Anke de Vries, Jürgen Havlik oder Timo Gorf nennen sich Aktivisten in Sachen Kultur, denn ihre Mission heißt Räume für die Kultur.

Harburg. Plötzlich wird einem mitten in Harburg ein Wunschzettel hingehalten. Man ist in der Fußgängerzone unterwegs und dann stehen da plötzlich diese Menschen in den weißen Maleranzügen. Strecken einem Filzer und Papier entgegen. Wenn sie sich umdrehen, steht da plötzlich "Kultur für alle" auf ihrem Rücken.

Diese Menschen sind die Künstlerin Anke de Vries, Jürgen Havlik vom Stadtteilkulturzentrum "Alles wird schön", oder Timo Gorf, ehemaliger Betreiber des Café Leben. Sie nennen sich Aktivisten in Sachen Kultur, denn ihre Mission heißt Räume für die Kultur. Und einen Raum haben sie gerade ganz besonders im Auge.

Vergangenes Wochenende zogen die unverdrossenen Kulturfreunde mit einer Hand voll Gleichgesinnten los, um Passanten nach ihren Wünschen für Harburg und die Kultur zu fragen, diese aufschreiben zu lassen und dabei auf ein leer stehendes Haus aufmerksam machen. Es gehört der Stadt Hamburg und in ihm könnten sie sich wunderbar ein Kunst- und Kulturprogramm in Harburg vorstellen. Es ist ein Haus mit Geschichte. Im ehemaligen Küchgarten, heute Hans-Fitze-Straße, steht das Haus des jahrzehntelangen Intendanten des Harburger und des Altonaer Theaters Hans Fitze.

200 Quadratmeter Wohnfläche und ein schöner wild verwachsener Garten stehen leer. Jürgen Havlik sieht - wenn er die Augen schließt - imaginär schon einen lauschigen Biergarten vor Augen, drinnen könnten ein Mischprogramm und neue Kulturformate stattfinden. Denn Harburgs Kultur braucht Platz.

In Havliks Kultursatelliten "Alles wird schön" platzen die Räumlichkeiten derzeit aus allen Nähten, wenn das Publikum zahlreich zu Veranstaltungen wie Open Mic anreist. "Es ist blöd, Formate zu entwickeln und diese dann aus Platzmangel wieder rausschmeißen zu müssen", sagt er. "Wir suchen nach neuen Entwicklungschancen." Also gingen Gorf und Havlik auf eine weitere Gruppe zu, mit denen sie an einem Strang ziehen wollen. Auch die Studierenden der TUHH, vertreten durch den Asta, wollen im Stadtteil kulturell sichtbar werden. Von der Installation kulturellen Lebens ganz zu schweigen. Denn jüngst ergab eine Befragung unter den Studierenden, dass knapp 70 Prozent das kulturelle Angebot im Stadtteil als "schlecht" bis "sehr schlecht" einschätzen. Weiterhin wurden wenig niveauvolle Angebote und mangelnde Freizeitmöglichkeiten beklagt. Aus diesen Gründen wird Harburg meist als studentisches Wohnumfeld verschmäht und Zimmer in pulsierenden Stadtteilen wie Wilhelmsburg gesucht.

So könnten zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen werden. In Kooperation mit den Studenten soll in das blass gelb gestrichene Haus von Fitze wieder kulturelles Leben einziehen, eine Galerie könnte neben einer Gastronomie entstehen, überlegt ein internes Papier, und die Studenten darüber hinaus Räume für AGs finden. In der Nähe steht zudem die leer stehende ehemalige Priess-Druckerei, der ideale Platz für Konzerte. "So ein Zusammen wäre ideal", umreißt Jürgen Havlik die gesamte Vision. Doch erst mal steht das Haus in der Hans-Fitze-Str. 33 im Visier, das je nach Mietpreis und Sponsoren vielleicht bereits im nächsten Jahr junge Kultur in Harburg leben könnte. Das Kooperationsbündnis aus Studierenden und Kreativen will nun zügig in konkrete Verhandlungen mit den Vertretern des Bezirksamtes treten und die verschiedenen Mietpreisvorstellungen ausloten. Die Aktion in der Fußgängerzone hatte aber noch eine weitere Stoßrichtung. Und zwar gegen die Kommerzialisierung von Kultur. Die fand mitten im bunten Treiben des 2. Harburger Kunst- und Kultursommers statt.

Die Kritik aus Sicht von Timo Gorf: "Leider geht der BID Lüneburger Straße ohne wesentliche Beteiligung der Kulturszene aus Harburg eigene Wege." Jürgen Havlik von "Alles wird schön" warnt davor, Kunst zu instrumentalisieren, und zwar als "Marketingstrategie gegen die Verödung der Innenstadt." Dabei würden sie schon gerne zusammenarbeiten. Allerdings auf Augenhöhe und unter Einbeziehung des Know-how aus der Stadtteilkultur.

Und die Immobilie? Da will man jetzt konkret in Verhandlungen eintreten. Und Havlik meint selbstbewusst: "Wir wollen die Räume."

Und bis wann? "Das nächste Jahr ist nicht unrealistisch", sagt Jürgen Havlik. Auf den Transparenten standen übrigens auch weitere schicke Wünsche: neben Räumen für die Kultur auch "mehr Gehalt", "Grundgehalt" und "Sauberkeit". Mal sehen, ob der Wunschzettel bis Weihnachten erhört wird.