Lange wurde er von der Polizei überwacht, dann verging er sich an einem Mädchen. Bund und Länder müssen Sicherungs-verwahrung reformieren.

Berlin. Der Rückfall eines entlassenen Sexualtäters in Dortmund befeuert die Debatte um die Sicherungsverwahrung. Bayerns Justizministerin Beate Merk (CSU) sieht sich in ihren Befürchtungen bestätigt. „Es ist zu meinem Bedauern genau das eingetroffen, was Bayern, andere Länder und viele Experten befürchtet haben“, sagte sie der „Süddeutschen Zeitung“ (Montag). Dagegen erklärte der Grünen-Politiker Jerzy Montag in der „tageszeitung“, es könne keine Gesellschaft und kein Rechtssystem geben, in denen Rückfälle ausgeschlossen seien.

In Dortmund war am Donnerstag ein 49-Jähriger festgenommen worden, der nach dem Ende einer monatelangen, intensiven Polizeiüberwachung im Januar eine Siebenjährige missbraucht hatte. Gegen ihn erging Haftbefehl. Der Mann saß bis September in der Sicherungsverwahrung. Dann musste er freigelassen werden. In den vergangenen Monaten waren eine Reihe von Tätern wegen eines Urteils des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg entlassen worden.

Die EGMR-Richter kritisierten wiederholt, dass sich die Sicherungsverwahrung zu wenig von einer Haftstrafe unterscheidet. Zudem entschied auch das Bundesverfassungsgericht im Mai, dass die Sicherungsverwahrung bis 2013 komplett neu zu gestalten ist. Mit der Sicherungsverwahrung soll die Bevölkerung vor gefährlichen Tätern geschützt werden, die ihre Strafe bereits abgesessen haben.

Bund und Länder müssen die Sicherungsverwahrung nun zusammen reformieren – der Bund muss die „wesentlichen Leitlinien“ vorgeben. Merk sagte: „Wir müssen gemeinsam mit dem Bundesjustizministerium den Spielraum, den uns das Bundesverfassungsgericht gelassen hat, bis an die Grenze ausschöpfen.“ Viele Täter seien weder therapiewillig noch belehrbar. „Sie haben schreckliche Verbrechen begangen, das Leben anderer ausgelöscht oder für immer zerstört und sind in der Regel nicht bereit, sich mit diesen Taten auseinanderzusetzen“, sagte Merk.

Dagegen erklärte der Grünen-Justizexperte Montag, Prognosen hätten immer einen Rest an Unsicherheit. „Wir wissen niemals, ob wir die Ungefährlichen rauslassen und die Gefährlichen drinlassen – oder umgekehrt. Künftig müsse sich die Verwahrung in vielen Einzelheiten von der Haft unterscheiden. „Doch auch dann wird es Rückfälle geben.“

Nordrhein-Westfalens Justizminister Thomas Kutschaty (SPD) hatte die Bundespolitik in der vergangenen Woche aufgefordert, bei der Reform Tempo zu machen. „Wir warten als Land händeringend darauf, dass der Bundesgesetzgeber endlich Regelungen schafft.“ Einige Länder beginnen bereits mit den Vorbereitungen für eine Reform. Wie Merk ausführte, wird in Bayern eine geschlossen therapeutische Einrichtung mit 84 Plätzen geschaffen, „die sich von der Strafhaft so deutlich unterscheidet, dass wir die Vorgaben aus Straßburg erfüllen“. (dpa/abendblatt.de)