Carsten Frigge, Nachfolger des zurückgetretenen Michael Freytag, leistet Amtseid mit religiöser Beteuerung. Sein Ziel: keine Schulden mehr.

Hamburg. Die Worte "So wahr mir Gott helfe" gelten eigentlich als religiöses Bekenntnis. Glaubt man der Opposition in der Bürgerschaft, hat Carsten Frigge (CDU) sie aber wohl eher gesprochen, um angesichts der "höllischen" Finanzlage tatsächlich überirdischen Beistand zu erbitten. "Herzlichen Glückwunsch zur Wahl", begrüßte Peter Tschentscher (SPD) den neuen Finanzsenator, "und herzliches Beileid zu dem, was Sie in der Finanzbehörde vorfinden." Auch Bürgerschaftspräsident Lutz Mohaupt (parteilos), früher Hauptpastor an St. Jacobi, nahm den geradezu religiösen Faden auf und gab dem CDU-Politiker "Gottes Segen" mit auf den Weg.

Doch der Reihe nach: Nachdem Michael Freytag (CDU), zermürbt von Haushalts- und HSH-Nordbank-Krise, am 17. März als Finanzsenator zurückgetreten war, hatte Bürgermeister Ole von Beust (CDU) seinen langjährigen Weggefährten Frigge vergangene Woche zu dessen Nachfolger ernannt. Am Mittwoch um 16.59 Uhr legte der bisherige Staatsrat in der Wirtschaftsbehörde seinen Eid vor dem Parlament ab - damit war er offiziell im Amt. Etwas kurios: Obwohl 118 Abgeordnete anwesend waren, wurden nur 117 Stimmen abgegeben. 66 gaben Frigge das "Jawort", 51 stimmten gegen ihn. Da CDU (56 Sitze) und GAL (12) mit 67 Abgeordneten vertreten waren, könnte ein Mitglied der schwarz-grünen Koalition die Abstimmung geschwänzt haben - oder es gab sogar ein "Nein" aus der Koalition, dann hätte ein Oppositionspolitiker nicht mitgestimmt.

Viel Zeit, darüber nachzudenken, hatte Frigge nicht. Denn indem die SPD das Thema "Kurswechsel in der Finanzpolitik" zur Debatte angemeldet hatte, brach sie ihr Versprechen, dem neuen Senator eine 100-Tage-Schonfrist einzuräumen, umgehend. "Damit sich die Wahl eines neuen Finanzsenators lohnt, muss sich auch etwas ändern", sagte SPD-Finanzexperte Tschentscher und forderte, Schulden künftig auch Schulden zu nennen und nicht "Rücklagen" oder "Sondervermögen". Dass der Senat 2009/2010 rund 847 Millionen Euro mehr an Krediten aufnehme als es dem Einbruch der Steuereinnahmen entspreche, bezeichnete er als "Betrug am Steuerzahler", der Schwarz-Grün nur dazu diene, vor der Bürgerschaftswahl Anfang 2012 kräftig in die Kassen greifen zu können. Thies Goldberg (CDU) und Jens Kerstan (GAL) wiesen das als "albern" und "Unsinn" zurück. Zwar mache man zunächst mehr Schulden als nötig, später aber dafür weniger. "Wir nehmen nicht einen Cent mehr Kredite auf als Steuereinnahmen wegbrechen", betonte Kerstan.

Goldberg deutete aber vorsichtig eine Wende in der Finanzpolitik oder zumindest in der Wahrnehmung an: Vor der Wirtschaftskrise habe man das selbst gesteckte Ziel, kräftig in den Schuldenabbau einzusteigen, "nicht erreicht", sagte der CDU-Finanzexperte. Das war insofern bemerkenswert, als zu Freytags Zeiten stets auf ausgeglichene Etats verwiesen wurde und die Parole galt, die CDU ist die Partei der Haushaltskonsolidierung. Joachim Bischoff (Linke) fasste es etwas drastischer zusammen: "Hamburg hat schon vor der Wirtschaftskrise eine desaströse Haushaltspolitik gemacht."

Viele Redner griffen die kritischen Worte von Rechnungshof-Präsident Jann Meyer-Abich auf, der im Abendblatt-Interview ein Ende der Schuldenpolitik gefordert und mit Blick auf Projekte ohne konkrete Kostenschätzungen von "finanzpolitischem Blindflug" gesprochen hatte. Um 17.41 Uhr griff dann der neue Finanzsenator erstmals in die Debatte ein. "Sie werden sicher verstehen, dass ich nach 42 Minuten im Amt noch keine Lösungen für finanzpolitische Probleme bieten kann", sagte Frigge, kündigte aber an, er wolle "Projekte auf den Prüfstand stellen und keine neue Schulden machen". Letzteres werde aber so schnell nicht zu erreichen sein. Kritisch äußerte sich der 46-Jährige über die Einführung der neuen Haushaltsführung nach unternehmerischen Regeln ("Doppik"). In Zeiten großer Finanzprobleme gebe es Wichtigeres, sagte Frigge am Rande der Sitzung. Die von der Opposition kritisierten "Sondervermögen", also die Auslagerung von kreditfinanzierten Milliardenprojekten wie Schulbau oder Konjunkturstabilisierung, verteidigte der Finanzsenator. Das sorge doch gerade für Klarheit.

Dass Frigge ankündigte, den Wechsel in die Finanzbehörde zum "innehalten" nutzen zu wollen und die Opposition zur Diskussion über Problemlösungen einlud, kam gut an. Sie habe die Hoffnung, dass der neue Finanzsenator den Abgeordneten weiterhin "auf Augenhöhe" begegne, wie er das als Staatsrat getan habe, sagte Elke Badde (SPD). Und Norbert Hackbusch (Linke) lobte Frigges ersten Auftritt gar: "Das hat mir gut gefallen. Das hebt sich wohltuend von dem ab, was wir von ihrem Vorgänger gewohnt waren."