Holger S., nach viereinhalb Jahren aus der Haft entlassen, ist der erste Hamburger mit Fußfessel. Er hält diese Maßnahme für “unzumutbar“.

Hamburg. Das Gerät besitzt die Größe eines nicht mehr ganz modernen Mobiltelefons. Sein Träger sagt, es scheuere. Alle zwölf Stunden muss Holger S. sich für mindestens eine Stunde in die Nähe einer Steckdose setzen, das Netzgerät einstöpseln und das andere Ende des drei Meter langen Kabels in das Gerät stecken. "Menschenunwürdig" sei das alles, findet Holger S. Er ist der bislang einzige Hamburger Haftentlassene, der mit einer sogenannten "Fußfessel", im Amtsdeutsch "elektronische Aufenthaltsüberwachung" genannt, ausgestattet wurde.

Er ist kein Sicherungsverwahrter, hat seine 2006 verhängte Haftstrafe von viereinhalb Jahren voll abgesessen. Doch offenbar ging der Richter der Strafvollstreckungskammer, als er diese Maßnahme erstmals in der Hamburger Rechtsgeschichte anordnete, davon aus, dass von S. weiterhin eine Gefahr ausgehen könnte. Der verurteilte Kinderschänder sieht das vollkommen anders. Er sei lediglich das Versuchskaninchen der Behörde. Das habe man ihm "unter der Hand" mitgeteilt. Und gefährlich sei er sowieso nicht. Mit dieser Meinung steht S. allerdings relativ allein da.

2006 hatte das Landgericht Holger S. zu viereinhalb Jahren Haft verurteilt, weil er sich nach Überzeugung der Richter an mindestens einem Mädchen vergangen hatte. Er hatte die Siebenjährige mit zu sich nach Hause genommen und das Kind fotografiert. Schon einmal, im Jahr 2000, hatte ein Gericht S. verurteilt - ebenfalls wegen Straftaten, die er jungen Mädchen angetan hatte. Holger S. saß seine Haftzeit zuletzt in der sozialtherapeutischen Anstalt ab, in der psychisch kranke Täter die jeweils geeignete Behandlung erhalten. Er selbst sei nicht therapiert worden, sagt Holger S.

Das habe er auch nicht gewollt, schließlich sei er unschuldig - und Therapien für Unschuldige seien ihm nicht angeboten worden. S. behauptet: "Wenn ich eine Therapie angetreten hätte, wäre mir dies als Schuldanerkenntnis ausgelegt worden." Dem widerspricht die Justizbehörde vehement: Selbstverständlich gehörten Therapien zum Behandlungskonzept. Auch weil Holger S. sich während seiner gesamten Haftzeit therapieresistent gezeigt habe, so heißt es weiter, habe er die Haft komplett abgesessen und sei nicht etwa nach zwei Dritteln verbüßter Strafe freigekommen. Und deshalb entschied der zuständige Richter der Strafvollstreckungskammer auch, dass der Uneinsichtige nach Beendigung seiner Haftzeit eine Fußfessel zu tragen habe.

Gerichtssprecher Conrad Müller-Horn erläutert: "Mit seiner Entlassung begann die Führungsaufsicht. Deren Sinn ist es, einem Verurteilten zu helfen und ihn zu überwachen, dass er nicht erneut straffällig wird. Im Rahmen der Führungsaufsicht hat die Strafvollstreckungskammer dem Verurteilten mehrere Weisungen erteilt." Durch den Zwang, eine Fußfessel zu tragen, solle dem Verurteilten deutlich vor Augen geführt werden, dass etwaige künftige Straftaten leichter aufgeklärt werden könnten. Man erhoffe sich von der Aufenthaltsermittlung vor allem eine abschreckende Wirkung, so Müller-Horn.

Der Delinquent selbst erlebt die Fußfessel als "unzumutbare Einschränkung, die unter anderem verhindert, dass ich meinen Beruf wieder ausüben kann". Holger S. hat deshalb beim Landgericht Beschwerde gegen den Beschluss der Strafvollstreckungskammer eingelegt. Er könne keine Serverräume betreten und kein Flugzeug benutzen, sagt Holger S. Im Gespräch beschwert sich S. zudem darüber, dass die Fußfessel scheuere und er deshalb stets zwei Paar Socken tragen müsse. Außerdem sei es ihm unmöglich an einen Strand oder in ein Freibad zu gehen. Auch die weiteren Weisungen, die das Gericht dem Entlassenen erteilt hat, seien größtenteils "überflüssig" oder "widerrechtlich".

Unter anderem ist es ihm verboten worden sich auf Reitanlagen aufzuhalten und den Kontakt zu Kindern zu suchen. Alle zwei Wochen hat er sich bei seiner Führungsaufsicht zu melden, Urlaubsreisen muss er anmelden.

All diese Auflagen wären dem Entlassenen kaum gemacht worden, wenn die zuständigen Richter nicht die Gefahr sehen würden, dass Holger S. rückfällig wird. Nach den Aussagen des Ex-Häftlings besteht kein Anlass zu derartigen Befürchtungen: Er sei schließlich nie pädophil gewesen, behauptet er - und präsentiert ein Gedankenkonstrukt, das schwer nachvollziehbar ist: Dass er damals verurteilt wurde, sei einem Komplott zu verdanken, den Staatsanwaltschaft, Polizei, Rechtsanwälte und die Anzeigenden geschmiedet hätten. Dass er der erste Haftentlassene ist, dem die Fußfessel angelegt wurde, liege lediglich daran, dass die Behörde ein "Versuchskaninchen" brauche.

Einmal schlug der Alarm in der Überwachungszentrale an. Nachts standen daraufhin Polizisten am Bett des Ex-Häftlings. Der schlief. Es bleibt zu hoffen, dass sich die Befürchtungen eines Rückfalls nicht bestätigen.