Die Aktionen in der Lüneburger Straße finden vorerst nur eingeschränktes Interesse

Harburg. "Wo bitte ist hier die Kunst?" Heidrun Grünberg schaut in ihren Flyer, dann die Lüneburger Straße auf und ab. Vor ihr trommelt eine Frau mit Kindern unter einem weißen Zeltdach, schräg hinter ihr dreht ein Kinderkarussell seine Runden, an einigen Laternenmasten baumeln bunte Luftballons. Heidrun Grünberg wohnt in Hausbruch. Am Sonnabend ist sie extra nach Harburg gefahren, um sich das Programm des ersten Kunst- und Kultursommers anzuschauen.

Kunst und Kultur als Motor der Stadtentwicklung zu installieren, zur Belebung und Aufwertung der Einkaufsstraße, das ist eine der Ideen, die hinter dem ersten Kunst- und Kultursommer in Harburg stehen. Im Zuge dessen hat das BID-Lüneburger Straße ein buntes Kunst- und Kulturprogramm auf die Beine gestellt. Noch bis zum Freitag, 20. August, sollen Lesungen, Theater, Performance, Führungen über den Kunstpfad und in die Sammlung Falckenberg, die Veranstaltung Jazz & Krimi im Café Edelmann und viele Aktionen für Kinder den Stadtteil südlich der Elbe in eine große Kulturbühne verwandeln. "Wir wollen die Menschen auf Harburgs Kunstszene aufmerksam machen", so Peter Kowalski vom BID-Lüneburger Straße, "und gleichzeitig durch die Kunst auf Harburg." Zwei Seiten einer Medaille, zu der auch die Aufwertung der Lüneburger Straße gehört.

So weit so gut. Aber wie sah es am Sonnabend in der Einkaufsstraße aus, in der hochpreisige Geschäfte rar und Billigläden um so häufiger vertreten sind? "Unter Kultur stelle ich mir etwas anderes vor", sagt Heidrun Grünberg, während sie sich umschaut. Über die gesamte Straße zogen sich von den Harburg Arcaden bis zur Fußgängerunterführung ein Karussell, Kinderschminken, ein Stand der Volkshochschule, an dem Mitarbeiter über ihr Programm informierten sowie eine Baumkletterstation, an der sich Kinder in schwindelige Höhen vortasten konnten.

Zugegeben: Wer hier Kunst und Kultur erleben wollte, musste schon genau hinsehen. Das sei gewollt. "Wir haben uns ganz bewusst gegen ein großes Massenevent entschieden", so Peter Kowalski, "das Programm wurde über eine ganze Woche verteilt, in der immer wieder an verschiedenen Stellen Harburgs Aktionen geboten werden, um auf den Stadtteil aufmerksam zu machen." Mit einem fünfköpfigen Team war Kowalski am Sonnabend im Einsatz, um die Passanten zu informieren, auf die einzelnen Programmpunkte aufmerksam zu machen. "Die Führung über die Harburger Kunstmeile als eine der Eröffnungsveranstaltungen am Freitag war sehr gut besucht und auch die Führung durch die Sammlung Falckenberg am Sonntag ist ausgebucht", freute sich der BID-Mitarbeiter. Die Teilnehmer reisen dafür aus der gesamten Region an, so Kowalski.

Auch Marion Rohr wollte sich das bunte Treiben auf der Lüneburger Straße am Sonnabend ansehen. Die Rentnerin wohnt in der Nähe des Außenmühlenteichs, hat lange als Filialleiterin in der Lüneburger Straße gearbeitet. Das ist Jahre her. "Was seit dem mit der Lüneburger Straße passiert ist, ist sehr traurig", sagt die Alt-Harburgerin. Tot sei diese Einkaufsstraße. Ob das solche Kunstaktionen ändern können? "Das City-Management sollte lieber versuchen, alle Ladengeschäfte in den Arcaden zu vermieten", so die Meinung Marion Rohrs.

Das sah Jessica Lee aus Hittfeld anders. Während ihr Sohn Felix, 7, den Kletterbaum zu erklimmen versuchte, sah sie sich in den umliegenden Geschäften um. "Gerade für Kinder ist es toll, wenn hier einmal etwas geboten wird. Das erzeugt Aufmerksamkeit. Wir sind deshalb heute hier", so Jessica Lee.

Aufmerksamkeit, die auf Nachfrage bei den Geschäftsleuten in der Lüneburger Straße nicht ankam. Brigitta Schöne, ist eine der wenigen, die es gewagt hat, in dieser Umgebung mit ihrem Weinhandel Destille auf ein höherpreisiges Segment zu setzen. Sie gehört auch zu den drei Geschäftsleuten, die während der Veranstaltungswoche Bilder des Harburger Künstlers Thomas Behrens ausstellen. Ob ihr das mehr Kundschaft einbringe? "Bisher leider nicht", sagt sie. Dabei sind die Bemühungen des City-Managements und des BID unverzichtbar, findet die Geschäftsfrau. Veränderungen kommen nur in kleinen Schritten.

Etwa zehn Schritte von ihrem kleinen Laden im Deichhausweg entfernt drehen Sophia, 3 und Alexander, 2, ihre zweite Runde auf dem Karussell. "Meine Eltern haben von dem Kunst- und Kultursommer erzählt, und ich dachte das sei eine gute Gelegenheit, sie mit den Kindern zu besuchen", sagt Michael Klotz. Vor 15 Jahren ist er aus Harburg weggezogen, mittlerweile wohnt er mit seiner Familie in Jersbek bei Bargteheide. Dass solche kulturellen Aktionen etwas für die Aufwertung des Stadtteils und mehr Attraktivität bringen, daran glaubt der Unternehmer nicht. "Ich ziehe doch nicht nur wegen des schönen Umfelds irgendwo hin, sondern weil es dort gute Arbeitsplätze gibt. Wenn Jobs geschaffen werden, wird der Standort attraktiv für junge Familien", so Michael Klotz. Harburg sei für ihn das beste Beispiel einer verfehlten Stadtentwicklung.

Für eine bessere Stadtentwicklung arbeitet Margit Bonacker, Geschäftsführerin der konsalt GmbH, die Aufgabenträger des BID-Lüneburger Straße ist. Sie weiß, dass vielen Menschen die Veränderung nicht schnell genug geht. "Aber es braucht alles seine Zeit", so der Kultur-Fan. Ihre Prognose: "Wenn wir so weiter machen können wie bisher, dann wird diese Straße in vier bis fünf Jahren ein anderes Gesicht haben." Dann grinst sie und zwinkert. "Aber ich bin auch ein sehr beharrlicher Mensch." Der muss man hier wohl auch sein.