Die Bundesregierung äußert sich verständnisvoll zum Rücktrittsgesuch Benedikt XVI. Er habe „sehr gelitten“, sagt ein Weggefährte des Papstes.

Hamburg. Papst Benedikt XVI. gibt sein Pontifikat am 28. Februar auf. Das teilte das 85 Jahre alte Oberhaupt der katholischen Kirche am Montag überraschend während eines öffentlichen Konsistoriums in Rom mit. Seine ungewöhnliche Entscheidung kündigte der Papst in lateinischer Sprache an.

Der Bruder des Papstes, Georg Ratzinger, nannte die angeschlagene Gesundheit von Benedikt XVI. als Grund für dessen Rücktritt. „Das Alter drückt“, sagte der 89-Jährige. Sein Arzt habe dem Papst geraten, keine transatlantischen Reisen mehr zu unternehmen. Auch das Gehen bereite seinem Bruder zunehmend Schwierigkeiten.

Benedikt selbst sagte, er spüre das Gewicht der Aufgabe, dieses Amt zu führen, habe lange über seine Entscheidung nachgedacht und sie zum Wohl der Kirche getroffen. Der Papst ermüde rascher, sagte sein Bruder Georg weiter.

Der 89-Jährige nannte den Rücktritt seines Bruders vom Amt des katholischen Kirchenoberhauptes einen „natürlichen Vorgang“. „Mein Bruder wünscht sich im Alter mehr Ruhe.“ Georg Ratzinger sagte weiter: „Ich war eingeweiht.“ Er gab zu, seit Monaten von den Rücktrittsplänen des Papstes gewusst zu haben.

Georg Ratzinger, wie sein Bruder katholischer Priester, war drei Jahrzehnte lang Domkapellmeister in Regensburg und damit Leiter der weltberühmten Regensburger Domspatzen.

+++ Der Rücktritt im Wortlaut +++

Regierungssprecher Steffen Seibert reagierte am Montag betroffen auf den Rücktritt des Papstes. Was immer die Gründe für die Rücktrittserklärung seien, ihm gebühre der Dank, diese Weltkirche acht Jahre lang geleitet zu haben, sagte Seibert in Berlin. Die Bundesregierung habe „allerhöchsten Respekt für den heiligen Vater, für seine Leistung“.

Der Regierungssprecher geht nach eigenen Worten davon aus, dass sich Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) im Laufe des Tages noch persönlich zum Rücktritt äußern wird.

Seibert sagte, Papst Benedikt XVI. habe während seiner Amtszeit „seine ganz persönliche Handschrift als Denker an der Spitze dieser Kirche und auch als Hirte eingebracht“. Als Christ reagiere er mit Bewegung und Betroffenheit auf den Rücktritt, sagte Seibert, der selbst evangelisch getauft, heute aber Mitglied der katholischen Kirche ist. Zugleich äußerte der Regierungssprecher Achtung vor den Gründen des Rücktritts.

Merkel: „Wünsche dem Papst von Herzen alles Gute“

Bundeskanzlerin Angela Merkel hat Papst Benedikt XVI. für seinen Rücktritt höchsten Respekt gezollt und als einen der bedeutendsten religiösen Denker der Gegenwart gewürdigt. „Wenn der Papst selbst jetzt nach reiflicher Prüfung zu dem Entschluss gekommen ist, seine Kraft reiche nicht mehr für die Ausübung seines Amtes, so hat das meinen allerhöchsten Respekt“, sagte Merkel am Montag in Berlin. In Zeitalter des immer längeren Lebens könnten viele Menschen nachvollziehen, dass sich auch der Papst mit den Bürden des Alterns auseinandersetzen müsse.

Unvergessen bleibe seine Ansprache im September 2011 im Bundestag, sagte Merkel. „Er beschrieb darin unsere grundlegende Aufgabe als Politiker: dem Recht zu dienen und der Herrschaft des Unrechts zu wehren.“ Daran werde sie lange denken. „Als Bundeskanzlerin sage ich Danke für seine Arbeit und wünsche ihm von Herzen alles Gute für die nächsten Jahre.“ Er habe die Herzen der Gläubigen erreicht und Juden wie Muslimen die Hand gereicht.

