Der Konzern fordert Schadenersatz. Der Umweltverband hat Belege, wonach das Energie-Unternehmen haltlose Behauptungen aufstellt.

Hamburg. Der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) erhebt schwere Vorwürfe gegen den Energiekonzern Vattenfall. Dieser habe bei seiner Klage vor dem internationalen Schiedsgericht der Weltbank (ICSID) gegen die Bundesrepublik mit "verkürzten und zum Teil falschen Argumenten operiert", um die Umweltauflagen für den Betrieb des Kraftwerkes Moorburg zu kippen. "Wir können das mittlerweile belegen", sagte BUND-Landesgeschäftsführer Manfred Braasch. Der BUND will dagegen jetzt beim Schiedsgericht vorgehen.

In der Klageschrift von Vattenfall, die dem Abendblatt vorliegt, und in der der Energiekonzern immerhin 1,4 Milliarden Euro Schadenersatz vom Deutschen Staat fordert, heißt es, die BSU hätte "in ihrer Entscheidung Anforderungen an Vattenfall ins Feld geführt, die vorher nicht erwähnt worden waren". Soll heißen, die BSU hätte im Genehmigungsbescheid für das Kraftwerk Moorburg Auflagen festgelegt, ohne den Konzern vorher darüber zu informieren. Diese "neuen Kriterien" würden es dem Betreiber Vattenfall unmöglich machen, die nach eigenen Angaben benötigten 64 Kubikmeter Kühlwasser pro Sekunde aus der Elbe zu entnehmen.

Diese Aussage sei definitiv falsch, so der BUND. Die Auflagen, die die Umweltbehörde im Genehmigungsbescheid formuliert hat, seien schon sehr viel früher bekannt gewesen. Bereits in einem Behördenbescheid vom 31. August 2007 ist von erheblichen Auflagen und einer Einschränkung der Kühlwasserentnahmemenge die Rede. Auch dieses Dokument liegt dem Abendblatt vor. Vattenfall wurde nach Aussagen von BSU-Sprecher Volker Dumann am 4. September über den Bescheid und sämtliche darin enthaltenen Auflagendetails informiert.

In einem anderen Absatz schreibt Vattenfall, die BSU halte Absprachen vom 14. November 2007 nicht ein. Gemeint ist die Vorabgenehmigung des Kraftwerks Moorburg durch Bürgermeister Ole von Beust (CDU). Diese war an zahlreiche Umwelt-Auflagen geknüpft. Jetzt behauptet Vattenfall, die Anforderungen in der wasserrechtlichen Genehmigung seien "viel strenger", als das Unternehmen erwarten konnte. Wieder falsch. Denn, so belegt es der BUND, in der schriftlich festgehaltenen und von beiden Seiten unterzeichneten Vereinbarung zwischen Vattenfall und Hamburg vom November 2007 sind die Auflagen bereits enthalten.

Besonders skurril ist das dritte Argument des Energiekonzerns in dieser Kette. Danach habe die BSU "willkürlich die Dauer des Monitorings zur Effizienz der sogenannten Fischtreppe in der Elbe von einem auf zwei Jahre angehoben, was die Inbetriebnahme des Kraftwerks um ein Jahr verzögern könnte". Tatsächlich war es der eigene Vattenfall-Gutachter, der die Ausweitung des Beobachtungszeitraumes auf zwei Jahre empfohlen hat. Das bestätigt nicht nur ein Gutachten, das dem BUND vorliegt, sondern auch BSU-Sprecher Volker Dumann. Nur weil der Vattenfall-Gutachter dies für gegeben hielt, sei der Zeitraum überhaupt verlängert worden.

Was aber will der Energiekonzern damit erreichen? Vattenfall-Sprecherin Sabine Neumann wollte zu Details mit Hinweis auf das schwebende Verfahren keine Stellung nehmen. Grundsätzlich gehe sie aber davon aus, dass beide Seiten dem Schiedsgericht "alle notwendigen Dokumente zur Verfügung stellen" werden. "Letztlich wird es an den Schiedsrichtern liegen, eine Bewertung vorzunehmen", so Neumann. Zurzeit arbeitet Vattenfall an der Klagebegründung. Diese werde "in diesem Jahr" aber nicht mehr fertig, so Neumann.

Unabhängig davon hat der BUND jetzt einen eigenen Schriftsatz beim Schiedsgericht eingereicht. Der Umweltverband hofft, als dritte Partei im Verfahren angehört zu werden. "Wir wollen belegen, dass es keine willkürliche oder unfaire Behandlung Vattenfalls gegeben hat und im Klageschreiben Fehler sind", sagte Braasch. Nach Auffassung des BUND hätte eine wasserrechtliche Genehmigung für das Kraftwerk überhaupt nicht erteilt werden dürfen.