Hochtief hat den Zeitplan für den Rohbau der Elbphilharmonie nicht eingehalten. Die Stadt könnte viel Geld fordern, tut es aber nicht.

Hamburg. Die wabenartigen Glaselemente der oberen Fassade sind zu großen Teilen bereits montiert, darüber ragen an der Hamburger Elbphilharmonie jetzt erste Stahlträger auf, die den kühnen Schwung und die harmonischen Linien des künftiges Daches bereits erahnen lassen. Weniger harmonisch sieht es indes weiter bei den Verhandlungen zwischen Stadt und Baukonzern aus. Und dabei geht es um Geld, um viel Geld: Bekannt sind Millionen-Forderungen für angebliche Mehrkosten durch Hochtief . Kaum bekannt ist, dass die Stadt ebenfalls eine Millionenforderung an seinen Auftragnehmer Hochtief hat - die Summe aber noch nicht angefordert hat.

Es geht dabei um Vertragsstrafen von 200.000 Euro - pro Tag! Dass das Geld bisher noch nicht kassiert wurde, darüber soll es in Behördenkreisen einige Verwunderung geben. Handelt die städtische Realisierungsgesellschaft (Rege) als Bauherren-Vertreter daher zu lasch? "Wenn die Stadt hier Forderungen hat, muss sie die auch durchsetzen", fordert jetzt die SPD-Bürgerschaftsabgeordnete Martina Koeppen. Sie ist Obfrau im Parlamentarischen Untersuchungsausschuss Elbphilharmonie. Rege-Chef Heribert Leutner bestätigt unterdessen den Anspruch der Stadt. "Ich gehe davon aus, dass wir das mit Hochtief klären können, ansonsten würde es zu einer juristische Frage", sagt er.

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Tatsächlich ist die Sache reichlich komplex. Nachdem von Hochtief nach dem Baubeginn 2007 immer neue Fertigstellungstermine und Nachforderungen genannt worden waren, hatte Leutner im Herbst 2008 als neuer Rege-Chef quasi einen Neustart der Verhandlungen vorgenommen. Im sogenannten Nachtrag 4 einigte man sich auf neue Summen. Im Vertrag wurden zudem fünf feste Baufortschrittstermine festgelegt. Sogenannte Meilensteine auf dem Weg bis zur tatsächlichen Übergabe der Elbphilharmonie, die für den 30. November 2011 terminiert ist.

Hält Hochtief einen solchen Termin nicht ein, wird eine Vertragstrafe von 200.000 Euro pro Tag fällig - bis die Vorgabe erreicht ist. Am 11. Januar 2010 war das der Fall - bis zu diesem Datum sollte die Decke des 26. Obergeschosses geschüttet sein. Faktisch der Abschluss der Rohbauarbeiten, der üblicherweise mit einem Richtfest gefeiert wird. Das war jedoch erst im Mai der Fall. Am 11. Januar werkelten die Betonbauer und Eisenflechter noch am 20. Stockwerk, fertig im obersten Stockwerk wurden sie am 3. Mai. Theoretisch hätte die Stadt nun Forderungen von rund 112 Tagen, also rund 22 Millionen Euro.

Allerdings ist längst nicht geklärt, wie viele Tage Verzug tatsächlich angerechnet werden können, sagt Rege-Chef Leutner. Denn dagegen stehen die ständigen Behinderungsanzeigen des Baukonzerns. Dabei werde protokolliert, wann es auf der Baustelle aus äußeren Umständen nicht weitergehen konnte. Hochtief behauptet beispielsweise, dass Detailzeichnungen später als vereinbart vorgelegt wurden. Zuletzt ging es vor allem um Schlechtwettertage im Winter, die den Bau lahmlegten.

Im Juli summierten sich die Behinderungsanzeigen bereits auf die Zahl 121, allein im November 2009 war sie um 40 hochgeschnellt, wie aus einer Anfrage der SPD-Bürgerschaftsfraktion hervorgeht. Die SPD-Abgeordnete Martina Koeppen warnt daher davor, dass bei der Elbphilharmonie wie schon 2008 eine neue Kostenexplosion bevorstehen könnte. Seinerzeit war der öffentliche Anteil von ursprünglich 114 Millionen Euro auf aktuelle 399 Millionen Euro hochgeschnellt. Nach Abzug von Spenden und Sponsorengeldern bleiben demnach 323 Millionen Euro für den Steuerzahler.

Wie viel Euro Vertragsstrafe die Stadt gegenrechnen wird, beziffert die Rege nicht öffentlich, weil sie ihre Verhandlungsposition nicht schwächen wolle. Einen Verzicht gebe es aber nicht, betont Leutner. Das Recht auf die Vertragsstrafe sei festgestellt. Derzeit werde man die Behinderungsanzeigen auf ihre Stichhaltigkeit prüfen. "Wichtig ist, dass wir sehr sorgfältig vorgehen", so Leutner. Die Stadt verliere keine Rechte, und ein Schnellschuss sei keine gute Grundlage für weitere Verhandlungen.

Auch Hochtief bestätigt die Verhandlungen, will aber ebenso keine "Wasserstandsmeldungen" zu den umstrittenen Beträgen nennen, wie Hochtief-Kommunikationschef Bernd Pütter sagt. Verhandlungen um Terminvorgaben und Behinderungsanzeigen wegen Schlechtwetterlagen - das sei aber alles üblich, so Pütter. "Das mag außen befremdlich erscheinen - im Baubereich ist das aber Tagesgeschäft."

Gut möglich, dass daher noch weiter fleißig Behinderungsanzeigen aufgeschrieben werden: Denn am 4. Dezember steht der nächst feste Termin an. Dann muss die aufwendige Glasfassade komplett montiert sein. Doch Rege-Chef Heribert Leutner gibt sich diesmal zuversichtlich. Auch wenn Hochtief Mehrkosten von 25 Millionen Euro angemeldet habe, das Projekt bleibe im Budget, und der Zeitplan sehe gut aus: "Wir kommen gut voran", sagt er.