2009 hatte Merkel in einem ungewöhnlichen Schritt den Papst kritisiert. Er hatte zuvor die Rücknahme der Exkommunikation von vier Bischöfen der Priesterbruderschaft St. Pius bekanntgegeben, darunter Richard Williamson. Dieser Schritt hatte vor allem bei Juden weltweit Empörung ausgelöst. Merkel forderte damals eine Klarstellung. Wenn durch eine Entscheidung des Vatikans der Eindruck entstehe, dass der Holocaust geleugnet werden könne und es um grundsätzliche Fragen zum Umgang mit dem Judentum gehe, dürfe dies nicht ohne Folgen bleiben, sagte sie damals.

Seehofer: Höchster Respekt

Der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) bedauert den angekündigten Rücktritt des Papstes. „Die Entscheidung von Papst Benedikt XVI. verdient größten Respekt, auch wenn ich sie persönlich zutiefst bedauere“, teilte Seehofer laut einer Mitteilung der Staatskanzlei am Montag in München mit.

„Mit seiner charismatischen Ausstrahlung und seinem unermüdlichen Einsatz für das Wohl der Kirche hat der Papst aus Bayern die Menschen in aller Welt begeistert“, erklärte Seehofer. Durch seine tief gegründete Theologie habe er die katholische Kirche in den letzten Jahrzehnten maßgeblich geprägt: „Wir sind stolz auf das Pontifikat von Papst Benedikt XVI. Deutschland und Bayern haben ihm unendlich viel zu verdanken.“

Der Würzburger Bischof Friedhelm Hoffmann reagierte „sehr, sehr überrascht“ auf die Bekanntgabe des Rücktritts. Die Entscheidung des Papstes wertete er als „mutigen Schritt“, den der Papst aus großer Verantwortung heraus tue, sagte Hofmann: „Ich kann das nur respektieren.“

Alter Weggefährte: Papst zeigt ein Zeichen der Größe

Der Rücktritt von Papst Benedikt XVI. ist für seinen langjährigen Kollegen und Freund Max Seckler ein Zeichen der Größe des Kirchenoberhaupts. „Er stärkt damit die Auffassung, dass ein Papst aufhören soll, wenn es ihm die Gesundheit gebietet“, sagte der Tübinger Theologe am Montag.

„Er hat sehr gelitten unter manchen Dingen, die dieses Amt mit sich bringt“, fügte der 85-Jährige hinzu. „Man kann sich schwer vorstellen, welche Intrigen es da in Rom gibt, mit denen er sich rumschlagen muss. Das hat ihn sehr belastet, weil er ja ein Theologe ist und ein edler Mensch.“ Er habe sich schon seit Jahren gefragt, wie lange Benedikt XVI. diese Belastung nach aushalten könne.

Deutsche Lutheraner zollen Papst Respekt

Die Vereinigte Evangelisch-Lutherische Kirche Deutschlands (VELKD) hat Benedikt XVI. angesichts seines angekündigten Rücktrittes ihre Anerkennung ausgesprochen. „Wir sehen das mit hohem Respekt“, sagte der Catholica-Beauftragte der deutschen Lutheraner, der Braunschweiger Bischof Friedrich Weber.

Weber hob besonders Benedikts Amtsauffassung hervor, die in dem geplanten Rücktritt zum Ausdruck komme. „Damit bekommt das Papstamt eine menschliche Dimension“, unterstrich der evangelische Bischof. Die lutherische Kirche hoffe und wünsche Benedikt, dass er die Kraft habe, theologische Fragen weiterhin in kompetenter Weise zu bearbeiten. Zur VELKD gehören sieben evangelisch-lutherische Landeskirchen mit rund zehn Millionen Mitgliedern.

In Polen wurde die Rücktrittsankündigung Benedikts mit großer Überraschung, aber auch mit Respekt aufgenommen. „Das ist für uns eine große Überraschung“, sagte Bischof Wojciech Polak, Sekretär der Katholischen Bischofskonferenz Polens. Adam Boniecki, einer der bekanntesten katholischen Intellektuellen Polens, nannte den Schritt wichtig und richtungsweisend für die Zukunft der Kirche.

