Viele Gagfah-Mieter sind Einwanderer - und tun sich schwer im Konflikt mit ihrem Vermieter

Wilhelmsburg. Mevlüt Göktas wohnt an der Wittestraße 13, erster Stock. Seit 15 Jahren lebt der gebürtige Türke in der Vier-Zimmer-Wohnung in Wilhelmsburg. Wenn er auf seinem Balkon steht, kann er dabei zusehen, wie sein Wohnhaus verfällt.

Jetzt ist Wasser ist in seinen Balkon eingedrungen, das Material ist aufgequollen und fällt ab; Göktas zeigt ein Trümmerteil, das so groß ist wie seine Handfläche. Bis die Gagfah das Haus übernahm, habe er keine Probleme gehabt, sagt er. Sein Wohnzimmer schimmelt, die Fenster sind undicht. Göktas' Frau friert, wenn sie fernsehen will, sie braucht immer eine Wolldecke. Mevlüt Göktas bekämpft den Schimmel, indem er Farbe kauft und über die Stellen drüberpinselt; die Gagfah kümmert sich ja nicht, sagt er. Doch der Schimmel kommt immer wieder. Erst vor Kurzem hat er Kontakt zum Mieterverein aufgenommen - jahrelang hat er nicht gewusst, wie er sich wehren kann.

In Wilhelmsburg stehen 1300 Gagfah-Wohnungen, hier gibt es hamburgweit die meisten Beschwerden von Mietern. Im März musste das Bezirksamt Mitte eingreifen und die Gagfah dazu zwingen, die Balkone eines Hauses abzustützen.

Doch viele Betroffene schweigen, gerade hier in Wilhelmsburg. "Viele Zuwanderer in Wilhelmsburg kennen ihre Rechte als Mieter nicht. Viele scheitern an den Sprachproblemen", sagt Rolf Bosse vom Hamburger Mieterverein, der für Wilhelmsburg zuständig ist.

Fevzi Koca wohnt in der Korallusstraße 6, dritter Stock. Für seine Vierzimmerwohnung zahlt er 725,50 Euro warm. Die Klospülung im Bad ist kaputt. "Der zuständige Hausmeister von der Gagfah hat mir geraten, doch einfach den Wasserzufluss zum Klo abzuschalten", sagt Koca. Seit sechs Jahren wohnt er in dem neunstöckigen Wohnklotz. Er schämt sich, Besuch zu empfangen, weil die Hausflure mit Schmierereien verunstaltet sind. Die Gagfah unternehme nichts dagegen, sagt Koca. Der Hausmeister habe ihm gesagt, dass bis zum Jahr 2013 dafür keine Mittel verfügbar seien. So hat er selbst Farbe gekauft, für 120 Euro und den Flur vor seiner Wohnung gestrichen.

Tommaso Ferrara, er wohnt seit 1991 an der Jungnickelstraße 7, erster Stock. Für seine 42 Quadratmeter große Zwei-Zimmer-Wohnung zahlt der Zugbegleiter 336,92 Euro warm, ab Juni soll er 351,92 Euro zahlen. Auch er besserte jahrelang die Schimmelschäden in seiner Wohnung aus. Bis er eines Tages die Miete minderte. Die Gagfah reagierte, stellte daraufhin Trocknungsgeräte auf und reparierte die Schäden - und verklagte ihn auf Zahlung der rückständigen Miete. Vor Gericht kam es zu einem Vergleich. Ferrara musste einen Teil der einbehaltenen Miete zahlen, unterm Strich war der Rechtsstreit jedoch ein Erfolg für ihn, sagt er. Viele seiner Nachbarn scheuen aber die hohen Kosten eines Prozesses.

So wie seine Nachbarin Nezire Yaman. "Ich kann kaum atmen", klagt die 79-Jährige. Der Schimmel ist in ihrem Bad, kriecht neben ihrem Bett die Wand hoch. Nezire Yaman spricht kaum Deutsch, sie ist mit der Situation völlig überfordert.