Der Scheinehe-Prozess um Bülent Ciftlik wird immer verworrener. Während der Verhandlungspause bricht Zeugin Nuran A. zusammen.

Hamburg. Johann Schwenn kämpft mit harten Bandagen. Er lächelt, als die 36 Jahre alte Zeugin ihre Aussage macht. Wer den Verteidiger der Mit-Angeklagten Nicole D. beobachtet, weiß: Das ist nicht unbedingt ein gutes Zeichen.

+++ Ciftlik-Prozess mit Zeugenvernehmung fortgesetzt +++

Gestern erlebte Nuran A. den gewieften Verteidiger in voller Fahrt. Sie ist die erste Zeugin in dem Verfahren, die Bülent Ciftliks Sicht der Dinge stützt. Kaum hat sie ihre Aussage (vorläufig) beendet, platzt es aus Schwenn heraus. "Was wir gehört haben, ist ganz offensichtlich eine Falschaussage." Er droht mit einem Vereidigungsantrag der Zeugin und mit der Beschlagnahme ihres Handys als Beweismittel. Welche Strafe auf Meineid steht, schickt Schwenn gleich hinterher: "Mindestens ein Jahr Freiheitsstrafe und ausländerrechtliche Konsequenzen." Ciftliks Verteidiger Cornelius Weimar keilt einmal mehr aus der Defensive zurück: "Sie bauen hier ja nur eine Drohkulisse auf." Während der Verhandlungspause bricht Nuran A. zusammen - ein Schwächeanfall. Sanitäter geleiten die alleinerziehende Mutter aus dem Gerichtssaal zum Rettungswagen.

Zuvor hatte Nuran A. der Aussage von Nicole D. in zentralen Punkten widersprochen. Nicole D., eine zierliche blonde Frau von 33 Jahren, hatte Ciftlik am zweiten Prozesstag schwer belastet: Er habe sie zur Scheinehe mit dem Imbiss-Betreiber Kenan T. überredet. Und er, Ciftlik, sei es gewesen, der eine Provision in Höhe von 3000 Euro für diese "Vermittlung" eingestrichen habe. Die Staatsanwaltschaft hat ihr Geständnis bereits als "glaubhaft" eingestuft.

Gestern nun Nuran A., die zunächst mit fester Stimme erzählt, wie sie Nicole D. im Spätsommer 2006 als Freundin von Kenan T. kennengelernt und wie sich eine "zarte Freundschaft" entwickelt habe. Etwas sperrig sei Nicole D., "eine verschlossene Frau". Unverhofft emotional habe sie die 33-Jährige erlebt, als Kenan T. einmal beiläufig verkündete, "Bülent" sei nun verlobt. "Sie hat geweint und war völlig aufgelöst." Bei einer anderen Gelegenheit habe sie mitbekommen, wie Nicole D. Kenan T. mitteilte: "Wenn du das Gesicht von Bülent hättest, hätte ich dich genommen."

Das bestätigt Nicole D. denn auch, präzisiert aber: "Ich sagte: Dein Charakter in Bülents Körper wäre perfekt." Viel mehr bestätigt sie auch nicht. So habe sie Kenan T. auf Initiative von Ciftlik Ende 2007 kennengelernt, und von der Verlobung des Politikers habe sie erst im Prozess erfahren. Ein wichtiger Punkt, denn der Politiker hatte Nicole D. als Motiv für ihre Aussage einen Racheakt "aus verschmähter Liebe" unterstellt, nachdem sie von der geplanten Hochzeit im September erfahren habe.

Am fünften Verhandlungstag geht es auch um die ominöse E-Mail, die am 15. April an der Pforte der Hamburger Staatsanwaltschaft abgeben wurde - just in dem Moment, als Ciftlik dort vernommen wurde. Die Mail gilt als zentrales Beweisstück: Nicole D. hatte darin angeblich ihr Geständnis widerrufen. Nun ist klar, wer die ausgedruckte E-Mail der Staatsanwaltschaft zuspielte: Demir K., zweiter Vorsitzender der Türkischen Gemeinde in Hamburg.

An ihn weitergeleitet hatte die Mail Güven P., ebenfalls Vorstand der Türkischen Gemeinde. Das Schreiben sei eine Antwort auf eine Mail gewesen, die er Nicole D. wenige Stunden zuvor geschickt habe, sagt Güven P. Er habe Nicole D. um eine Stellungnahme zu den Vorwürfen gebeten, um Schaden von einem Mentoring-Projekt der Türkischen Gemeinde und der Bürgerstiftung abzuwenden, an dem auch die Angeklagte beteiligt war. Als er die Mail las, habe er gedacht: "Das ist eine Handgranate." Oder doch nur ein Rohrkrepierer? Nicole D. wiederholt gestern erneut, sie habe die E-Mail nicht verfasst. Die Anklage hatte den Schrieb bereits als "plumpe Fälschung" abgekanzelt. Am Montag wird weiter verhandelt.