Dietrich Wersich will, dass Trainer und Betreuer ein polizeiliches Führungszeugnis vorlegen, um sexueller Gewalt gegen Kinder vorzubeugen.

Hamburg. Zum Schutz von Kindern vor sexueller Gewalt schlägt Sozialsenator Dietrich Wersich (CDU) vor, auch ehrenamtliche Mitarbeiter in Vereinen und Verbänden strenger zu überprüfen, bevor sie ihre Arbeit mit Kindern und Jugendlichen aufnehmen. "Ich kann mir vorstellen, dass auch Mitarbeiter, die nicht fest angestellt sind, ein erweitertes polizeiliches Führungszeugnis vorlegen müssen, bevor sie als Betreuer oder Trainer eingesetzt werden", sagte Wersich, der dieses Konzept beim bundesweiten "Runden Tisch gegen sexuellen Missbrauch" eingebracht hat, dem Abendblatt. Die Initiative ist als bundespolitischer Vorstoß zu werten: Hamburgs Sozialsenator ist hier gemeinsam mit Manuela Schwesig (SPD), Sozialministerin in Mecklenburg-Vorpommern, Vertreter der Jugendminister aller Bundesländer.

Bisher musste ein polizeiliches Führungszeugnis nur vorlegen, wer hauptamtlich Kinder und Jugendliche in privaten oder staatlichen Einrichtungen betreut. Ein erweitertes Führungszeugnis listet auch solche Verurteilungen wegen sexueller Gewalt auf, die wegen ihres geringen Strafmaßes im normalen Führungszeugnis nicht mehr erwähnt werden.

Die Idee des Sozialsenators könnte auch Thema sein auf der zweitägigen Konferenz der Jugend- und Familienminister, die morgen in Schwerin beginnt. Dort will Hamburg einen Leitantrag diskutieren lassen: Nach der Debatte über Missbrauchsfälle in kirchlichen Einrichtungen sollen demnach auch "pädagogisch begleitete Ferienmaßnahmen, Sportvereine, offene Jugendarbeit und Jugendverbände" mehr in den Blickpunkt gerückt werden. "Sexuelle Gewalt an Schutzbefohlenen ist kein Phänomen der katholischen Kirche, sondern kann überall dort auftreten, wo Erwachsene mit Kindern engen Kontakt in einem Vertrauens- und Abhängigkeitsverhältnis haben", sagt Wersich. Die Familienbehörde gehe davon aus, dass auch in Sportvereinen noch ein "erhebliches Dunkelfeld" dieser Straftaten bestehen könnte. "Diese gilt es durch gezielte Maßnahmen aufzuarbeiten und künftig zu verhindern", so der Sozialsenator.

Für kommende Woche hat der Sozialsenator zudem Vertreter der Hamburger Sport-, Kirchen-, Lehrer- und auch Wohlfahrtsverbände eingeladen, um über Hamburger Konsequenzen aus der bundesweiten Diskussion um sexuelle Gewalt gegen Kinder zu beraten. Dort dürfte ein weiterer Vorstoß kontrovers diskutiert werden: "Wir denken auch über eine Meldepflicht der Staatsanwaltschaft über laufende Verfahren nach", sagte Wersich im Gespräch mit dem Abendblatt. In der Praxis bedeutet das: Wird gegen einen Bewerber beispielsweise auf eine Stelle als Jugendleiter bereits aufgrund von Gewalt gegen Jugendliche ermittelt, erfährt die Institution dies vom Jugendamt, das wiederum von der Staatsanwaltschaft informiert wurde.

Senator Wersich weiß um die Brisanz seines eigenen Vorschlags, schließlich gehört die Unschuldsvermutung zu den höchsten Rechtsgütern. "Wir wissen aber auch, dass beispielsweise Pädophile den Kontakt zu Kindern suchen und sich auf entsprechende Stellen auch bewerben", sagte Wersich. Es müsse verhindert werden, dass vor einer Verurteilung weitere Straftaten begangen werden. Denkbar sei auch eine erweiterte Meldepflicht: Kommt es etwa in einem Ferienlager zu auffälligem Verhalten eines Betreuers gegenüber Kindern, wären die anderen Aufseher verpflichtet, dies zu melden. "Ein schmaler Grat", wie der Sozialsenator einräumt.

Erst 2009 hatte der Bundestag beschlossen, dass Bewerber auf hauptamtliche Stellen im Jugendbereich ein erweitertes polizeiliches Führungszeugnis vorlegen müssen. Potenzielle Arbeitgeber sollen über "alle einschlägigen Vorstrafen der Bewerber Bescheid wissen". Auch die damalige Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) betonte, dass viele Berufe ins Blickfeld zu nehmen seien, darunter "Erzieher in Kindergärten, Schulbusfahrer, Bademeister, Sporttrainer oder Mitarbeiter im Jugendamt".