Vier Kandidaten stellen sich am kommenden Sonntag in Winsen zur Wahl. Wir stellen Ihnen die Kandidaten mit ihren Programmen und Zielen vor.

Tobias Müller kandidiert für die Wählergemeinschaft Winsener Liste

Bei der Arbeit im Garten könne er gut entspannen, sagt Tobias Müller und steckt einer Sonnenblume einen stützenden Stab zur Seite. "Es ist fantastisch zu verfolgen, was sich aus den Pflanzen entwickelt." Die Handwerker, die seit Monaten sein Haus renovieren, machen gerade Feierabend, im Hintergrund rauscht die Luhe. Ein Paddelboot liegt umgedreht auf dem Rasen, seit der Jungfernfahrt auf der Luhe im März - "das war wohl etwas optimistisch" - hat er es noch nicht oft von der Plane befreit. Denn der Bürgermeisterkandidat der Wählergemeinschaft Winsener Liste hat zurzeit eine 60-Stunden-Woche. Der Garten ist sein Rückzugsort. Tritt er aus ihm heraus, landet Müller schnell in einer der drei Baustellen, die seinen Alltag momentan bestimmen: sein eingerüstetes Haus, sein Job als Regionalleiter bei der Deutschen Bank und natürlich der Wahlkampf, der ihn auf den Chefsessel in Rathaus führen soll.

"Ich mag neue Herausforderungen und Auseinandersetzungen mit Menschen, die anderer Meinung als ich sind. Das kann man aber nur mit einer tollen Familie im Rücken schaffen", sagt Müller und meint damit seine Frau, die ihm die Hauptlast bei der Renovierung abnimmt, und seine beiden kleinen Töchter, die es "klasse" fänden, dass ihr Vater Bürgermeister werden will. Nebenbei engagiert er sich für karikative Projekte, sprang bei der Stiftung St. Marien ein und wird demnächst im Projekt "Kirche mit Zukunft" mitarbeiten.

Mit seiner Familie nimmt Müller zudem seit Jahren am Winsener Entenrennen teil. Eine der gelben Plastikenten, die für einen guten Zweck verkauft werden und auf der Luhe gegeneinander antreten, sitzt auf dem Gartentisch. "Sie verbindet mich nicht nur mit meinen Kindern, sondern auch mit der Luhe." Sie fließt gleich neben dem Haus, in dem er seit acht Jahren wohnt. Vorher hat der gebürtige Winsener in Frankfurt, London und Hamburg gearbeitet.

So wie Müller die Blumen in seinem Garten beim Wachsen unterstützt, will er in Zukunft auch die Mitarbeiter im Rathaus führen. "Wir haben dort sehr gute Leute, diese Kompetenz kann ich nutzen." Eine Verwaltungsausbildung sei dafür nicht nötig, wichtiger sei es, auf Menschen zuzugehen, sie zu motivieren und "mitzunehmen". Für die Winsener will er eine offene Sprechstunde beim Bürgermeister einrichten um von ihren Anliegen möglichst ungefiltert zu erfahren. Tobias Müller will Mitarbeiter und Bürger immer wieder aufs Neue mit guten Argumenten überzeugen. Das allerdings hat er bei seinen Pflanzen noch nicht ausprobiert.

Oliver Berten tritt für die Freien Winsener an

Der Wahlkampf sei für ihn keine Belastung, sagt Oliver Berten bei einem Spaziergang mit seinem Collie-Mischling Bruno durch die Winsener Osterwiesen. Zwar habe er momentan einen Zwölf-Stunden-Arbeitstag. "Aber zum Wahlkampf gehören ja nicht nur Plakate, Hausbesuche und Veranstaltungen, sondern auch gute Texte. Und Schreiben ist ja mein Beruf."

1983 fing der gebürtige Kölner als Lokalredakteur in Winsen an. "Das ist meine erste große Verbindung mit der Stadt", sagt er. Nach drei Jahren und zahlreichen Abenden in Ausschusssitzungen wollte er selbst mitmischen. "Ich wollte es besser machen." 1986 zog er in den Rat ein, damals noch für die SPD. Mittlerweile ist Berten Fraktionsvorsitzender der Freien Winsener, der von ihm mitgegründeten Wählergemeinschaft. Nachdem er bereits 2004 versucht hatte, Bürgermeister in Winsen zu werden, wagt er einen zweiten Anlauf. "Ich gebe nie auf. Ich weiß einfach, dass das Amt mir liegt und dem entspricht, was ich kann." Für seine Familie - der 58-Jährige ist verheiratet, hat zwei erwachsene Kinder - sei sein politisches Engagement anstrengend.

