Wie sich die Lage bei der GAL zuspitzte und das Ende der Koalition beschlossen wurde

Hamburg. Es muss gegen 22.15 Uhr am Sonnabendabend gewesen sein. So genau kann das keiner mehr sagen, der Tag war lang. Man hatte ihn in Eimsbüttel verbracht, im Orient-Saal des Yo-Ho-Hotels, ein "Ort für weltoffene Menschen jenseits gängiger Klischees", wie das Hotel für sich wirbt. Dort, zu dieser Zeit also, entschied sich die GAL-Spitze, das schwarz-grüne Experiment zu beenden.

Gut 13 Stunden zuvor, um 9 Uhr morgens, hatten sich die Grünen zu ihrer turnusmäßigen Klausurtagung getroffen. Schon öfter hatte diese in Eimsbüttel stattgefunden, das diesjährige Ergebnis ist allerdings wohl das einzige, das jedem im Gedächtnis bleiben wird. Vor Ort waren neben den zwölf Fraktionsmitgliedern um den Vorsitzenden Jens Kerstan und den sieben Mitgliedern des Landesvorstands um Chefin Katharina Fegebank auch die drei GAL-Senatoren sowie die grüne Hamburger Bundestagsabgeordnete Krista Sager. Und obwohl es sich um eine reguläre Sitzung gehandelt hatte, war allen Beteiligten schon vor dem ersten Kaffee klar, dass es an diesem Tag nur das eine Thema geben würde. Man fing da wieder an, wo man am späten Mittwochabend, nach dem Rücktritt von Senator Carsten Frigge, stehen geblieben war.

Der Vormittag verging relativ harmlos, es ging um die Bilanz der letzten Monate, um die Themen, die gelaufen waren, und wie diese in der Öffentlichkeit wahrgenommen wurden. Um die Außenwahrnehmung der Koalition noch ein wenig deutlicher, um nicht zu sagen schmerzhafter zu machen, hatten die Grünen sogar den Hamburg-Korrespondenten einer überregionalen Tageszeitung zu einem Vortrag geladen. Am Nachmittag wurde die Debatte härter und emotionaler - denn einig waren sich die Grünen, auch innerhalb der Fraktion, bis zuletzt nicht.

Fraktionschef Jens Kerstan und Stadtentwicklungssenatorin Anja Hajduk sollen die treibenden Kräfte in Richtung Auflösung gewesen sein, wohingegen Katharina Fegebank und ihr Vize Anjes Tjarks noch mit letzter Kraft für das Bündnis geworben und die Fraktionsmitglieder zum Weitermachen aufgefordert hatten. Eher bedächtig, stets die mit einem Koalitionsbruch verbundenen Risiken betonend, sollen die anderen beiden Senatoren Christa Goetsch und Till Steffen auf die Diskussion eingewirkt haben. Es nützte nichts, als die Fraktion mit ihrem Ausstiegsvotum - keine Gegenstimme, eine Enthaltung - am Abend zurück in den großen Tagungsraum kam, musste der Landesvorstand sich der Entscheidung beugen. Auch er bestimmte einstimmig den Ausstieg. Was dann noch blieb, war der Nachtisch, Granatapfel-Mascarpone mit Zimteis.

Gut zwölf Stunden später, gestern Mittag, waren alle wieder zurück in der Eimsbüttler Stadtvilla, inklusive journalistischen Großaufgebots. "Die Arbeitsfähigkeit in der Koalition hat sich so verschlechtert, dass wir nicht mehr an eine gute, erfolgreiche Zusammenarbeit glauben", sagte Kerstan. Der Rücktritt von Frigge sei nur der Anlass gewesen, so der Fraktionschef, und nannte Gründe für den Bruch: falsche Entscheidungen im Kulturbereich, die später wieder verändert werden mussten. Haushaltsmaßnahmen, die noch nicht umgesetzt sind, zurückgezogen wurden oder nur globale Minderausgaben darstellen. Auch sprach Kerstan den Vertrag mit den Muslimen an, der nach vierjähriger Verhandlungszeit vonseiten der CDU infrage gestellt werde.

Justizsenator Steffen warf ergänzend den Umgang mit HSH-NordbankChef Dirk Jens Nonnenmacher ein. Die CDU habe das Problem so lange negiert, dass Kerstan "in die Verlegenheit" geraten sei, seine Forderungen nach dessen Rauswurf öffentlich deutlich zu machen, so Steffen. Die Zweite Bürgermeisterin Christa Goetsch sprach sogar von "Missmanagement" im Senat, Absprachen und Abstimmungen seien nicht mehr belastbar gewesen. Dennoch soll Goetsch während des Anrufs bei Bürgermeister Christoph Ahlhaus eineinhalb Stunden vor der Pressekonferenz aufgelöst gewesen sein.

Fegebank, die erklärte, sie fände es sehr verantwortungsvoll, den Weg für Neuwahlen frei zu machen, wenn die Koalition keine Kraft mehr habe, wirkte noch währenddessen sehr stark mitgenommen. Als Kerstan zu den Journalisten sprach, hatte sie Tränen in den Augen. Einige Parteimitglieder munkeln, dass sie unter diesen Umständen nicht Landeschefin bleiben könne.

Dass Christa Goetsch nicht erneut an erster Front in den Wahlkampf ziehen wird, da ist man sich bei den Grünen ziemlich sicher. Als sicherste Spitzenkandidatin gilt Anja Hajduk, nicht umsonst hatte sie am Sonnabend die Federführung übernommen. Nach Abendblatt-Information werde sie nicht Nein sagen, wenn die Partei sie bittet, auch wenn sie wohl immer ein wenig nach Berlin geschielt hat.