Experten beantworteten beim Bürgerforum die Fragen der Abendblatt-Leser. Diesmal ging es um Rechtsfragen in Sachen Nahrungsmittel.

Hamburg. Hochkarätige Referenten, gleichsam unterhaltsame wie informative Vorträge, pointierte Fragen - beim elften Bürgerforum des Hamburger Abendblatts und des Hamburgischen Anwaltvereins (HAV) hatten die Gäste, passend zum Thema Lebensmittelrecht, enormen Hunger - Wissenshunger. Die Rechtsanwälte und Lebensmittelexperten Professor Moritz Hagenmeyer und Carl von Jagow (beide Kanzlei Krohn) vermittelten einen faktenreichen und spannenden Eindruck von einem recht sperrigen Rechtsgebiet. Ihr Fazit: "Auch bei allen Hiobsbotschaften - noch nie waren die Lebensmittel sicherer als heute." Das Abendblatt dokumentiert hier die Antworten der Referenten.

Hamburger Abendblatt: Wie sinnvoll ist die 1997 in Kraft getretene "neuartige Lebensmittel-Verordnung"?

Professor Moritz Hagenmeyer: Aus wissenschaftlicher Sicht gibt es keinen triftigen Grund, warum die Verordnung gerade 1997 in Kraft getreten ist. Alle Produkte, die seitdem neu auf den Markt gekommen sind, werden teils langwierigen Zulassungsverfahren unterzogen - so wie auch das neue, natürliche Süßungsmittel Stevia. Sicher ist: Wäre die Verordnung früher in Kraft getreten, wären einige Lebensmittel nie zugelassen worden. Zum Beispiel Kaffee - der enthält Koffein, und diese Substanz beeinflusst das Nervensystem. Meiner Meinung nach stellen wir uns mit dieser Verordnung nicht nur ein, sondern gleich zwei Beine.

Stichwort Regulierungswut: Was bringt uns die neue Lebensmittelinformationsverordnung?

Carl von Jagow: Es gibt nicht allzu viele Neuerungen. Die Schrift auf den Verpackungen muss spätestens in drei Jahren, wenn die Verordnung EU-weit umgesetzt sein muss, 1,2 Millimeter groß sein. Zudem ist die Nährwertkennzeichnung nun verpflichtend - aber daran halten sich die meisten Hersteller ohnehin schon jetzt freiwillig. Zudem müssen neben den Allergenen auch sogenannte Lebensmittelimitate gekennzeichnet werden. So wird etwa beim sogenannten Pressschinken stehen: aus Fleischstücken zusammengefügt.

Antibiotika-Einsatz in der Tierzucht scheint ein Problem zu sein. Wie groß ist die Gefahr, dass Resistenzen dem Menschen gefährlich werden?

Hagenmeyer/von Jagow: Der Einsatz von Antibiotika ist streng reguliert. Neben einer Mengenkontrolle der verabreichten Antibiotika muss auch eine gewisse Zeitpanne zwischen Zufütterung und Schlachtung der Tiere liegen. So soll sichergestellt werden, dass Fleisch und Milch keine Antibiotika-Rückstände enthalten und sich Resistenzen entwickeln. Allerdings halten sich nicht alle Hersteller an die Vorschriften. Aber selbst bei belasteter Ware müssten Sie schon extrem viel davon essen. Die panische Reaktion der Öffentlichkeit auf so manche angebliche "Grenzwertüberschreitung" mutet schon seltsam an. Ein gutes Beispiel sind die berühmten Dioxin-Eier. Man hat zwei Mikrogramm Dioxin in Hühnereiern gefunden. Um davon krank zu werden, müsste man 80 Eier essen. Am Tag! Wer schafft das schon.

Während der EHEC-Krise wurde die mangelnde Schlagkraft der Behörden bemängelt. Was halten Sie von der Schaffung einer bundeszentralen Behörde in Sachen des Gesundheitsschutzes?

Von Jagow: Ich glaube, wir wären bei EHEC dem Übel nicht so schnell auf die Spur gekommen, wenn hier nicht so viele Köche mitgemischt und wenn die den Ländern unterstellten Behörden nicht ihre Erfahrungen fast täglich ausgetauscht hätten.

Wenn mal tatsächlich eine Mineralwasserflasche explodiert, kann ich dann Ersatz verlangen? Und muss ich die Quittungen aufbewahren?

Von Jagow: In so einem Fall können Sie sich direkt an den Hersteller wenden. Wenn der eine Flasche zu oft wieder befüllt hat, sodass die Flasche einen Mangel aufweist, muss er Ihnen den Schaden ersetzen. Auch wenn andere Sachen davon in Mitleidenschaft gezogen worden sind, steht er dafür gerade.

In anderen Ländern gibt es die Lebensmittelampel, die in roter Signalfarbe auf der Verpackung anzeigt, wenn das Produkt überhöhte Anteile von Zucker oder Fett aufweist. Macht die Ampel auch in Deutschland Sinn?

Hagenmeyer: Verlassen Sie sich drauf - hier wird die Ampel nicht kommen. Und das ist auch gut so, zumal die Grenze, ab wann ein Produkt als schädlich gilt, offenbar völlig willkürlich gezogen wird. Olivenöl zum Beispiel bekäme dann wohl einen roten Button für zu viel Fett, und Cola light einen grünen Button für Unbedenklichkeit, weil es wenig Zucker enthält - das entspricht ja wohl kaum dem ideologischen Leitmotiv der Ampelkampagne. Es ist dazu völlig unklar, ab wie viel Gramm Fett oder Zucker die Ampel Rot zeigt. Wer soll das seriös feststellen?

Muss ich nach Ablauf des Mindesthaltbarkeitsdatums alle Produkte wegwerfen?

Von Jagow: Das Mindesthaltbarkeitsdatum ist nicht das Verfallsdatum, das bei leicht verderblichen Produkten wie Fleischwaren maßgeblich ist. Etliche Produkte können Sie auch Tage oder Wochen nach Ablauf des Datums völlig bedenkenlos verzehren! Das Mindesthaltbarkeitsdatum muss, gut sichtbar, auf derselben Seite wie die Verkehrsbezeichnung des Produkts und die Mengenangabe stehen. Die Auflagen sind sehr streng: Hersteller dürfen das "mindestens" noch nicht mal abkürzen, sonst werden unter Umständen bis zu 10 000 Euro Bußgeld fällig.

Für Recht suchende Bürger bietet der Hamburgische Anwaltverein einen Service an: den Anwaltsuchdienst. Es werden kostenlos bis zu drei für den Fall geeignete Rechtsanwälte genannt: Telefon 01804/314 314, per Anruf 20 Cent, mobil ist es teurer.