Seit dem ersten Weltkrieg sind Steckrüben unbeliebt. Dabei liefert die leckere Kreuzung aus Kohlrabi und Speiserübe viele Kohlenhydrate.

Buchholz. "Die Steckrübe ist ein unterschätztes Regionalgemüse", sagt Heiner Harwege. Der 60-Jährige baut auf drei bis vier Quadratkilometern Steckrüben an. Schuld an der Unbeliebtheit des Gemüses ist wohl der sogenannte "Steckrübenwinter" 1916/17. Eine schlechte Kartoffelernte führte dazu, dass die Bevölkerung die Rüben zu allen drei Mahlzeiten essen musste. Sogar Kaffee und Marmelade sollen zu dieser Zeit aus dem Verwandten des Raps hergestellt worden sein. Auch der neue Name "Ostpreußische Ananas" konnte die Abscheu der Bevölkerung vor dem Kohlenhydrate-Lieferant nicht lindern. Bio-Bauer Heiner Harwege weiß warum: "Die Leute damals haben bitteres Viehfutter gegessen. Die heutigen Steckrüben sind ganz andere Sorten und schmecken besser." Früher habe man Steckrüben mit weißem Fleisch gegessen, die heute an Kühe verfüttert werden.

Heiner Harweges Steckrüben haben gelbes Fleisch. Die gelbe Farbe entsteht durch den natürlichen Farbstoff Beta-Karotin. Der wird im Körper zu Vitamin A umgewandelt. Das ist für Wachstum, Funktion und Aufbau von Haut, Schleimhäuten und Blutkörperchen sowie den Sehvorgang zuständig. Die dicke raue Schale der Tennisball- bis Handball-großen Kreuzblüter ist jeweils zur Hälfte violett und gelb gefärbt. Die Form der Rüben variiert zwischen rund, oval und spitz zulaufend.

Es wird vermutet, dass Steckrüben eine Mischung aus Kohlrabi und Rüben sind. Auch Wruke, Butterrübe, Kohlrübe oder Ramanke genannt, kam die Rübe im 17. Jahrhundert aus Skandinavien nach Deutschland.

Gesät werden die Steckrüben-Pflanzen bereits zwischen April und Mai. Bereits nach sieben Tagen erscheinen die ersten Triebe. Doch erst im Juli werden sie aufs Feld gepflanzt. "Steckrüben sind ein klassisches Nachprodukt", sagt Heiner Harwege. Nach der Ernte der Frühkartoffeln kämen die Steckrüben aufs Feld. Dort machen sie nicht sehr viel Arbeit. "Auf leichten Böden sind die Steckrüben sehr anspruchslos", sagt Heiner Harwege. Nur bei Trockenheit müssten sie manchmal beregnet werden.

Mit Schädlingen hat der Bio-Landwirt aus Boitze keine Probleme, nur die Hasen bedrohen seine Steckrüben. "Der Feldhase ist ein Feinschmecker. Er isst gern die jungen Blätter", sagt Heiner Harwege. Doch gerade frisch gesetzte Steckrübenpflanzen würden das nicht verkraften. Darum hat der Landwirt Maßnahmen ergriffen. "Morgens und abends gibt es Hundestreifen, doch der Hase kommt trotzdem; mittags und nachts", so Harwege. Auch Zäune um die Felder würden für Meister Lampe kein Hindernis darstellen. "Die Hasen springen darüber hinweg oder nutzen die Einfahrten für Trecker", sagt der 60-Jährige. Seit 30 Jahren baut Heiner Harwege Gemüse bio-dynamisch im Verband "demeter" an. Bereits seit 1650 ist seine Familie in der Landwirtschaft tätig.

Haben die Rübenpflanzen den Hasen überlebt, wachsen sie 100 bis 150 Tage und bilden die Steckrübe. Von den Speiserüben kann man Kohlrübenpflanzen an den Blättern unterscheiden. Während die bei den Speiserüben hell- bis dunkelgrün sind, ist das Blattwerk der Steckrübe blaugrün. Spätestens im November wird das Feld "geräumt", die Steckrüben geerntet. Von Hand, denn die Rüben sind ein Nischenprodukt, für das es keine Erntemaschinen gibt. "Die Steckrüben sind dann nicht reif, sondern haben die richtige Größe", sagt Heiner Harwege, "die Kunden haben sich an kleine Portionen gewöhnt und möchten keine massigen Steckrüben mehr kaufen." Ließe man die Rüben wachsen, könnten sie bis zu zwei Kilogramm schwer werden. "Außerdem ist die gewünschte Größe davon abhängig, wie groß der Haushalt ist", sagt Harwege. Ob klein oder groß, der Geschmack sei gleich. Wann die Pflanze die richtige Größe hat, kann der Bauer leicht erkennen, denn ein Großteil des rasch wachsenden Gemüses liegt immer über dem Boden. Theoretisch könnte man die Rüben jedoch auch noch im Dezember ernten. "Leichte Nachtfröste machen der Steckrübe nichts aus", sagt der Landwirtschaftsmeister.

Geputzt und gewaschen verkaufen die Mitarbeiter des Hofs Harwege die Rüben dann bis in den April hinein auf den Wochenmärkten in Buchholz und Lüneburg. Etwa 20 bis 30 Kilogramm verkauft Heiner Harwege in einer Woche. Der Preis von 2,60 Euro pro Kilogramm für das Wintergemüse bleibt während der Saison relativ stabil. Beim Kauf ist auf die Schale zu achten. Risse deuten auf Holzigkeit hin, Löcher auf Wurmbefall. "Frische Steckrüben erkennt man an der Festigkeit. Dann ist das Gewebe mit Wasser gefüllt", sagt Heiner Harwege. 84 Prozent Wasser enthält die Kohlrübe, verliert sie einen Teil davon, wird sie schrumpelig oder gummiartig.

Durch den hohen Wasseranteil sind Steckrüben ein schlankes Gemüse: 100 Gramm haben 35 Kalorien. Den herbsüßen Geschmack und die vielen Kohlehydrate liefert der enthaltene Traubenzucker. Außerdem bietet die Rübe Kalzium, Niacin und Senföle. Der Mineralstoff Kalzium ist wichtig für Knochen und Zähne, das Vitamin Niacin ist am Stoffwechsel beteiligt und kann freie Radikale binden, die für den Alterungsprozess verantwortlich sind. Senföle können Entzündungen im Magen und Darm hemmen.

Um die Steckrüben lange genießen zu können, rät Landwirt Heiner Harwege sie kühl zu lagern. "Optimal sind 0 bis 4 Grad und eine hohe Luftfeuchtigkeit", sagt er. Vom Lagern im Kühlschrank rät Harwege ab, da dem Gemüse so Wasser entzogen werde. Nur bis zu zehn Tage blieben die Rüben dort frisch. Im Keller oder, solange es noch keine Nachtfröste gibt, auf dem Balkon, seien die Rüben besser aufgehoben. Dort könne man sie bis ins Frühjahr lagern. Außer sie werden doch in einer besonders kalten Nacht vergessen. "Wenn die Rüben Frost abbekommen, sollte man sie auftauen lassen und sofort verarbeiten", sagt er.

Steckrüben können roh oder gekocht gegessen werden. Geraspelt kommen sie in den Salat, üblicher ist es jedoch, sie warm zu essen. Dazu werden die Rüben unter fließendem Wasser gewaschen, dick geschält und je nach Bedarf in ein Zentimeter dicke Würfel oder Stifte geschnitten. Dann können die Rüben je nach Gericht gekocht, geschmort oder gedünstet werden.