisierten Unterricht, mehr Fachunterricht und mehr Sprachförderung zu ermöglichen. Alles in allem wird die Einführung der Primarschule in Hamburg nach jetzigem Stand mindestens 464 Millionen Euro kosten.