Referendum

Die Olympia-Gegner lagen von Anfang an vorn

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Peter Ulrich Meyer, Sascha Balasko
Die Wahlvorstände Antonia von Dahl und Max Jürgens gehörten zu den rund 3900 freiwilligen Helfern beim Olympia-Referendum

Die Wahlvorstände Antonia von Dahl und Max Jürgens gehörten zu den rund 3900 freiwilligen Helfern beim Olympia-Referendum

Foto: Roland Magunia / HA

Zahl der Briefwähler, die mit Nein stimmten, offenbar besonders hoch. Auswirkungen der Pariser Anschläge nicht überschätzen.

Hamburg.  Auf den ersten Blick offenbart das Ergebnis des Olympia-Referendums in etwa eine Spaltung der Stadt: 48,4 Prozent Ja- und 51,6 Prozent Nein-Stimmen. Die Gegner der Spiele haben 21.170 Stimmen mehr auf ihr Konto buchen können als die Befürworter. Das ist bei 650.106 Wahlberechtigten, die sich am Referendum beteiligt haben, nicht gerade viel.

Beim zweiten Blick ist der Ausgang des Referendums eindeutiger: Fünf Bezirke sind gegen Olympia, nur zwei dafür. Die Ablehnung des Großprojektes ist in Mitte mit 56,4 Prozent und in Altona mit 55,3 Prozent am größten. Nur im bevölkerungsreichsten Bezirk Wandsbek und in Bergedorf hatten die Befürworter die Oberhand und kamen jeweils auf 51,9 Prozent. Einen ersten Hinweis darauf, dass die Gegner eher motiviert waren abzustimmen, bietet die Wahlbeteiligung.

Die höchsten Teilnahmequoten liefern drei Bezirke mit einer Mehrheit gegen Olympia: Eimsbüttel (54,5 Prozent), Nord (54,1) und Altona (51,8). Die Pro-Olympia-Bezirke Wandsbek (51,5 Prozent) und Bergedorf (46,4 Prozent) fallen dagegen bei der Wahlbeteiligung ab. Eine Sonderrolle spielt Mitte, wo nur 41,1 Prozent am Referendum teilnahmen. Allerdings ist die Wahlbeteiligung in Mitte traditionell sehr niedrig.

Wer die Entwicklung der Abstimmung am Sonntagabend mit jedem Auszählergebnis verfolgte, das im Landeswahlamt eintraf, konnte zwei Beo­bachtungen machen. Erstens lagen die Olympia-Gegner von 18.28 Uhr an, als die ersten Ergebnisse aus den Wahllokalen online gestellt wurden, bis zur Verkündung des vorläufigen Endergebnisses kurz vor 22 Uhr immer vorn. Zweitens vergrößerte sich der Abstand zwischen Ja und Nein im Laufe des Abends sogar noch.

Viele Befürworter erkannten zu Beginn den Ernst ihrer Lage noch nicht, als kurz nach Schließung der Wahllokale und nach rund 37.000 ausgezählten Stimmen das Ja-Lager auf 49,7 Prozent und das Nein-Lager auf 50,3 Prozent kam. Das konnte im Laufe einer langen Wahlnacht noch korrigiert werden, mögen viele gedacht haben. Es kam bekanntlich anders: Am Ende waren es 48,4 zu 51,6 Prozent.

Diese Befunde lassen einen Schluss zu: Die Abstimmung in den 200 Wahllokalen, die am Sonntag geöffnet waren, ist knapper ausgefallen als bei den Briefwählern. Grund: Die Ergebnisse aus den Wahllokalen dürften als erste vorgelegen haben, weil nur rund 390 Stimmen pro Lokal ausgezählt werden mussten, während die „Briefauszählungsbezirke“ rund 1500 Stimmzettel auszuwerten hatten. Wenn also die knapperen Werte zwischen Ja und Nein im Wesentlichen auf die Abstimmung am Sonntag zurückzuführen sind, widerlegt das die These, dass die Stimmung gegen Olympia erst zum Schluss gekippt ist. Im Gegenteil: Nach den Terroranschlägen von Paris spricht sogar einiges für eine leichte Trotzreaktion. Motto: jetzt erst recht.

Gestützt wird diese Annahme durch die Briefwahlergebnisse. Knapp 90 Prozent der Wähler haben per Brief abgestimmt. Mehr als zwei Drittel von ihnen füllten ihren Stimmzettel vor den Anschlägen am 13. November aus. Das lässt einen Schluss zu: Die meisten Hamburger haben sich frühzeitig festgelegt, und die überwiegende Meinung war den Spielen gegenüber ablehnend. Also: Eine Mehrheit für die Spiele hat es zu keinem Zeitpunkt gegeben, seit das Referendum Ende Oktober gestartet wurde. Das wirft ein bezeichnendes Licht auf die Meinungsumfragen, die stets ein Ja für Olympia vorausgesagt haben – wie zuletzt das ZDF noch am Sonntagabend mit 56 zu 44 Prozent.

Vor allem in den Szene-Stadtteilen war die Ablehnung besonders groß

Wie klar die Briefwähler festgelegt waren, zeigt ein Beispiel: In allen 60 Altonaer Briefabstimmungs-Auszählstellen lagen die Gegner vorn. In Wandsbek, insgesamt leicht Pro-Olympia, hatten die Gegner in rund einem Viertel der Briefwahllokale die Nase vorn.

Streng genommen sind Rückschlüsse auf das Abstimmungsverhalten unterhalb der Ebene der Bezirke, also bezogen auf Stadtteile, nicht seriös möglich. Der Grund ist einfach: Anders als bei Bürgerschaftswahlen, wo jeder Adresse ein Wahllokal zugeordnet ist, konnten die Wähler beim Referendum frei entscheiden, wo sie ihre Stimme einwerfen. Trotzdem gibt es einige Auffälligkeiten. So ist der Anteil der Nein-Stimmen in den sogenannten Szenevierteln – St. Pauli, St. Georg, Ottensen und Sternschanze – besonders hoch. Im Wahllokal Friedrichstraße (St. Pauli) stimmten 76 Prozent gegen Olympia.

Olympia-kritisch sind auch die Viertel eingestellt, die vom Sprung über die Elbe profitieren sollen, der mit der Bebauung des Kleinen Grasbrooks einen kräftigen Schub bekommen hätte. In der Fährstraße (Wilhelmsburg) zum Beispiel setzten sich die Olympia-Gegner mit 83,1 Prozent durch. Auch auf der Veddel und in Rothenburgsort hatten die Argumente für Olympia wenig Zugkraft. Selbst im etwas entfernteren Moorburg war das Votum mit 82 Prozent Nein-Stimmen eindeutig.

Fazit: Die Entscheidung pro oder contra Olympia fiel früh. Dabei dürfte neben den Skandalen bei Fifa und DFB sowie der Flüchtlingskrise vor allem die ungeklärte Finanzierung der Spiele eine zentrale Rolle gespielt haben. Die aufwändige Pro-Olympia-Kampagne der vergangenen Wochen hat offensichtlich keine Trendwende bewirken können. Und die überraschend hohe Zahl der Nein-Stimmen ist zustande gekommen, obwohl die Olympia-Gegner schwach aufgestellt und untereinander zerstritten waren. Angesichts des letztlich knappen Ausgangs mag die Frage erlaubt sein, ob eine konkrete Finanzzusage des Bundes in den letzten ein, zwei Wochen noch den entscheidenden Dreh in der Stimmung bewirken können hätte. Doch diese Frage zu stellen, ist jetzt müßig.

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