Die Innenbehörde zieht einen ernüchternden Schluss nach drei Jahren Videoüberwachung auf der Reeperbahn. Zahl der Straftaten stieg dramatisch.

Hamburg. "Das Ziel der Reduzierung des Fallaufkommens insgesamt in dem Bereich der Reeperbahn ist in den ersten drei Jahren der Überwachung nicht erreicht worden": Diesen ernüchternden Schluss zieht die Innenbehörde nach drei Jahren der Videoüberwachung auf der Reeperbahn. In einer Wirksamkeitsanalyse, die dem Abendblatt vorliegt und die am Dienstag Thema in der Bürgerschaft sein wird, heißt es weiter: "Das Fallaufkommen in den ausgewählten Deliktsbereichen im videoüberwachten Bereich der Reeperbahn stieg im dritten Jahr der Videoüberwachung gegenüber dem Jahr vor Inbetriebnahme der Videoüberwachung um 32 Prozent." Besonders auffällig: Die Zahl der Körperverletzungen stieg von 2006 bis 2009 gar um 75 Prozent - innerhalb des eigentlich zur Abschreckung vor Straftaten eingerichteten Überwachungsbereichs. In der Umgebung dieses Bereichs stieg die Zahl um 46 Prozent.

Für die Innenbehörde sind die stark gestiegenen Fallzahlen allerdings ein Beleg des Erfolgs: Sie seien einer Aufhellung des Dunkelfeldes geschuldet, heißt es in dem Papier. Sprich: Die Innenbehörde geht davon aus, dass durch die Videoüberwachung und gesteigerte Polizeipräsenz einfach mehr Taten angezeigt und damit bekannt werden.

Seit dem 30. März 2006 hat die Polizei an der Reeperbahn zwischen Pepermölenbek und Helgoländer Allee insgesamt zwölf Kameras installiert, die rund um die Uhr Bilder ins Präsidium in Alsterdorf senden. In der dortigen Einsatzzentrale werden die Bilder auf Monitoren überwacht. Beobachtet ein Beamter eine Straftat oder einen Streit, von dem er meint, dass er eskalieren könnte, kann er Beamte der nahen Davidwache zum Ort des Geschehens entsenden. Auch in der Davidwache haben die Beamten Bilder der Videokameras - allerdings nur auf einem Monitor.

Im Überwachungsbereich zählten die Beamten im Jahr vor Errichtung des Kontrollbereichs 182 gefährliche und 369 einfache Körperverletzungen. Drei Jahre später waren es schon 239, bzw. 646 Fälle. Deutlich zurückgegangen ist die Zahl der Drogendelikte im entsprechenden Bereich. Hier gab es ein Minus von 38 Prozent. Um eine mögliche Verdrängung des Verbrechens in das Umfeld des Videobereichs zu überprüfen, registriert die Polizei auch die Zahl der Straftaten in der direkten Umgebung, dem sogenannten Kontrollbereich.

Hier sank die Zahl der Drogendelikte um 33 Prozent, die schweren und gefährlichen Körperverletzungen nahmen um 38 Prozent, die einfachen Körperverletzungen um 46 Prozent zu. Werte, die Kritiker der Videoüberwachung als Beleg dafür deuten, dass die Kameras ein knapp 700 000 Euro teurer Irrtum seien. Das sehen Innenbehörde und Polizei anders: Allerdings: Wie aus der Wirksamkeitsanalyse hervorgeht, hat sich auch die Zahl der durch die Videoüberwachung ausgelösten Einsätze deutlich reduziert. Rückten Polizeibeamte zwischen April 2006 und März 2007 noch 271 ausgelöst durch Bilder der Videoüberwachung aus, gab es im Vergleichszeitraum 2008 bis 2009 nur noch 145 Einsätze.

Laut Innenbehörde hat jedoch die Videoüberwachung im Zusammenspiel mit der erhöhten Polizeipräsenz eindeutig zur Aufhellung des Dunkelfeldes beigetragen. Man habe eine sehr große Zahl von Straftaten durch die Videobilder aufklären können, heißt es bei der Polizei. Klar ist den Fahndern, dass Prügeleien unter jungen, alkoholisierten Kiezbesuchern nicht durch Kameras zu unterbinden sind. Auf Seite 21 der Wirksamkeitsanalyse heißt es: "Für den Bereich der Körperverletzungsdelikte ist ein Abschreckungseffekt in der Regel eher unwahrscheinlich."