Durch die Forderung soll Radfahren in der Hansestadt sicherer und komfortabler werden. ADAC bezeichnet Forderungen als “völligen Blödsinn“.

Hamburg. Tuckern Hamburgs Autofahrer demnächst im Schneckentempo durch die Stadt? "Nicht im Schneckentempo", sagt Dirk Lau, Mitglied des neu gewählten Vorstands des Hamburger Landesverbands des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs (ADFC). "Aber wenn es nach uns ginge, dann sollte der Kraftverkehr in Hamburg tatsächlich deutlich langsamer werden."

Lau ergänzt: "Wir fordern - abgesehen von wenigen Ausnahmen wie Autobahnzubringern - die stadtweite Einführung von Tempo 30. Dadurch wollen wir Hamburg zu einer attraktiven Fahrradstadt und darüber hinaus deutlich lebenswerter machen, indem Lärm, Feinstaub und Unfallzahlen reduziert werden."

Der Ruf nach Tempo 30, er ist Teil eines neuen verkehrspolitischen Leitbilds des ADFC Hamburg, das der Verein jüngst verabschiedet hat. Unter dem Titel "Vorfahrt fürs Rad - unsere Vision einer modernen Mobilität" skizziert er seine langfristigen Ziele. Eins davon: Bis 2015 soll das Fahrradfahren ein Viertel des gesamten Hamburger Verkehrs ausmachen, sich im Vergleich zu heute also verdoppeln.

"Rund die Hälfte aller Strecken in der Stadt wird mit dem Rad zurückgelegt, bei den Kurzstrecken unter fünf Kilometern ist es als Verkehrsmittel erste Wahl", malt sich der ADFC in seinem Leitbild die Zukunft aus. Weiter heißt es in dem Papier: "Alles ist bequem erreichbar zu Fuß, mit dem Rad oder in Kombination mit dem öffentlichen Personennahverkehr. Die Stadtentwicklungs- und Verkehrsplanung orientiert sich nicht mehr an der Beschleunigung von Autoverkehrsflüssen, sondern schafft die Grundlage für eine saubere, bezahlbare Mobilität aller Einwohner Hamburgs."

Klingt da die Idee an, dass die Hamburger langfristig womöglich ganz aufs Auto verzichten könnten? "Auf jeden Fall", sagt Dirk Lau und fügt hinzu: "Unser Ziel ist es, das Auto auf Kurzstrecken im hamburgischen Alltag überflüssig zu machen." Um diese Maßgabe tatsächlich umzusetzen, bedarf es nach der Einschätzung des ADFC in Hamburg noch jeder Menge Arbeit. So fordert er: "Die einzelnen Stadtteilzentren sollten vom privaten motorisierten Individualverkehr befreit werden."

Ferner seien auch eine verständliche Ausschilderung, eine angenehme und sichere Streckenführung sowie eine ausreichende Zahl an öffentlichen Abstellanlagen wünschenswert. Bislang allerdings, beanstandet Dirk Lau, sei es in Hamburg mit der Fahrradfreundlichkeit nicht weit her: "Die beiden Hauptmängel sind das Fehlen von funktionierenden Velorouten für Alltagsradler und der viel zu schleppend vorankommende Bau von Radfahrstreifen auf den Fahrbahnen. Zudem müssen endlich die Fahrradmitnahme-Sperrzeiten im HVV, die es montags bis freitags zwischen 6 und 9 Uhr und zwischen 16 und 18 Uhr gibt, wegfallen."

Dem gegenüber steht die ADFC-Vision für die Zukunft, in der es in Hamburg so aussehen soll: "Die Stadt fördert den Radverkehr dadurch, dass sie eine nachhaltige, also umwelt- und menschengerechte wie ressourcensparende Verkehrs- und Stadtentwicklungspolitik verfolgt. Dazu gehört die kontinuierliche Öffentlichkeitsarbeit der Stadt, die eine positive Imagewerbung im Sinne des Radfahrens betreibt."

Die Reaktionen auf das neue verkehrspolitische Leitbild des ADFC Hamburg sind indes unterschiedlich. "Diese Forderung ist völliger Blödsinn und absolut unrealistisch", sagt Matthias Schmitting, Pressesprecher des Allgemeinen Deutschen Automobil-Clubs (ADAC) Hansa, zum Ruf nach einer hamburgweiten Tempo-30-Zone.

"Wir brauchen in einer Großstadt und Metropolregion wie Hamburg Hauptverkehrsstraßen mit 'normalen' Geschwindigkeitsbegrenzungen, damit der Verkehr nicht zum Erliegen kommt." In der Hamburger Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt (BSU) gibt man sich diplomatischer. Sprecherin Helma Krstanoski: "Wir wollen durchaus die Ausweisung weiterer Tempo-30-Zonen. Gerade im vergangenen Monat haben wir 41 neue Straßen oder Straßenabschnitte identifiziert , die dafür geeignet sind." Krstanoski ergänzt: "Tempo 30 erhöht Sicherheit und Lebensqualität für die Menschen in den Wohngebieten. Für Fahrradfahrer bieten Tempo-30-Zonen ideale Bedingungen für komfortables und zügiges Vorankommen auf der Fahrbahn." In Bezug auf den ADFC-Ruf nach freier Fahrradmitnahme im HVV werde derzeit geprüft, ob und inwieweit geltende Sperrzeiten zu den Hauptverkehrszeiten eingeschränkt oder aufgehoben werden könnten.

Das wiederum stößt bei der Hamburger Hochbahn auf Kritik. Sprecher Christoph Kreienbaum: "Wir wollen an den Sperrzeiten festhalten, da wir in den Fahrrädern zu Stoßzeiten eine Gefahr für die Fluchtwege sehen." Dem ADFC-Appell, mehr Waggons einzusetzen, erteilt Kreienbaum eine Absage: "Morgens und nachmittags fahren wir ohnehin mit Vollzügen."

Hamburg sei bereits eine der wenigen Städte, in denen man das Fahrrad in Bussen und Bahnen kostenlos mitnehmen könne. In einem Punkt sind sich Hochbahn und Umweltbehörde einig: "Hamburgs Verkehrsverbund ist insofern bereits sehr fahrradfreundlich", sagt Kreienbaum.

Darüber hinaus, so Helma Krstanoski, gebe es in Hamburg schon aktuell eine "neue Fahrradpolitik" im Rahmen der Radverkehrsstrategie für Hamburg. Bis die jedoch "unter dem Reifen" durchgängig spürbar sein werde, fügt die Sprecherin hinzu, werde noch einige Zeit vergehen, da Hamburgs Radwegenetz in der Tat strukturell veraltet sei.