Für die Partei Die Linke marginalisiert der Senat das Problem der Gentrifizierung und treibt diese Entwicklung sogar voran.

Hamburg. Für die Partei Die Linke ist der Fall klar: Der Senat marginalisiert das Problem der Gentrifizierung und steuert sogar absichtlich eine Politik, die diese Entwicklung, in der viele Bewohner ihre Stadtteile verlassen müssen, weil sie sich immer teurere Mieten nicht mehr leisten können, fördert und vorantreibt.

Tatsächlich sind die Mieten in Hamburg im vergangenen Jahrzehnt gestiegen - von 5,70 Euro pro Quadratmeter auf 6,53 Euro pro Quadratmeter. Das geht aus der Antwort des Senats auf eine Große Anfrage der Fraktion der Linken hervor. Die Zahlen beziehen sich auf alle sieben Bezirke. Im Mittelpunkt des Interesses der Linken, die mit ihrer Anfrage laut eigener Aussage mehr über die städtebaulichen Entwicklungen und das Problem "Gentrifizierung" herausfinden wollten, stehen indes die umkämpften Szene-Stadtteile Eimsbüttel, Neustadt, St. Pauli, St. Georg, Altona-Nord und Sternschanze.

"Die Stadt hat in der Vergangenheit schwere Fehler begangen - das sieht man auch daran, dass besonders im Bezirk Mitte viel mehr Bürobauten als Wohnungen geschaffen werden", sagt Bürgerschaftsmitglied Michael Joho. Und Joachim Bischoff, der stadtentwicklungspolitische Sprecher der Bürgerschaftsfraktion, findet es erstaunlich, "wie ignorant sich der Senat gegenüber dem Thema Aufwertung und Verdrängung verhält". Wäre dies nicht so, sagt Bischoff, hätte der Senat längst die Notbremse gezogen, "um sozialen Wohnungsneubau und soziale Erhaltensverordnungen en gros auf den Weg zu bringen".

In der Tat spricht der Senat davon, "keinen kausalen Zusammenhang" zwischen Sanierungsgebieten, Stadtentwicklungsprogrammen, die Gebiete aufwerten, und dem damit einhergehenden Wegzug von Bewohnern zu sehen. Für die Linksfraktion ist das äußerst rätselhaft: "Soziologische Studien weisen das schon seit vielen Jahren nach."

Die Partei sympathisiert mit den Gruppen und Initiativen, die unter dem Banner "Das Recht auf Stadt" gegen Stadt- und Investorenpläne mobil machen. Deren Vorwürfe in Richtung der Behörden scheinen die Zahlen, die nun auf dem Tisch liegen, zu stützen: So ist seit dem Jahr 2000 ein Rückgang der Sozialwohnungen von 150 172 auf 105 873 Ende 2009 zu verzeichnen. Und auf ehemals städtischen Flächen der Liegenschaften zwischen 2002 und 2008 sind rund 508 300 Quadratmeter Bruttogeschäftsflächen für Gewerbe entstanden, aber nur 173 800 Quadratmeter für Wohnungen. "Viel zu wenig", sagt Bischoff. Sehr zu kritisieren sei auch die Vergabe von Grundstücken vornehmlich an Investoren und private Eigentümer - "sie werden eindeutig bevorzugt". So sei allein in diesem Jahr die Zahl der im Höchstgebotsverfahren veräußerten Grundstücke auf 15 gestiegen. Bischoff: "Bei sinkendem Wohnungsneubau ist die Bevölkerung Hamburgs im Zeitraum von 1999 bis 2008 um rund 70 000 Einwohner gewachsen."

Für die Linke alarmierende Zahlen. Michael Joho erwartet, dass in den kommenden Jahren "weitere Zehntausende von Hamburgern weggentrifiziert werden und ihre angestammten Stadtteile verlassen müssen". Der Senat betreibe eine aktive Politik der Verdrängung, "das muss aufhören".