500 Hamburger kamen zum Neujahrsempfang ins Rathaus. Es gab Premieren für den Bürgermeister und auch für viele andere Politiker.

Hamburg. An einer jahrhundertealten Tradition lässt sich nicht nur ablesen, was sich bewährt hat, sondern manchmal auch, was sich verändert hat. So war der Neujahrsempfang des Hamburger Bürgermeisters, den es in ähnlicher Form schon seit dem 18. Jahrhundert gibt, gestern Vormittag vor allem ein Beleg dafür, dass das Jahr 2011 kaum einen politischen Stein auf dem anderen gelassen hatte.

Als Erster Bürgermeister nahm erstmals Olaf Scholz (SPD) die Neujahrsgrüße der Hamburger entgegen - an seiner Stelle stand im Vorjahr noch Christoph Ahlhaus (CDU) und davor neun Jahre lang Ole von Beust (CDU). Wie schon Ortwin Runde (SPD) mit Krista Sager (GAL) und von Beust in der Nach-Schill-Ära mit Birgit Schnieber-Jastram (CDU) und später Christa Goetsch (GAL) hatte auch Scholz mit der Zweiten Bürgermeisterin Dorothee Stapelfeldt (SPD) eine Frau an seiner Seite. Was eine ältere Dame nicht davon abhielt, diese mit "Frau Ernst" anzusprechen. Stapelfeldt nahm es mit Humor. Den Grund zu der Annahme, dass Scholz seine Ehefrau Britta Ernst an seiner Seite haben müsste, hatte wohl der Neujahrsempfang 2011 geliefert, als Ahlhaus das Protokoll geändert und gemeinsam mit Gattin Simone die Hände geschüttelt hatte. Eine Randnotiz der Rathaus-Geschichte.

+++ Das System Olaf Scholz – Die große Macht des Bürgermeisters +++

In der Rolle der ausgleichenden Parlamentspräsidentin überbrachte Carola Veit die Grüße der Bürgerschaft - die SPD-Politikerin hatte vor einem Jahr noch Seite an Seite mit Stapelfeldt und Scholz für den Wahlsieg der Genossen gekämpft. Und eine "glückliche Hand, auch im Namen der Opposition" wünschte dem Bürgermeister dieses Mal CDU-Fraktionschef Dietrich Wersich - der Scholz im kurzen Zwiegespräch daran erinnerte, dass er selbst vor Jahresfrist noch an der Seite des Ehepaars Ahlhaus die Hände geschüttelt hatte. Wersich war in der turbulenten Phase nach dem Koalitionsbruch kurzzeitig Zweiter Bürgermeister.

Auch für Katja Suding hat 2011 enorm viel verändert - von der weitgehend unbekannten FDP-Hoffnungsträgerin hin zur Fraktionschefin und zum Politstar. Sollte Scholz 2015 einen Koalitionspartner brauchen und die Wahl auf die FDP fallen, könnte Suding sogar Zweite Bürgermeisterin werden. Dass sie Scholz beim Neujahrsempfang alles Gute wünschte, hatte aber nichts zu bedeuten - das taten alle Besucher. Interessanter war schon, dass Suding zu Silvester die Rolle der Frau an der Seite eines Alphatieres gespielt hatte - bei einer privaten Mottoparty (Thema: James Bond) erschien sie als Bond-Girl.

Angesichts der Tatsache, dass fast alle anwesenden Politiker im Vergleich zum Vorjahr eine neue Rolle ausfüllten, bildeten die anderen 500 Besucher den Fels in der Brandung. So überbrachten einer langen Tradition folgend wieder Hamburger Originale wie der Wasserträger Hummel, die Zitronenjette und der Udel (Polizist) ihre besten Wünsche und das eine oder andere Präsent, zum Beispiel eine Südfrucht. "Zitronen geben Kraft, die braucht der Bürgermeister zum ordentlichen Regieren", sagte Christa Prehn, die als Zitronenjette zum gefühlt zehnten Mal an dem Empfang teilnahm - ihr Mann Harry war als Hummel noch häufiger dabei.

Regelmäßige Besucher an Neujahr sind auch die "Schaltjahreskinder". Für die rund 1000 am 29. Februar geborenen Hamburger ist 2012 ein besonderes Jahr - dürfen sie doch ausnahmsweise richtig Geburtstag feiern. Sibilla Rumstick, die in zwei Monaten "21" wird, hatte einen Wunsch an den Bürgermeister: "Wenn wir als Gruppe mal zusammen Silvester feiern, würden wir das gern in diesem Saal tun", sagte sie mit Blick in den prächtigen Kaisersaal, in dem sich die Gäste nach der Begrüßung des Bürgermeisters sammelten.

Scholz selbst, nach zwei Wochen Urlaub auf den Kanaren sichtlich erholt, hatte auch einige Wünsche und gute Vorsätze fürs neue Jahr: "Dass wir gut durch diese schwierigen Zeiten kommen. Es wird ja nicht einfacher in Hamburg und Europa. Ich selber habe mir vorgenommen, dass ich mehr laufe." Über seinen Jahreswechsel verriet der Bürgermeister nur, dass es "ein guter Rutsch" war und er den Abend daheim in Altona verbracht habe. Seine Einsilbigkeit hinsichtlich privater Fragen hielt die Hamburger aber nicht davon ab, dem Bürgermeister sehr herzlich zu begegnen. Kamen in früheren Jahren schon mal politische Gegner zum Neujahrsempfang, um ein Anliegen zu artikulieren, blieb das anno 2012 völlig aus. "Die Menschen waren alle sehr freundlich", stellte Scholz fest. "Das hebt auch die eigene Stimmung."

Allerdings hat auch der Andrang deutlich abgenommen. Waren es zu Beginn der Von-Beust-Ära noch gut 2000 Besucher, kamen gestern nur rund 500 - was wohl auch dem schlechten Wetter geschuldet war. So musste das Polizeiorchester das Hamburg-Lied statt vor dem Rathaus im Eingangsbereich anstimmen. Auch eine ungewohnte Rolle.