Hamburgs Katholiken reagieren erstaunt und betroffen auf den Amtverzicht Benedikts XVI. Mitarbeiter der Akademie halten inne.

Hamburg. Das kann doch nicht wahr sein! Anfangs reagierte nicht nur Dominika Kapuscinski ungläubig, als ihr eine Freundin der katholischen Sophie-Barat-Schule am Hamburger Dammtor vom Rücktritt des Papstes berichtete. "Ich war weder traurig noch froh, sondern erstaunt", sagte die 18-jährige Gymnasiastin aus Bramfeld. "Ich wusste gar nicht, dass ein solcher Rücktritt überhaupt möglich ist."

Wichtiger als das Herkunftsland des künftigen Oberhirten der Katholiken sei dessen Verhältnis zu den Menschen: "Er soll seinen Glauben nicht nach innen, sondern nach außen leben." Der Religionskurs der Abiturklasse des vierten Semesters beschäftigte sich gestern Nachmittag intensiv mit dem Thema des Tages.

Zwar steht Religion bei Mitschüler Florentin Sochor erst morgen auf dem Stundenplan, dennoch debattierte auch er mit seinen katholischen Freunden. Die Nachricht erhielt der 18-Jährige während einer Freistunde im Studiensaal seiner Schule via E-Mail. "Zuerst war ich irritiert und überrascht, dann etwas betroffen", sagte er. Benedikt XVI. sei ein guter Papst mit Bezug auch zu jungen Leuten gewesen.

Als Messdiener der Heilig-Geist-Gemeinde in Farmsen war der Schüler aus der zwölften Klasse der Sophie-Barat-Schule 2010 im Rahmen einer Ministranten-Wallfahrt nach Rom gereist. Im Vatikan hatte Florentin an einer Generalaudienz des Papstes teilgenommen. "Es war sehr beeindruckend", erinnert er sich, "und wir haben Benedikts Worte als ermutigend empfunden." Sie hätten nachgehallt.

Sehr persönliche Bilder des noch amtierenden Papstes, der in 16 Tagen sein Pontifikat abgibt, hatte gestern auch Werner Singer vor Augen. Um 12.15 Uhr hörte er im Radio von der Rücktrittsankündigung - und war "sehr überrascht". Zwar habe der Studiendirektor aus Harburg von den gesundheitlichen Problemen Benedikts XVI. gewusst, mit dem Zeitpunkt jetzt jedoch nicht gerechnet. "Ich kann seine Entscheidung gut verstehen", sagte Singer dennoch.

Als Sänger der Regensburger Domspatzen hatte Werner Singer früher den Kirchenmusiker Georg Ratzinger kennen- und schätzen gelernt. In den Jahren 1969/70 hatte er in einem Regensburger Internat gemeinsam mit dem heutigen Oberhaupt der Katholischen Kirche gewohnt und diesen als "sehr zurückgezogen" erlebt. Beide Ratzinger-Brüder hatten ursprünglich den Plan gehabt, sich spätestens im Alter von 75 Jahren zurückzuziehen, um den Lebensabend zu genießen. Dass diese Absicht nunmehr ein Jahrzehnt später in die Tat umgesetzt werde, verlange Respekt und Zustimmung.

Eva Schmitz bringt gleichfalls Verständnis für den auch von ihr nicht erwarteten Schritt auf. "Ich habe hohe Achtung, wenn jemand bereit ist, seine Macht abzugeben, wenn er merkt, dass es gesundheitlich nicht mehr so richtig funktioniert", sagte die katholische Diplom-Theologin, die in der Erwachsenenbildung aktiv ist. Frau Schmitz, die in Hamburg geboren ist und in Neuendeich bei Uetersen wohnt, hatte im Radio vom bevorstehenden Rücktritt gehört.

Per App auf seinem Smartphone wurde Marino Freistedt informiert. Sofort leitete der amtierende Leiter des Katholischen Schulverbandes in Hamburg die Nachricht an seine Kollegen als E-Mail weiter. Bei der Mitarbeiterrunde um 13 Uhr in den Räumen der Katholischen Akademie am Herrengraben in der Hamburger Innenstadt bat der Oberschulrat seine Mitstreiter, eine Minute innezuhalten und an Benedikt XVI. zu denken. "Seine theologische Leistung ist unbestritten", meinte Freistedt. Das Papstamt sei eine Last, nicht nur körperlich, und es könne als großes Entgegenkommen gewertet werden, auf dieses wichtige Amt zu verzichten. "Es war ganz gewiss keine leichte Entscheidung", vermutet er, "und wir sollten in Gedanken bei Papst Benedikt XVI. sein."

Marino Freistedt zählte zu den Unterzeichnern einer vom Hamburger Rechtsanwalt Roger Zörb initiierten Schrift, mit der dem Papst zu dessen 85. Geburtstag am 16. April gratuliert und Gottes Segen gewünscht wurde. Sechs Jahre zuvor war der Oberschulrat mit einer Hamburger Delegation in den Vatikan gereist. Dort habe er das Oberhaupt der katholischen Kirche als "sehr warmherzigen Menschen" erlebt. Diese Erinnerung bleibe nach dem Rücktritt bestehen.