Bei der “Kunstmeile“ des 2. Harburger Kunst- und Kultursommers kann Harburg sich ein völlig neues Stadtbild schaffen.

Harburg. Wir müssen ein bisschen ausholen: Und zwar zum Sprung über die Elbe. Dieser wurde von der IBA einst zum griffigen und pfiffigen Leitspruch gekürt, um randständige und vernachlässigte Flecken auf der Landkarte enger an Hamburg heran zu rücken: Mittlerweile sind Wilhelmsburg und Rothenburgsort, die vom Sprung profitierten, in aller Munde und punkten mit Industrieromantik und dem Charme ihrer Industriebrachen.

Und zwar besonders, wenn es darum geht, kreative und produktive Freiräume für Künstler in der Stadt auszuloten. Blickt man eine Elbbrücke weiter gen Süden - nach Harburg, so scheint der "Kreativraum" Stadt immer noch im Dornröschenschlaf. Wie ein Stiefkind hinkt Harburg hinterher und tut sich schwer, mit der regionalen Kulturszene, die große Highlights hat und kleinere, doch sehr umtriebige Akteure der Stadtteilkultur, an die Entwicklung anzuknüpfen.

Doch das könnte sich ändern: der zweite Harburger Kunst- und Kultursommer steht für August (6. bis 13. August) in den Startlöchern und mit ihm einige hoch-innovative Konzepte, um Kunst in den öffentlichen Raum zu bringen und Kreativ-Akteure gemeinsam zu präsentieren. Allen voran die sogenannte "Kunstmeile", die bereits im vergangenen Jahr mit temporären Installationen an ungewöhnlichen Orten im Stadtraum für Durchblicke und künstlerische Neusichten, ein wenig Stadtbildkosmetik sorgte.

Dieses Jahr hat Kunstmeilen-Kuratorin Mesaoo Wrede vom Frauenkulturhaus Harburg die Meile unter das Motto "NutzNetzWerke: Urban Art Installation" gestellt. Unter diesem Netzwerk darf man sich nicht nur das Netzwerk an beteiligten Künstlern vorstellen, von denen einige schon im vergangenen Jahr antraten, sondern auch das Netz als gestricktes Material, das plötzlich seinen "Nutzen" für den Stadtteil entfaltet.

Dieses Jahr wird gestrickte Energie nämlich auch in den öffentlichen Raum vordringen. Das Kunstlabel "Aachen strickt schön", das mit den Künstlern Martin und Angelika Görg sowie Monika Nordhausen nach Harburg reist, will den Stadtraum umspinnen, Akzente setzen und mit der eigentlich urfemininen Strickarbeit so etwas wie subversive Street Art in den öffentlichen Raum bringen. In Aachen hat das bereits vortrefflich geklappt: Die "Strick Guerilla" zog wie Guerilla Gärtner aus, die mit nächtlichen Pflanzaktionen in den Stadtraum eingreifen, um in analoger Do-it-yourself-Manier den Stadtraum mit ihren "gestrickten Graffitis" zu behübschen. Die Stadt und ihre Möbel wie Laternen und Poller wurden eingestrickt: Mal nur als kleines sinnliches Accessoire, mal als richtige Hülle. Warum auch auf träge Stadtplaner warten? Hausfrauenkunst trifft beim sogenannten "Guerilla Knitting", das aus Texas kommt, auf Untergrund und autonome Selbstgestaltungskräfte und entfaltet einen ganzen subversiven Charme, der nicht nur die Stadt sichtbar macht, sondern auch feminine Kräfte bündelt.

Die Aachener Strickspezialisten halten es außerdem mit Beuys Diktum "Jeder ist ein Künstler" und bitten am 6. und 9. August (ab 16 Uhr auf dem Spielplatz am Lüneburger Tor) gleich zu einer öffentlichen Strickaktion, bei der alle Harburger und Gäste am Kleid für Harburg mitstricken dürfen.

Harburgs Haut, das so oft beweinte triste äußere Erscheinungsbild, kann mit dieser Intervention von strickambitionierten Bürgern und aktiven Zeitgenossen selbst gestaltet werden: Eine performative Arbeit, die weit über den ästhetischen Raum hinaus geht und einen Metakommentar zu Bürgerbeteiligung und Teilhabe liefert: Denn jeder hat ein "Recht auf Stadt." Und wer so charmant umgarnt wird wie Harburg als "Grande Dame", der wird mit zart bestrickten Straßenpollern oder umgarnten Laternenpfeilern auf der Straße sicher auch ein Lächeln ernten - denn die Strickinstallationen sind Zeichen von quietschvergnügter Lebenslust: Ab Anfang August wird Harburg zwischen Fußgängerzone und Veritas Kai im Hafen "bestrickend schön".

Neben den Fädenspinnern und Garnfricklern wird bei der Kunstmeile im Stadtbild Arbeiten von 20 zum Teil international ausstellenden Künstlern zu sichten geben - Videos, Installationen und fotografische Arbeiten.

Der Kunst- und Kultursommer, in dessen Rahmen die "Kunstmeile" eingebettet ist, bündelt viele weitere Aktionen, die Impulse geben und die Fußgängerzone zur Bühne machen wollen.

80 kreative Programmpunkte listen BID Lüneburger Straße und die konsalt GmbH, die den Kultursommer auch als Maßnahme zur Aufwertung und Belebung der tristen Fußgängerzone initiieren: Darunter finden sich Führungen durch die Sammlung Falckenberg oder über den Harburger Kunstpfad und Lesungen vom Literaturhaus Hamburg. Zusammen mit der Strickwelle definieren sie den Kreativraum Stadt - auch in Harburg. Vielleicht springt dafür ja jemand über die Elbe.

Eröffnung des 2. Kunst- und Kultursommers (6.-13. August) am 6. August um 11 Uhr im ersten Obergeschoss der Harburg Arcaden; 12 bis 14 Uhr geführter Rundgang über die "Kunstmeile" zu ausgewählten Kunstwerken. Öffentliches Stricken am 6. und 9. August (16 Uhr, Spielplatz Lüneburger Tor). Aktionen in der Fußgängerzone nach Programmflyer.