Die Beschäftigten von Blohm + Voss hatten sich auf die arabischen Investoren eingestellt. Doch die kommen plötzlich doch nicht.

Hamburg. Die E-Mails gingen am Freitagmorgen gegen acht Uhr bei den Betriebsräten von Blohm + Voss in Hamburg ein. "Wir wurden völlig überrascht", sagte Klaus Groth, der stellvertretende Betriebsratsvorsitzende der Werft, am Freitag dem Abendblatt. Die Speicher des Handys und des Computers von Manfred Csambal, Betriebsratsvorsitzender in der Reparatur, waren rasch voll. "Fragen über Fragen wurden mir gestellt", sagte Csambal. Doch auch ein Gespräch mit Blohm+ Voss-Personalchef Frank Brüggestrat brachte die Arbeitnehmervertreter an diesem Tag kaum weiter.

Was die Belegschaften in der Reparatur, der Sparte Schiffbau sowie im Maschinenbau am Freitag verunsicherte, war die Entscheidung des Mutterkonzerns ThyssenKrupp, die Gespräche mit der arabischen Schiffbaugruppe Abu Dhabi Mar (ADM) einzustellen. Damit sind die fast zweijährigen Verhandlungen über den Verkauf des zivilen Schiffbaus gescheitert. Auch das Gemeinschaftsunternehmen Blohm + Voss Naval, über das durch die Kontakte der Araber Fregatten in den Nahen Osten sowie nach Nordafrika verkauft werden sollen, kommt nun nicht zustande. Als Grund für die Kehrtwende sieht Olaf Berlien, der Aufsichtsratsvorsitzende von ThyssenKrupps Werftenholding TKMS, die "Veränderungen in den politischen Rahmenbedingungen im Mittleren Osten". Im Klartext: Nach den Unruhen in Libyen, Tunesien, Ägypten oder Syrien werden die Chancen für neue Aufträge sowohl für Großyachten als auch für Militärschiffe eher verhalten eingeschätzt. "In den vergangenen Monaten haben sich die wesentlichen Voraussetzungen für ein gemeinsames erfolgreiches Vorgehen verändert", kommentierte Berlien die Entscheidung am Freitag in Essen. Der Militärschiffbau wird nun in den Händen von ThyssenKrupp bleiben. "Dagegen führen wir weiter intensive Gespräche über den Verkauf des zivilen Bereichs von Blohm + Voss, von dem wir uns weiter trennen wollen", sagte eine ThyssenKrupp-Sprecherin. Die Gespräche sollen in 18 Monaten abgeschlossen werden.

Die abgeblasene Übernahme von Blohm + Voss sehen die Betriebsräte des Unternehmens insgesamt skeptisch. "Wir hatten uns auf die Araber eingestellt, weil sie uns den Zugang zu einem neuen Markt eröffnen sollten. Wir bedauern, dass sie nun nicht mehr zur Verfügung stehen", sagte Herbert Oetting, der Betriebsratsvorsitzende von Blohm + Voss Naval. Befürchtet wird vor allem, dass der Schiffbau allein mit dem gerade begonnenen Fregattenauftrag für die Deutsche Marine nicht ausgelastet wird. "Reichen die Militäraufträge nicht aus, können schnell Stellen überflüssig werden", sagt Csambal. Derzeit arbeiten rund 1900 Beschäftigte in Hamburg und Emden für Blohm + Voss. Etwa 90 im Schiffbau sind in Kurzarbeit.

Die Arbeitnehmer fordern jetzt gemeinsam mit der IG Metall Küste, dass ThyssenKrupp sich auch in der neuen Situation an eine im Mai geschlossene Vereinbarung hält. "Dabei geht es um den Verzicht auf betriebsbedingte Kündigungen, die Sicherung der Standorte und die Einbindung der Belegschaft bei Veränderungen im Unternehmen", sagte Oetting. So bald wie möglich soll der Konzern auf einer außerordentlichen Aufsichtsratssitzung der TKMS über die Lage und die sich daraus ergebenden Folgen informieren.

Über einen möglichen Interessenten am Yachtbau gibt es nur Spekulationen. Sie reichen von Unternehmen in Asien bis hin zu Finanzinvestoren. Die Araber übernehmen jetzt lediglich 180 Mitarbeiter von HDW, die zuletzt in Kiel kleinere Yachten gebaut hatten. In Hamburg schaltete sich am Freitag Finanzsenator Peter Tschentscher (SPD) in die Diskussion um Blohm + Voss ein. Er vertritt Wirtschaftssenator Frank Horch (parteilos), der vor seinem Wechsel in die Politik einige Jahre für das Traditionsunternehmen gearbeitet hatte. "Blohm + Voss ist ein bedeutendes Hamburger Unternehmen und ein wichtiger Arbeitgeber. Die Stadt ist bereit, alle Möglichkeiten für eine Unterstützung zu prüfen", sagte ein Sprecher der Finanzbehörde.

Gleichzeitig mit der Nachricht über die gescheiterten Gespräche mit Abu Dhabi Mar konnte ThyssenKrupp am Freitag einen Großauftrag für HDW verkünden. Dabei handelt es sich um Materialpakete im Wert von zwei Milliarden Euro für sechs U-Boote, die in der Türkei zusammengebaut werden sollen. "Dieser Auftrag wird bei HDW, aber auch bei vielen Unterlieferanten in Deutschland und in der Türkei, für die nächsten zehn Jahre zur Beschäftigung beitragen", teilte ThyssenKrupp mit. Auch bei den Überwassermarineschiffen kündigte Berlien einen Auftrag an. Da es um Fregatten oder Korvetten geht, käme er Blohm + Voss zugute.