Eine Koalition im Kreistag Harburg wie 1996 aus SPD, Grünen, FDP und WG scheint nach der Kommunalwahl am Sonntag nicht unmöglich.

Winsen. Der Schrecken der Landtagswahl in Mecklenburg-Vorpommern am letzten Sonntag sitzt auch den Christdemokraten und Liberalen im Landkreis Harburg in den Knochen. Die CDU fuhr ihr schlechtestes Ergebnis ein. Die Liberalen schafften es gar nicht in den Landtag. Grüne und SPD machten Zugewinne. Öffentlich mag man die Angst vor einem ähnlichen Fiasko im Landkreis Harburg im konservativen Lager nur ungern zugeben. "Jeder, der Wahlkampf macht, hat am Ende Zweifel, dass die Arbeit gereicht hat, den Wähler zu überzeugen", sagt CDU-Kreistagsmitglied Norbert Böhlke. Andererseits bezweifle er, dass das Ergebnis der Landtagswahl auf eine Kommunalwahl im Landkreis Harburg übertragbar sei. Dennoch, so Insider, "haben die Herren der CDU ganz schön Muffensausen" vor einem schlechten Wahlergebnis am kommenden Sonntag bei der Kreiswahl.

Bei der FDP, derzeitiger Gruppenpartner der CDU im Kreistag, geht man offener mit der Angst vor einem möglichen Wahldebakel am Sonntag um. Das Lieblingswort von FDP-Kreisvorsitzenden Wolfgang Knobel scheint derzeit "FDP-Bushing", zu sein, das, so der FDP-Chef, im Moment "ganz groß in Mode" sei. Knobel: "Mal sehen, wie groß die Watsche wird am Sonntag." Die Liberalen vor Ort leiden derzeit unter dem schlechten Ansehen der Bundes-FDP und den innerparteilichen Querelen.

In der jetzt ablaufenden Wahlperiode haben CDU (27 Sitze) und FDP (6 Sitze) zusammen eine komfortable Mehrheit. SPD (18 Sitze), Grüne (6 Sitze), ein Abgeordneter der Partei die Linke, Dieter Rednak, und Oliver Berten (Freie Winsener) teilen sich die Oppositionsbank. Mit drei Abgeordneten tendierte die Wählergemeinschaft (WG) in ihrem Abstimmungsverhalten in den vergangenen Jahren eher zur Mehrheitsgruppe. Setzt sich der derzeitige allgemeine Abwärtstrend von CDU und FDP auch bei der Kommunalwahl im Landkreis Harburg fort, könnte der Kreistag auf eine Neuauflage der "Smarties", ein Bündnis aus SPD, Grünen, FDP und WG, zusteuern. Für die CDU wären die Zeiten der Mehrheiten vorbei, und das in einem Landkreis, der traditionell zu den CDU-Hochburgen in Niedersachsen zählt.

Es gäbe mehrere denkbare Konstellationen für den Kreistag nach der Wahl. Verlieren CDU und FDP Mandate im Kreistag, könnten sie versuchen, die Wählergemeinschaft ins Boot zu holen. WG-Chef Harald Stemmler, nach eigenen Angaben ein großer Freund von wechselnden Mehrheiten: "Wir sind nach allen Seiten hin gesprächsbereit." Auch eine Zusammenarbeit mit Grünen und SPD wolle er in keinem Fall ausschließen. "Wenn es aber zu einer neuen Smartie-Gruppe kommen sollte, dann nur mit einer komfortablen Mehrheit", so Stemmler. Der Handeloher spricht aus Erfahrung. Stemmler, damals noch Mitglied der Grünen-Fraktion, hat den frühzeitigen Bruch der Smarties im Jahr 1999 nach nur drei Jahren erlebt. Die Smarties verfügten lediglich über eine Stimme Mehrheit, und das führte innerhalb der einzelnen Fraktionen zu heftigen Streits.

Zur Erinnerung: 1996 bildeten CDU und FDP eine Gruppe und verfügten über die Mehrheit im Kreistag. Dann kam die Tipp-Ex-Affäre. Der Eingangsstempel eines nicht mehr fristgerecht eingereichten Antrages der CDU wurde im Kreishaus vordatiert. Manfred Karthoff, damals Fraktionschef der FDP, verließ mit seiner Fraktion aus Wut über diese Manipulation die Mehrheitsgruppe und wechselte zur Opposition. Die "Smarties" waren geboren. Die CDU saß auf der Oppositionsbank.1999 kam es zum Bruch. Gewinner war wieder die CDU.

Klar im Aufwärtstrend liegen derzeit die Grünen. Fraktionschefin Ruth Alpers sieht zwei mögliche Optionen für den neuen Kreistag, um die CDU aus der Regierungsbank zu drängen. Alpers: "Smarties mit einer komfortablen Mehrheit, aber auch eine Gruppe mit der SPD wären denkbar." Allerdings würden sich die Grünen einen Gruppenpartner "mit etwas mehr Biss" wünschen, so Alpers. In jedem Fall sei es endlich mal an der Zeit, dass die CDU ihre Mehrheit abgebe. Auch Angelika Tumuschat-Bruhn, stellvertretende SPD-Fraktionschefin im Kreistag, hat die "Smarties" miterlebt. "Ich könnte mir vorstellen, in einem bunten Bündnis mitzuarbeiten. Aber nur mit einer komfortablen Mehrheit, und die Chemie zwischen den Akteuren muss stimmen", sagt sie. Im Gegensatz zu den früheren "Smarties", "als sich lauter Alpha-Tiere aneinander gerieben haben", so die SPD-Politikern, gebe es jetzt mit Jens-Rainer Ahrens, Fraktionschef der SPD, eine "Integrationsfigur", der zuzutrauen sei, ein solches Bündnis zusammenzuhalten. Und dann, so Tumuschat-Bruhn, komme es auch auf die "inhaltlichen Schnittmengen" an.

In SPD-internen Kreisen scheint aber noch eine andere mögliche Konstellation diskutiert zu werden: eine große Koalition von SPD und CDU. Dementieren mag Tumuschat-Bruhn das nicht. Sie hält es aber für wenig aussichtsreich, dass sich beide Parteien beim Thema Gesamtschule einigen könnten. "Das wäre die Nagelprobe einer großen Koalition", sagt sie.