Man sage ihm nach, ein "Mittelstück" zu sein, sagt Berten. "Ich bringe Menschen zusammen." Dieses Talent wolle er auch als Bürgermeister nutzen, um die Verwaltungsmitarbeiter zu führen. "Als guter Chef delegiert man viel und macht sich so irgendwann überflüssig. Deshalb läuft das in Dortmund auch so gut ohne mich." Als Leiter der Dortmund-Agentur, dem früheren Presseamt der Stadt, habe er die nötige Führungserfahrung. Dort war er allerdings seit September 2010 wegen Depressionen krankgeschrieben, seine zeitgleiche Kandidatur in Winsen hatte für Irritation gesorgt.

"Ich bin wieder gesund und munter", sagt Berten. Nach drei Wochen, in denen er von zu Hause aus gearbeitet habe, habe er seinen Jahresurlaub angetreten. Bis zur Wahl will er sich ganz auf sein Ziel konzentrieren. Und wenn es nichts wird mit dem Bürgermeisterposten? Berten zögert kurz, bevor er mit seinem Plan B rausrückt. "Dann wage ich einen beruflichen Neuanfang", sagt er schließlich.

Pünktlich zur Wahl erschien sein autobiografisches Buch "Freiheit, Mut, Verantwortung". Für Oliver Berten ist es eine Rückkehr zu seinen Anfängen in Winsen und ein Blick in die Zukunft zugleich. "Damit habe ich mich freigeschrieben."

Dieter Bender ist der Kandidat der SPD

Die rote Krawatte hat Dieter Bender mit Bedacht gewählt. Als Bürgermeisterkandidat der SPD ist die Farbe zwar naheliegend. Doch auch von den Grünen wird er unterstützt. Der Schlips ist Teil seiner Wahlkampfstrategie: Rot signalisiere Führungskompetenz, so Bender. Seit Monaten bereitet er sich auf die Wahl vor, hat ein Vorbereitungsseminar seiner Partei besucht. Auch eine Stil-Beratung gehörte zu der "Bürgermeister-Ausbildung", wie er es scherzhaft nennt. Dem Tipp, sich im Stile des verlässlichen Winston Churchills in englischen Tweed und Fliege zu kleiden, sei er allerdings nicht gefolgt. "Das wäre mir zu warm und von der Fliege hat meine Frau abgeraten." Lieber kommt er in Jackett und dunkelgrüner Cordhose auf den Sportplatz in Pattensen.

Seit seiner Kindheit ist Bender Mitglieder bei der SG Scharmbeck-Pattensen. "Ich wäre auch gern Profi-Fußballer geworden", erzählt der 58-jährige Winsener. Heute kommt er als Zuschauer, auf dem Tennisplatz trifft er sich regelmäßig mit Vereinskollegen. "Gewinnen wollen, verlieren können", sei sein Motto, sagt Bender, stellt aber auch gleich klar: "Ich trete nicht bei der Wahl an, um Zweiter zu werden."

An etwa 2500 Haustüren hat er bereits geklingelt, um sich vorzustellen. "Ich bin nur drei Mal rausgeworfen worden, die meisten freuen sich, sobald sie wissen, wer ich bin." Nach einem möglichen Wahlsieg will er seine Erfahrung aus drei Berufen nutzen. Als promovierter Physiker stiegt er zunächst in die Forschung ein, vor der er noch immer großen Respekt hat. "Man weiß, dass man nichts weiß." Später wechselte er in eine Unternehmensberatung, beriet unter anderem Flugsicherungsfirmen. "Aber irgendwann hatte ich die Nase voll von den immer gleichen Hotelzimmern." Es zog ihn zurück in seine Geburtsstadt, wo er Realschullehrer wurde. "Der Anfang war hart", erinnert er sich. Aber der Beruf habe immer Vorrang. "Auch jetzt im Wahlkampf haben die Schüler ein Recht darauf, dass ihr Lehrer optimal vorbereitet ist."

