Bei der Saisoneröffnung der Elbphilharmonie-Konzerte im Docks mussten (fast) alle Besucher vor der Bühne des Orchesters stehen.

St. Pauli. Spuren von der Hip-Hop-Party am Vorabend sind nicht mehr zu sehen. Die Böden sind gewischt, Toiletten desinfiziert, die brummenden Kühlschränke für etwa eine Stunde ausgestellt. Ausgerechnet im Docks an der Reeperbahn feierte gestern die Elbphilharmonie ihre Saisoneröffnung. Ein ungewöhnlicher Spielort, um Beethoven zu hören, ein Ort, an dem das Publikum normalerweise bis in die frühen Morgenstunden zu Discomusik tanzt oder sich Rock- und Popkonzerte anhört. Selbst Metallica und der US-Rapper 50 Cent traten hier schon auf. Und nun soll ein gediegenes Publikum statt in der Laeiszhalle Platz zu nehmen, im Docks stehen? Hier gibt es weder Stuck noch Marmor, geschweige denn rot gepolsterte Stühle.

"Wir haben aber ein paar Sitzgelegenheiten für das ältere Publikum geschaffen", sagte Phillip Freund vom Docks. Normalerweise gibt es bei Konzerten in dem Rockpalast keine Tresenhocker, sie gelten als Waffe. Auch sie durften stehen bleiben. Zur Freude der ersten Gäste, die gewohnt Platz nahmen, beherzt aber zur Astra-Knolle statt Sekt auf Eis griffen.

Geblieben sind im Docks für die etwas andere Veranstaltung außer den Kritzeleien auf den Toiletten ("Sarah, Nicole und Luni waren hier") auch die moderaten Getränkepreise: Bier vom Fass 2 Euro, Cola und Wasser 1,80 Euro.

Für den ehemaligen Umweltsenator Jörg Kuhbier (SPD) und seine Frau Anke war es eine Premiere. "Wir waren noch nie hier", sagten sie und hofften dadurch auf ein neues, jüngeres Publikum. Auch Finnlands Generalkonsulin Erja Tikka besuchte den Musik-Klub zum ersten Mal. "Ich habe große Erwartungen an das Programm", sagte sie. Die Lokalität könne sie aber nicht schocken, schließlich habe sie als Jugendliche schon Festivals in ihrer finnischen Heimat besucht.

Aus Versehen lief Karl Lagerfelds langjährige PR-Agentin Marietta Andreae zuerst am Docks vorbei. "Und das sogar zweimal", sagte sie mit einem Lachen. Nicht nur deswegen trug sie in weiser Voraussicht flache Schuhe: "Ich muss doch schließlich den Abend über stehen." Nessrin Gräfin von Königsegg gestand sogar: "Ich wusste gar nicht, wo der Spielbudenplatz ist." Und Kultursenator Reinhard Stuth (CDU) verzichtete ausnahmsweise auf seine obligatorische Fliege. "Die brauche ich hier nicht, obwohl ich davon zu Hause eine ganze Schublade habe", sagte er gut gelaunt und verschwand ins dunkle Docks.

Auch die anderen Gäste wie Unternehmer Magnus Graf Lambsdorff - Neffe von Otto Graf Lambsdorff - und Gräfin Carolin, Bernd Georg Spies (Vizepräsident des FC St. Pauli) und Klaus Wehmeyer (Körber-Stiftung) kamen mit viel Vorfreude. "Der Kontrast, der einem hier geboten wird, ist wirklich spannend", sagte Wehmeyer. Ein Problem mit dem Spielort habe er nicht: "Ich gehe ja auch in andere Bars und nicht nur in die klassischen Konzertsäle." Christoph Lieben-Seutter, Generalintendant der Elbphilharmonie, erklärte die Wahl des ungewöhnlichen Ortes so: "Wir möchten dauerhaft junge und interessierte Musikfans für die Klassik gewinnen. Dazu müssen wir Hemmschwellen abbauen und vermitteln, dass E-Musik einfach Spaß machen kann."

Diese Botschaft schien auch schon bei dem jungen Publikum angekommen zu sein, denn es war nicht nur das klassische Stammpublikum, das sich auf die Interpretation von Beethovens Symphonie Nr. 8 des jungen Kammerorchesters Spira mirabilis freute.