Der Täter war schon 1997 im Fall Mirco Sch. aufgefallen. Der 17-Jährige wurde durch ständige brutale Übergriffe in den Tod getrieben.

Hamburg. Nach dem brutalen Überfall auf fünf Polizisten in Hamburg-Neugraben kämpfen Ärzte um das Augenlicht eines der Beamten. Der 46 Jahre alte Kommissar war bei dem Angriff von rund 30 Männern und Jugendlichen durch einen Tritt ins Gesicht lebensbedrohlich verletzt worden. Gestern wurde er operiert. Noch ist nicht klar, ob er bleibende Schäden am Auge erlitten hat. Dem Beamten waren zudem der Kiefer, das Jochbein und die Nase gebrochen worden.

Der mutmaßliche Haupttäter, der noch flüchtig ist, war 1997 schon einmal bundesweit in den Schlagzeilen. Amor S., heute 31, war Anführer einer Bande, die Jugendlichen in Neuwiedenthal mit brutalen Methoden Geld, Markenkleidung und Zigaretten abpresste. Eines der Opfer, der 17 Jahre alte Mirco Sch., wurde schließlich durch die ständigen Übergriffe in den Tod getrieben. Er warf sich vor eine S-Bahn. Amor S. wurde zu dreieinhalb Jahren Haft verurteilt. Mit diesem Fall begannen in Hamburg die Diskussionen über Jugendgewalt.

+++ Gesuchter Schläger seit Jahren kriminell +++

Die Politik reagierte entsetzt auf die Attacke gegen die Polizei. Innensenator Christoph Ahlhaus (CDU) kündigte eine Aufstockung des Personals an der betroffenen Wache an. "Wir werden das Polizeikommissariat in Neugraben temporär verstärken. Ich möchte wissen, was in dem Stadtteil vor sich geht", sagte er dem Abendblatt. Wie die Aufstockung konkret aussieht, ist noch offen. Im Gespräch soll sein, 14 Polizisten von anderen Wachen nach Neugraben zu entsenden. Grundsätzlich, so der Innensenator, sei die Polizei aber materiell und personell gut ausgestattet.


DAS HANDY-VIDEO VOM POLIZEIEINSATZ IN NEUGRABEN

SPD-Innenexperte Andreas Dressel prangert hingegen personelle Engpässe an, die ein rechtzeitiges Eingreifen in Neugraben verhindert hätten. Im Bezirk Harburg sei die Zahl der Polizisten nach der Zusammenlegung zweier Wachen von 337 auf 298 Beamte (minus zwölf Prozent) gesunken. Dressel: "Der Sparkurs bei der Polizei gefährdet auch unsere Polizeibeamten." Ahlhaus spricht hingegen von einem gesellschaftlichen Problem: "Es muss erlaubt sein, einmal darauf hinzuweisen, dass wir ein Integrationsproblem haben. Junge Männer mit Migrationshintergrund sind deutlich überproportional in Gewaltstraftaten verwickelt."

Zu dem Video, auf dem zu sehen ist, wie der später verletzte Polizeibeamte mit dem Schlagstock auf einen Mann einschlägt, der sich zuvor schamverletzend entblößt hatte, wollten sich weder der Innensenator noch die GAL konkret äußern. Hintergründe und Umstände des Vorfalls müssten zunächst genau analysiert werden, sagte GAL-Innenexpertin Antje Möller.

"Warum hat der Polizist den am Boden liegenden Mann mehrfach geschlagen?", fragt Christiane Schneider (Linkspartei) und fordert Aufklärung vom schwarz-grünen Senat. Ihre Fraktion hat das Thema für die morgige Bürgerschaftssitzung angemeldet.