Ganz fest habe er sich vorgenommen, als Bürgermeister möglichst oft mit dem Rad zur Arbeit zu fahren. "In meinem Alter muss man ja was tun", sagt Bender, der vor kurzem mit seiner Frau von Passau nach Wien geradelt ist. Schafft er es nicht ins Rathaus, will er weiter als Lehrer arbeiten. Dass er nicht in Winsen unterrichtet, sei hilfreich. "Man braucht den Abstand zwischen dem Lehrerberuf und der ehrenamtlichen Tätigkeit als Politiker." Im Wahlkampf ist diese Grenze schon ein wenig verwischt - unter seinen 650 Facebook-Freunden sind auch viele seiner Schüler. Er wolle ein Bürgermeister für alle sein, sagt Dieter Bender. "Glaubwürdigkeit, Ehrlichkeit und Fähigkeiten - darauf kommt es an."

André Wiese will für die CDU ins Rathaus

Immer wieder vibriert das kleine dunkelgraue Handy auf der Tischplatte. André Wiese registriert die Anrufe, nimmt jedoch nicht ab. "Ich konzentriere mich lieber auf eine Sache richtig. Deshalb bin nicht jederzeit erreichbar, rufe aber immer zurück." Es ist Wahlkampf und der CDU-Landtagsabgeordnete will, auch mit Unterstützung der FDP, Bürgermeister von Winsen werden. Sein Tag beginnt um 7 Uhr mit einer Runde mit Golden Retriever Jasper, dann arbeitet er am Computer, ab 9 Uhr klingelt das Telefon. Außerdem macht er Hausbesuche. "Ich finde, es ist eine gute Grundregel, sich persönlich vorzustellen." Die Gespräche machten ihm Spaß, sagt der 36-Jährige. Früher sei er nicht so kommunikativ gewesen.

Seit mehr als 20 Jahren wohnt Wiese im östlichen Winsen, hier leben seine Eltern und Schwiegereltern und hier steht in einem Neubaugebiet das Haus, in dem die fünfköpfige Familie wohnt. "Meine gewachsene Umgebung", nennt er das Viertel. Zog er 1996 noch mit dem Motto "Eine Chance für die Jugend" in den Stadtrat ein, will er sich jetzt vor allem um die Familien kümmern.

Seine Familie unterstütze ihn bei der Kandidatur, sagt er. "Den häuslichen Segen habe ich, sonst hätte ich das nicht gemacht." Dennoch müssten seine Frau und Kinder zurzeit zurückstecken, auch zum Lesen - am liebsten Kriminalromane - komme er nicht. Umso schöner sei es, wenn er doch mal mit seinem neunjährigen Sohn über Fußball philosophieren kann. Braucht er mal Ruhe, fährt er mit dem Fahrrad ins Grüne.

Das Angebot, parlamentarischer Geschäftsführer seiner Landtagsfraktion zu werden, lehnte er im vergangenen Jahr ab. Es hätte mehr Hannover und weniger Familie bedeutet. Lieber will er nun in Winsen, seinem "Heimathafen", Verwaltungschef werden - und dabei Politiker bleiben. "Man muss als Bürgermeister den Anspruch haben, Ideen für Winsen voranzubringen." Einen Plan B habe er nicht, sagt Wiese. Als ehemaliger Mitarbeiter der Kreisverwaltung habe er aber einen Rückkehranspruch - der mit der Annahme des Bürgermeisteramts verfalle. Das sei ein gewisses Risiko, räumt Wiese, der sich eine "grundkonservative Haltung" zuschreibt, ein. "Aber das Amt ist eine Herzensangelegenheit. Dafür bin ich bereit, hart zu arbeiten."

Auf dem Tisch summt es, er tippt auf eine Taste. "Das Schöne am Handy ist ja, dass man es auch mal ausschalten kann." Neulich habe er sich von einem Landtagskollegen zeigen lassen, wie das mit den Smileys gehe, sagt André Wiese. Doppelpunkt und Anfangs- oder Endklammer - eine der Tastenkombinationen wird er wohl am Wahlabend tippen.