Verbände planen mehr als 100 Klagen gegen die Gagfah. Hamburger leben im Schimmel

Hamburg. Hamburg steht vor einem neuen Immobilienskandal. Mehr als 100 Mieter wollen den Wohnungskonzern Gagfah verklagen, weil sie seit Jahren mit Schimmel an den Wänden, abbröckelnden Balkonen, undichten Fenstern und funktionsuntüchtigen Fahrstühlen leben müssen. "Wir bereiten an die 100 Instandsetzungsklagen vor", sagte der stellvertretende Vorsitzende des Mietervereins zu Hamburg, Siegmund Chychla, dem Abendblatt. Auch Sylvia Sonnemann, Geschäftsführerin von "Mieter helfen Mietern", kündigte rund 30 Klagen ihres Vereins an.

Der Gagfah gehören in Deutschland 160 000 Wohnungen. In Hamburg sind es 9375, davon 2100 in Steilshoop und 1300 in Wilhelmsburg. Der Rest verteilt sich über die Stadt.

Der Mieterverein und "Mieter helfen Mietern" werfen dem Immobilienkonzern vor, absichtlich nicht in den Bestand zu investieren. Üblich seien Reparaturausgaben von 12 bis 15 Euro pro Quadratmeter und Jahr. Eine Abendblatt-Recherche zeigt, dass die Gagfah zuletzt nur noch knapp sechs Euro aufbrachte. Zugleich zahlte das Unternehmen in den letzten Jahren aber weiter hohe Dividenden an die Aktionäre. "Mit dem Geld der Mieter werden Aktionäre befriedigt", kritisiert Siegmund Chychla.

Die Gagfah gehörte früher der deutschen Rentenversicherung. 2004 kaufte der amerikanische Hedgefonds Fortress das Unternehmen und brachte es an die Börse.

Wie ehemalige Führungskräfte der Gagfah dem Abendblatt sagten, wurde in der Anfangsphase noch saniert. Für Hamburg habe es Investitionspläne in Höhe von rund 30 Millionen Euro gegeben. Mit Beginn der Finanzkrise 2008 seien diese gestoppt worden, sagten die Ex-Manager. Sie warnen davor, dass Fortress das Unternehmen an die Wand fahren lasse. Die Häuser würden ohne die notwendigen Reparaturen an Wert verlieren. Zudem würden die besten Objekte gewinnbringend verkauft.

Viele Mieter haben seit dem Einstieg von Fortress große Probleme, wenn sie sich mit Schadensmeldungen an die Gagfah wenden. Familie Dohrwardt aus Steilshoop zum Beispiel lebt mittlerweile regelrecht im Schimmel. Wohnzimmer, Schlafzimmer, Kinderzimmer und Badezimmer sind befallen. Mehrfach hat die Familie die Schäden angezeigt. Doch der Vermieter schickte lediglich eine Broschüre mit Tipps zum richtigen Lüften.

Selbst sicherheitsrelevante Reparaturen wurden offensichtlich vernachlässigt. Dem Abendblatt liegt eine interne Liste vor, die zeigt, dass der Konzern sogar Brandschutzmaßnahmen und die Reparatur gefährdeter Balkone auf die lange Bank schiebt. Demnach ist deutschlandweit 2009 nur ein Siebtel der notwendigen Ausgaben für derartige "Verkehrssicherungsmaßnahmen" zur Verfügung gestellt worden.

Das Unternehmen bestreitet alle Vorwürfe: "Wenn akuter Handlungsbedarf besteht, erfolgt umgehend die Beseitigung des Risikos", sagte eine Unternehmenssprecherin. Und: "Selbstverständlich kommen wir der Instandhaltungspflicht nach und setzen die Instandhaltungsmittel bestmöglich ein." Das Abendblatt wollte den Geschäftsführer der Gagfah, William J. Brennan, mit den Vorwürfen konfrontieren. Seine Sprecherin lehnte ein Interview ab.