1800 Menschen kamen zur Demonstration. Nach neuer Abendblatt-Umfrage lehnen 85 Prozent der Hamburger die Erhöhung der Kita-Gebühren ab.

Hamburg. Für Bennett, 7, ist es die erste Demonstration. Er hat extra ein rotes Schild gemalt mit einem weinenden Smiley auf der einen Seite und einem Euro auf der anderen. Für seine Mutter ist es auch die erste Demonstration. "Wir wollen zeigen, dass wir mit der Erhöhung der Kita-Gebühren nicht einverstanden sind", sagt Margit Peters ,37. Deshalb ist sie aus Hummelsbüttel mit Bennett und seiner Schwester Juli ,3, gestern Nachmittag auf den Gerhart-Hauptmann-Platz gekommen. Der Platz ist voll. 1800 Teilnehmer sind es, schätzt die Polizei. "Kinder in Hamburg - unbezahlbar" steht auf einem Spruchband. Kinder thronen auf den Schultern ihrer Eltern. Viele haben Trillerpfeifen mitgebracht.

Zuerst waren es die Familien, inzwischen hat die Welle der Empörung über den Sparbeschlüsse des Senats weite Teile der Stadt erfasst - und könnte sogar den Fortbestand der schwarz-grünen Koalition gefährden. Nach einer repräsentativen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Psephos im Auftrag des Abendblatts sprechen sich 85 Prozent der Befragten gegen die Anhebung der Elternbeiträge aus. Besonders hoch ist die Ablehnung mit 91 Prozent bei den Wählern der GAL. Aber auch 75 Prozent der CDU-Wähler sind gegen die Gebührenanhebung. Die Meinungsforscher hatten im April 1004 Hamburger zur politischen Stimmung in der Hansestadt befragt.

+++ Das müssen Eltern in Hamburg künftig bezahlen +++

Dramatisch für den Senat ist ein weiteres Ergebnis der Meinungsumfrage. Danach könnte die Erhöhung der Kita-Gebühren bei mehr als einem Fünftel der Befragten (22 Prozent) die Wahlentscheidung bei der nächsten Bürgerschaftswahl 2012 beeinflussen. Erneut sind besonders die GAL-Wähler enttäuscht von der schwarz-grünen Politik. Knapp die Hälfte der Befragten (47 Prozent) gibt an, dass sie vielleicht eine andere Partei wählen würde. Bei der CDU sind es 16 Prozent. Und darum geht es: Der Senat will das Kita-Essen für alle Kinder zum 15. Mai verteuern und die Höchstbeträge der Eltern ab August um bis zu 100 Euro monatlich pro Kind anheben. Zudem soll der Anspruch auf Bertreuung von bislang 14 Jahren auf 12 Jahre abgesenkt werden. Die Maßnahmen sollen insgesamt 30 Millionen Euro in die klamme Stadtkasse spülen.

Schon seit Wochen laufen die Eltern dagegen Sturm. Aus einer lockeren Gruppe "Gegen die Erhöhung der Kita-Gebühren" bei Facebook ist eine kräftige Protestbewegung mit knapp 3000 registrierten Nutzern geworden. "Dass heute so viele zur Demo gekommen sind, ist ein Riesenerfolg", sagt Mitinitiatorin Hendrike Schmietendorf, 39, aus dem Schanzenviertel. "Es geht darum, deutlich zu machen, dass es eine falsche Tendenz in der Hamburger Politik gibt."

Entsprechend deutlich war die Stimmung unter den Eltern auf dem Gerhart-Hauptmann-Platz. Trotz Nieselregen harrten die meisten aus. "Ich bin wütend, enttäuscht, einfach zornig", schimpft eine Mutter. "Wir müssen für die Betreuung unserer drei Kinder 200 Euro mehr zahlen", sagt Wolfgang Schulze, 43, Arzt aus Lokstedt. Statt 534 Euro bald 734 Euro. "Wir überlegen, ob es noch lohnt, wenn wir beide arbeiten." So wie er denken viele Demonstranten. "Es kann nicht sein, dass die Elbphilharmonie und andere Prestigeprojekte gebaut werden, und die Kinder auf der Strecke bleiben", sagt Andrea Müller, 34, aus Bramfeld.

Wie sehr die GAL-Fraktion inzwischen in der Defensive ist, zeigt ein offener Brief. Trotz der schwierigen Rahmenbedingungen würden Eltern "nur in einem zumutbaren Maß und nach ihren finanziellen Möglichkeiten in die Verantwortung" genommen, wirbt die Fraktion um Verständnis. Die Kinderbetreuung solle weiter ausgebaut werden, bis 2012 etwa 40 Prozent mehr Krippenplätze und 20 Prozent mehr Hortplätze entstehen. Die Mehreinnahmen aus den Elternbeiträgen flössen ausschließlich in die Kindertagesbetreuung, heißt es weiter. In einem Video, das bei YouTube zu sehen ist, versuchen die GAL-Abgeordneten Christiane Blömeke und Jens Kerstan mit den gleichen Argumenten, die aufgebrachten Eltern zu beruhigen.

Die Eltern überzeugt das nicht. "Wir fordern, dass das gesamte Sparpaket zurückgenommen wird", sagte Claudia Wackendorff ,35, Sprecherin des Landeselternausschusses Kindertagesbetreuung, gestern unter Beifall. Frühkindliche Bildung müsse einen anderen Stellenwert bekommen. Schon seit Freitag läuft die Unterschriftensammlung für eine Volkspetition gegen die Gebührenerhöhung. Bei der Demonstration füllen sich die Listen im Minutentakt. Mindestens 10.000 Unterschriften werden gebraucht, um die Forderung in die Bürgerschaft zu bringen. Am Freitag soll zum ersten Mal gezählt werden.