Häufig müssen Fußgänger und Radfahrer in Hamburg auf die Straßen ausweichen, weil die Gehwege vereist sind und nicht geräumt wurden.

Hamburg. Der Winter hat Hamburg seit 33 Tagen im Griff. Vereiste Schneeflächen, gefrorene Pfützen, Matsch und Glätte - auf unzähligen Plätzen und Gehwegen der Stadt geht nichts mehr. Wer sich umschaut, sieht überall verkrustete Eisflächen und fragt sich, wie so etwas flächendeckend möglich sein kann, obwohl es das Wegegesetz offiziell verbietet? Wolfgang Kopitzsch, Chef des Bezirks Nord, kennt die Antwort: "Die Bereitschaft der Hauseigentümer, den Schnee zu räumen, ist katastrophal."

Weiterhin führen einige Bezirke gegen die Verweigerer einen ebenso sanften wie offensichtlich wirkungslosen Kampf. So ermahnen die Bezirke Wandsbek und Altona bisher die Verweigerer lediglich. Ob die ermahnten Hauseigentümer das Eis entfernen, wird in der Regel nicht kontrolliert. In Wandsbek würden auch mehr Salzsünder gesucht: Wer verbotenerweise Salz streut, wird ermahnt. Insider der Ämter spötteln schon: "Der Winter ist amtlich gar nicht vorgesehen."

Die Wegewarte sind offensichtlich überfordert. In Altona verteilen elf Wegewarte täglich bis zu 40 Ermahnungen. Hamburgs größter Bezirk Wandsbek hat seit dem 15. Januar 125 dieser Ermahnungsschreiben losgeschickt. Im Bezirk Eimsbüttel bleibt es vorerst bei Verwarnungen. Derzeit sind dafür 14 Mitarbeiter unterwegs. Bevor Fachamtsleiter Thomas Pröwrock jedoch verschärft gegen Verweigerer vorgeht, will er eigene Defizite ausräumen. "Wir haben die Lage in den ersten Wochen selbst unterschätzt", sagt Pröwrock, verspricht aber: "Jetzt bringen wir unseren Winterdienst auf Vordermann."

In den Bezirken Mitte, Nord und Harburg ist man da schon einen Schritt weiter. Hier wird härter gegen die "Räumsünder" vorgegangen. "Wir setzen eine Frist von zwei Stunden. Wenn der Bezirkliche Ordnungsdienst oder der Wegewart dann keinen Erfolg feststellt, gibt es ein Ordnungswidrigkeits-verfahren, oder wir beauftragen einen Räumdienst, dessen Kosten der Verursacher tragen muss", sagt Bezirkssprecher Lars Schmidt. Konkrete Zahlen gebe es allerdings noch nicht. Ordnungswidrigkeiten nach dem Wegegesetz würden nicht gesondert aufgeschlüsselt.

Für Statistiken bleibt auch im Bezirk Nord keine Zeit. "Bei uns sind in den vergangenen Tagen Hunderte Beschwerden über nicht geräumte Wege eingegangen", sagt Bezirksamtsleiter Wolfgang Kopitzsch. "Viele Grundeigentümer kommen ihrer Pflicht einfach nicht nach - und das, obwohl wir bereits vor Wochen nachdrücklich auf diese hingewiesen haben. Die Vermieter nehmen es in Kauf, dass ihre älteren Mieter ihre Wohnung nicht verlassen können. So geht das nicht weiter." Inzwischen hat der Bezirk bis zu 20 Mitarbeiter täglich im Kontrolleinsatz.

Bußgelder wurden bislang zwar noch nicht erhoben, jedoch unzählige Verwarnungen ausgesprochen. Weil zwischen Barmbeker Bahnhof und Fuhlsbüttler Straße gestern nichts mehr ging, hat der Bezirk auf eigene Faust eine Fremdfirma beauftragt. Der zuständige Eigentümer der angrenzenden Immobilie weilt im Ausland und war bislang nicht tätig geworden. "Wir müssen den Bürger schützen", sagt Heino Fölser, der im Bezirk Nord für das Management des öffentlichen Raums zuständig ist. "Wenn Gefahr im Verzuge ist, greifen wir unverzüglich ein."

In Harburg werden die Wege jetzt rund um die Uhr von den sieben Mitarbeitern des Bezirklichen Ordnungsdienstes kontrolliert. Hinzu kommen unzählige Beschwerden der Bürger. "Wir haben bereits einige Anzeigen erstatten müssen", sagt Pressesprecherin Beatrice Göhring. Fachamtsleiter Thomas Pröwrock will das jetzt ändern. Mit Hochdruck arbeitet sein Team im Baudezernat an einer Info-Broschüre, die Bürger über die Pflichten zur Räumung von Schnee und Eis aufklären soll. Denn viele wissen offensichtlich nicht, dass für das Räumen von Schnee oder Eis auf Gehsteigen vor dem Haus oder Wegen auf Grundstücken grundsätzlich der Eigentümer verantwortlich ist. Er kann diese Pflicht an die Mieter (per Vertrag oder Hausordnung), die Pächter oder eine Firma übertragen. Werktags müssen diese "Anliegerwege" bis 8.30 Uhr (am Wochenende eine Stunde später) in einer Breite von mindestens einem Meter geräumt sein. Der Schnee muss nach Ende des Schneefalls, Glätte sofort beseitigt werden. Liegen bleiben darf er nur zwischen 20 Uhr abends und 8.30 Uhr. Bei Verstößen kann ein Ordnungswidrigkeitsverfahren eingeleitet werden. Bußgeld: 50 bis 200 Euro. Bei anliegerfreien Wegen müssen die Bezirke nach Vermögen Schnee und Eis beseitigen.

Es gibt aber auch Ausnahmen bei der Räumung. Traditionell räumt der Bezirk Mitte die Spitalerstraße von Eis und Schnee, obwohl er dazu nicht verpflichtet ist. Warum das getan wird, konnte der Bezirk nicht beantworten. Plätze wie der Rathausplatz in der City bleiben zumeist ungeräumt, da die Grundeigentümer nur für die direkten Wege vor ihren Gebäuden zuständig sind.

Die Folgen sind dramatisch. Allein im UKE hat sich die Zahl der Glatteis-Opfer mit wetterbedingten Knochenbrüchen in den vergangenen Tagen mehr als verdoppelt. Die unfallchirurgische Abteilung reagierte prompt, hat seine Bettenzahl von 48 auf 89 aufgestockt. Weil das nicht ausreicht, wurde nun auch der leere Pavillon auf dem Krankenhausgelände in Betrieb genommen.