Die massiven Missstände in den Wohnungen der Gagfah finden Hamburgs Politiker schlimm - jetzt geht es allerdings um ihre Verantwortung.

Hamburg. Olaf Scholz ist ein Freund der Mieter. Und so ließ er seinen Sprecher Christoph Holstein gestern sein Entsetzen über die Zustände in den Hamburger Wohnungen der Wohnungsgesellschaft Gagfah verkünden. Mieterverbände hatten deshalb im Abendblatt mehr als 100 Instandsetzungsklagen gegen die Gagfah angekündigt. "Die Klagen sind gerechtfertigt. Wir sind mit den betroffenen Bezirken in engem Kontakt und kümmern uns drum - im Interesse der Mieterinnen und Mieter", sagte Senatssprecher Christoph Holstein. SPD-Stadtentwicklungs-Senatorin Jutta Blankau wollte sich gestern nicht dazu äußern. Sie verwies an die Bezirksämter.

Die Gagfah wurde 2004 an den US-Hedgefonds Fortress verkauft, das Unternehmen wird an der Börse gehandelt. Ehemalige Führungskräfte der Firma und Mieterverbände werfen Fortress vor, sich auf Kosten der Mieter zu bereichern, indem bei der Instandhaltung gespart wird und trotzdem hohe Renditen gezahlt werden.

Wenn die Hamburger Wohnungen - besonders viele von ihnen stehen in Steilshoop und Wilhelmsburg - weiter verkommen, drohen der Stadt neue soziale Brennpunkte. Am Ende könnte es die Stadt sein, die mit Steuergeldern einspringen muss.

Nicht nur die SPD tut sich schwer mit dem Thema - auch die ehemalige Regierungspartei CDU ist verhalten. Die Sprecherin der CDU-Fraktion beantwortet die Frage nach der Verantwortung in der Stadtentwicklungspolitik so: Das Gros der Investoren mache gute Arbeit, aber es gebe hier wie überall am Markt "schwarze Schafe". Aber die Sprecherin gibt auch zu: Mit der Gagfah habe man in der Vergangenheit keine guten Erfahrungen gemacht.

Die Grünen, die mit Anja Hajduk in der ehemaligen Regierung die Stadtentwicklungssenatorin stellten, sehen heute Handlungsbedarf. "Wohnen ist ein Grundbedürfnis der Menschen, da muss der Staat steuernd eingreifen können", sagte Olaf Duge, Sprecher der GAL für Stadtentwicklung und Wohnen. Die Stadt müsse überlegen, ob sie den Wohnungsbestand nicht zurückkaufen wolle. "Ich habe wenig Hoffnung in die Gagfah, dass sie Kraft und Willen entwickelt, die Wohnungen vernünftig instand zu setzen."

Die weiteren Oppositionsparteien tun sich leichter. "Eigentum verpflichtet, das hat die renditeversessene Gagfah offenbar nie richtig verstanden. Und deshalb muss jetzt von staatlicher Seite massiv interveniert werden", sagte der wohnungspolitische Sprecher der Linken, Joachim Bischoff. Die FDP sieht Versäumnisse der Behörden, diese hätten "frühzeitiger energisch nachfassen müssen", sagte Kurt Duwe, Sprecher für Stadtentwicklung in der FDP-Fraktion. Was ist dran an dem Vorwurf? Es sind die Hamburger Bezirksämter, die über die Einhaltung des Hamburgischen Wohnraumgesetzes wachen. Seit 2008 sind bei den Hamburger Bezirken 27 Hinweise auf mögliche Mängel in Gagfah-Wohnungen eingegangen. Das geht aus zwei Senatsantworten auf Kleine Anfragen der Linken und der GAL hervor. Besonders auf Feuchtigkeit und Schimmelbildung machten Mieter aufmerksam. Bezirksmitarbeiter schauten sich viele der Mängel vor Ort an und zwangen die Gagfah dazu zu reagieren.

Vor dem Hintergrund, dass die Mietervereine derzeit mehr als 100 Klagen gegen die Gagfah vorbereiten, scheint die Zahl der Klagen bei den Bezirksämtern niedrig zu sein. Ein Grund dafür ist, dass viele Betroffene gar nicht wissen, an wen sie sich wenden können.

Die Stadt Hamburg kann darüber froh sein, denn wie ebenfalls aus den Senatspapieren hervorgeht, ist sie im Bereich Wohnungsschutz nur schwach aufgestellt. Lediglich zwölf Mitarbeiter kümmern sich in allen Hamburger Bezirken um den Aufgabenbereich der Wohnungspflege. Zwölf Mitarbeiter für insgesamt 700 000 Hamburger Mietwohnungen. "Es herrscht Personalnot, die Wohnungspfleger reagieren nur auf Anfrage, von sich aus werden die nicht aktiv", sagt Olaf Duge von der GAL.

Fraglich ist, wie viel Druck Olaf Scholz und Jutta Blankau auf die Gagfah ausüben möchten, denn sie sind auf ihre Kooperation bei einem Entwicklungsprojekt in Steilshoop angewiesen. Im Mai 2009 hatte sich die Gagfah schon einmal aus diesem "Housing Improvement District" (HID) zurückgezogen. Die Stadtentwicklungsbehörde unter Ex-Senatorin Anja Hajduk (GAL) warb danach beharrlich dafür, dass die Gagfah sich finanziell an der Aufwertung des Stadtteils Steilshoop beteilige. Der Gagfah-Geschäftsführer William J. Brennan sei deshalb eigens zu Verhandlungen in die Hansestadt gekommen, heißt es bei der GAL. Im Februar 2010 hatten die schwarz-grüne Regierung und Gagfah dann verkündet, dass sich der Konzern mit 1,5 Millionen Euro an dem 7,5-Millionen-Euro-Projekt beteiligt. Im diesem Juni sollen die neuen Pläne eigentlich vorgestellt werden.