Gebirgsschützen wünschen Benedikt langen Lebensabend

Die Bayerischen Gebirgsschützen haben Papst Benedikt XVI. als wichtigen Kirchenmann insbesondere für Bayern gewürdigt. „Das war überwältigend, dass ein Deutscher Papst geworden ist“, sagte Landeshauptmann Karl Steininger am Montag im oberbayerischen Kleinpienzenau. Die Ankündigung des Rücktritts sei für ihn völlig überraschend gekommen, trotzdem habe er Verständnis. „Ich wünsche ihm, dass er noch einen langen, schönen Lebensabend hat“, erklärte Steininger. Die Gebirgsschützen waren erst im August nach Rom gereist, um dem aus Marktl am Inn stammenden Pontifex zu seinem 85. Geburtstag mit einem Ehrensalut und einem bayerischen Abend zu gratulieren.

Steiniger und der Papst kennen sich noch aus der Zeit, als Benedikt XVI. noch Erzbischof von München und Freising war. Doch auch nach dem Ende seines Pontifikats soll der Kontakt zum Vatikan nicht abreißen. „Wir werden weiterhin nach Rom fahren, weil wir bayerischen Gebirgsschützen zum katholischen Glauben stehen“, erklärte der Landeshauptmann. Auch den vorherigen Papst Johannes Paul II. hätten die Gebirgsschützen einige Male besucht.

Weitere Zitate zum angekündigten Rücktritt von Papst Benedikt XVI.

„Mein Bruder wünscht sich im Alter mehr Ruhe.“ (Papst-Bruder Georg Ratzinger am Montag.)

„Ostern sollten wir einen neuen Papst haben, das ist die Vorhersage, die wir jetzt machen können.“ (Vatikansprecher Federico Lombardi am Montag in Rom.)

„Sein Glaube, seine Weisheit und seine menschliche Bescheidenheit haben mich tief beeindruckt.“ (Bundespräsident Joachim Gauck am Montag in Berlin vor Journalisten.)

„Ich sehe keinen Kardinal, der ein geborener Nachfolger wäre.“ (Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch, am Montag in Freiburg.)

„Ich bin sehr erschüttert über diese unerwartete Nachricht.“ (Italiens Ministerpräsident Mario Monti am Montag in Mailand.)

„Er hat unermüdlich gearbeitet, um die Beziehungen zwischen Großbritannien und dem Heiligen Stuhl zu stärken.“ (Der britische Premierminister David Cameron am Montag.)

„Alle, die dem Heiligen Vater in letzter Zeit begegnet sind, haben berichtet, dass es ihm gesundheitlich nicht mehr gut geht.“ (Der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, Alois Glück.)

„Man kann sich schwer vorstellen, welche Intrigen es da in Rom gibt, mit denen er sich rumschlagen muss. Das hat ihn sehr belastet, weil er ja ein Theologe ist und ein edler Mensch.“ (Langjähriger Kollegen und Freund von Papst Benedikt XVI., Theologe Max Seckler, am Montag in Tübingen.)

„Zu hoffen ist aber, dass Ratzinger nicht Einfluss auf die Wahl seines Nachfolgers nimmt.“ (Theologe und Papst-Kritiker Hans Küng, nachdem er Benedikt XVI. für seinen Rücktritt Respekt gezollt hat.)

„Mit seiner charismatischen Ausstrahlung und seinem unermüdlichen Einsatz für das Wohl der Kirche hat der Papst aus Bayern die Menschen in aller Welt begeistert.“ (Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) in einer Erklärung am Montag in München.)

„Er hat die theologische Fakultät durch seine Tätigkeit erheblich aufgewertet.“ (Kanzler der Uni Regensburg, Christian Blomeyer, am Montag – in Regensburg war Joseph Ratzinger von 1969 bis 1977 Dogmatik-Professor.)

„Ich denke, er wollte keine Wiederholung der dramatischen letzten Monate des Pontifikats von Johannes Paul II.“ (Adam Boniecki, einer der bekanntesten katholischen Intellektuellen Polens, in einer auf der Webseite der katholischen Wochenzeitschrift „Tygodnik Powszechny“ veröffentlichten Stellungnahme.)