GAL-Spitzenkandidatin Anja Hajduk über Hamburger Schnee-Chaos, Machtkalkül und ihr persönliches Verhältnis zum Duz-Freund Olaf Scholz.

Hamburg. Bürgermeister Christoph Ahlhaus (CDU) hatte sie im Abendblatt-Interview massiv für den Bruch der Koalition angegangen, doch Anja Hajduk (GAL) spart sich die persönliche Retourkutsche. Kritik am ehemaligen Bündnispartner übt sie trotzdem. Die CDU hätte die Warnsignale wahrnehmen müssen.

Hamburger Abendblatt:

Frau Hajduk, Freitagmorgen waren Straßen und Wege in Hamburg gut geräumt. Es gab keine großen Unfälle. Einige scherzen schon: "Die Stadtentwicklungssenatorin ist weg, jetzt klappt es mit dem Schneeräumen."

Anja Hajduk:

Wir haben uns ja in den letzten Monaten auf den Winter vorbereitet. Es freut mich sehr, dass es klappt.

Bürgermeister Ahlhaus lastet Ihnen an, dass im vergangenen Winter aus ideologischen Gründen zu wenig Salz verwendet wurde.

Hajduk:

Das ist Wahlkampf. Beide Seiten haben Fehler gemacht. Sich jetzt Dinge gegenseitig vorzuhalten, ist nicht mein Stil.

Es scheint aber so, dass die Hamburger sich nicht nur beim Schnee, sondern auch mit Schlaglöchern, Baustellen oder fehlenden Wohnungen alleingelassen gefühlt haben. Woran hat es gelegen?

Hajduk:

Man kann ja sehen, wo wir Dinge angepackt haben. Beispiel: Schlaglöcher. Da haben wir richtigerweise die Mittel aufgestockt. Ich habe vorgeschlagen, dafür das Projekt Gemeinschaftsstraßen zurückzustellen. In der Wohnungspolitik setzen wir endlich deutlich mehr auf Geschoss- und sozialen Wohnungsbau. Wohnungspolitik kann man nicht ruckartig umsteuern. Das ist ein Prozess, den man konsequent verfolgen muss, auch unter Verzicht des Höchstpreises beim Flächenverkauf.

An den Klimaschutzauflagen gibt es viel Kritik. Wären sie im Rahmen eines Kompromisses zu Lockerungen bereit?

Hajduk:

Zeitlich ja. Man muss die Wohnungswirtschaft mitnehmen. Die Auflagen müssen schrittweise eingeleitet werden. Aber dann ist es zu bewältigen und nützt auch den Mietern.

Dass Ihre Politik zu Verbesserungen führt, ist offenbar bei vielen Hamburgern nicht angekommen. In der aktuellen Umfrage bekommen sie die Note 3,6. Wie wollen sie aus dem Tief kommen?

Hajduk:

Es geht um Glaubwürdigkeit. Als wir entschieden, aus der Koalition zu gehen, haben wir eine ehrliche Antwort gegeben. Das schafft Vertrauen.

Genschers FDP wurde damals abgestraft, als sie von der SPD-geführten Regierung unter Helmut Schmidt zur CDU unter Helmut Kohl überlief. Das war eiskalte Machtpolitik. Und das, was Sie jetzt machen, ist doch das Gleiche.

Hajduk:

Wenn so eine Entscheidung ansteht, spekuliert man nicht auf Wahlergebnisse. Die kann niemand einschätzen. Uns war wichtig, dass wir eine ehrliche Entscheidung zur Regierungssituation getroffen haben.

Was sind die Themen, mit denen die GAL jetzt punkten will?

Hajduk:

Die Frage nach einer zukünftigen Energieversorgung der Stadt ist auch nach der Moorburg-Entscheidung weiter wichtig. Ein anderes Thema ist die Verkehrspolitik. Da haben wir mit dem Radleihsystem schon einiges angestoßen. Es geht darum, mehr Lebensqualität zu schaffen und auch den Klimaschutz voranzutreiben.

Mit den großen Projekten - Moorburg stoppen, Schulreform - ist es jetzt also vorbei?

Hajduk:

Die Herausforderungen für Hamburg sind so groß, das es da auch immer mal wieder um große Projekte gehen wird. Wir haben gelernt, dass wir in Zukunft stärker auf die Akzeptanz von Veränderungen achten müssen. Die Bürger mischen sich selbstbewusster und kritisch ein. Hier müssen wir Verfahren schaffen, damit dies möglich ist. Das Thema Bürgerbeteiligung ist eine große Lehre für uns Grüne.

Und das soll mit der SPD besser laufen? Bei der Elbvertiefung hat die SPD die gleiche Meinung wie die CDU, auch bei der Hafenpolitik und bei der inneren Sicherheit ist die Haltung der SPD auch nicht gerade liberaler.

Hajduk:

Es ist doch offenkundig, dass es bei den Themen Sozialpolitik und Integration durchaus hohe Übereinstimmungen zwischen SPD und Grünen gibt. Aber natürlich legen wir einen Schwerpunkt auf Umwelt und neue Technologien.

Olaf Scholz hat beim Thema Stadtbahn ja eine ähnliche Sicht wie Christoph Ahlhaus. Wie stellen Sie sich das denn mit der SPD vor?

Hajduk:

Ich habe es so verstanden, dass die Sozialdemokraten eine positive Haltung zur Stadtbahn haben, ihnen aber die Frage der Finanzierung wichtig ist. Dieser Ansicht bin ich aber auch.

Es könnte also dazu kommen, dass Sie sagen, die Stadtbahn ist zu teuer?

Hajduk:

Ich habe immer gesagt, dass wir Gelder des Bundes brauchen.

Das ist doch aber eine merkwürdige politische Situation. Mit der CDU gab es nicht die großen inhaltlichen Knackpunkte, und mit der SPD gibt es kein großes gemeinsames Projekt.

Hajduk:

Ich glaube, dass die Frage des soliden Regierungshandelns eine ganz wichtige ist. Und diese Solidität habe ich bei der CDU zum Schluss vermisst.

Und das machen Sie an dem Rücktritt von Herrn Frigge fest?

Hajduk:

Mit dem Rücktritt von Herrn Frigge haben wir auch reflektiert, wie sich die Zusammenarbeit mit der CDU entwickelt hat. Und diese hat sich deutlich verschlechtert. Deshalb sind wir zu der Entscheidung gekommen, dass es das Ehrlichste ist, diese Regierung jetzt zu beenden.

Christoph Ahlhaus moniert, dass es keinerlei Warnzeichen gegeben habe.

Hajduk:

Ich empfinde das nicht als sehr ergiebig, sich jetzt gegenseitig Vorwürfe zu machen. Wir hatten durchaus eine positive gemeinsame Regierungszeit, doch die Situation hat sich deutlich verschlechtert, und das muss Herr Ahlhaus eigentlich wahrgenommen haben.

Noch einmal: Hat es solche Hinweis und Warnungen gegeben?

Hajduk:

Selbstverständlich hat es in den letzten Wochen Gespräche gegeben, in denen man auf Probleme hingewiesen hat. Dass man den Rücktritt des Finanzsenators dann als Anlass nimmt, ernsthaft über die Regierungssituation nachzudenken, ist für mich eine Selbstverständlichkeit.

Was halten Sie eigentlich von der Absage von Olaf Scholz an ein Bündnis mit der Linkspartei?

Hajduk:

Ich finde es ein bisschen verfrüht, jetzt schon Aussagen über die Konstellationen nach dem Wahltag zu treffen. Ich glaube, dass es eine gute Chance gibt, dass es eine rot-grüne Mehrheit gibt.

Halten Sie denn die Linke in Hamburg für regierungsfähig?

Hajduk:

Die Linke hat durchaus Bürgerschaftsmitglieder, die an der Sache argumentieren.

Ist Schwarz-Grün gestorben?

Hajduk:

Für diese Wahl sehe ich keine Perspektive darin, das schließe ich aus.

Worin unterscheidet sich Olaf Scholz eigentlich von Christoph Ahlhaus?

Hajduk:

Olaf Scholz ist ein sehr sachorientierter Politiker, er hat ja auch eher eine ruhige Art. Letztlich geht es um die besten sachlichen Lösungen, und da kann man mit ihm gut streiten.

Duzen Sie sich?

Hajduk:

Ja.

Wie ist das mit Christoph Ahlhaus?

Hajduk:

Mit Herrn Ahlhaus sieze ich mich. Aber das ist für mich kein Kriterium für gute Zusammenarbeit. Ich arbeite auch sehr gerne mit Leuten zusammen, mit denen ich mich sieze.