Was ist das Geheimnis glücklicher Ehen? Helmut und Loki Schmidt hatten es entschlüsselt, auch die moderne Paarforschung findet Antworten.

Hamburg. Ein einziges Mal nur, erzählte Hannelore "Loki" Schmidt gerne, habe sie einen Waschlappen nach ihrem Mann geworfen, weil sie zornig auf ihn war. So um 1946, 1947 herum. Warum es zwischen ihnen beiden geknallt hatte, das hatte sie vergessen. Oder sie wollte es vielleicht nicht erzählen. "Da es aber noch vor der Währungsreform war, hat mein Verstand ausgereicht, etwas zu nehmen, was nicht zerbricht - das kriegst du nie wieder, habe ich gedacht - und einen nassen Waschlappen genommen. Ich habe nicht getroffen, und darüber lachen wir noch heute!"

Später gab Loki Schmidt auch dies noch preis: "Wir machen häufig abends Quatsch. Wir können beide nicht mehr richtig singen, und mein Mann kann nicht mehr richtig hören. Trotzdem singen wir mit ganz großem Vergnügen, und hinterher lachen wir uns tot."

Gemeinsames Lachen könnte eines der Geheimnisse einer glücklichen Ehe sein.

Die meisten Scheidungen werden nach drei, 13 und 23 Jahren Ehe vollzogen

In den mehr als 68 Jahren, in denen die berühmten Loki Schmidt: „Mit Knicksen konnte ich nicht dienen" Schmidts aus Hamburg verheiratet waren, ist ein fliegender Waschlappen wahrlich nicht viel. Die gefürchteten "Szenen einer Ehe" sehen gemeinhin anders aus. Und nicht wenige der Zuschauer, die in einer der zahlreichen Sondersendungen anlässlich des Todes von Loki Schmidt das Ehepaar im gemeinsamen Interview gesehen haben, dürften sich daher vor allem eines gefragt haben: Wie haben diese Schmidts das bloß geschafft, sich über einen solch langen Zeitraum nicht nur zu ertragen, sondern sich offenbar immer noch richtig lieb zu haben - Händchen zu halten, miteinander herumzuschäkern und sich Küsschen zu geben, vor laufender Kamera? Am 27. Juni 2012 hätten sie ihren 70. Hochzeitstag begangen. Ihre "Gnadenhochzeit".

Prominente Paare aus der verwöhnten, berauschten 2.0-Generation feiern selten die silberne oder gar eine goldene Hochzeit, "normale" Schmidts auch nicht: Mehr als 40 Prozent aller Ehen in Deutschland werden mittlerweile weit vor diesen Wegmarken geschieden, die meisten übrigens nach ungefähr drei, 13 oder 23 Jahren, jedenfalls statistisch gesehen (und das sogenannte verflixte siebte Jahr ist bloß eine Filmidee, die mit der Realität nichts zu tun hat). Allerdings steht dieser ernüchternden Erkenntnis auch die Tatsache gegenüber, dass heutzutage mehr Paare erst durch den Tod geschieden werden, als je zuvor - so wie es ja eigentlich auch vorgesehen ist.

Dennoch wundern Kinder, Enkel und Urenkel der (Vor-)Kriegsgeneration sich häufig über ihre Eltern und Großeltern. Über die Unzerreißbarkeit ihrer Trauscheine, die zumeist in jenen schlechten Zeiten unterschrieben wurden, die den Jüngeren höchstens aus Geschichtsbüchern, TV-Dokumentationen oder Erzählungen bekannt sind. Jenen Zeiten der Bombennächte, der Vertreibung und Verfolgung, des Hungerns und Frierens, des Leidens. Was anscheinend zusammenschweißt.

So wie Marcel Reich-Ranicki und seine Frau Teofila, die sich im Jahre 1940 durch eine Tragödie kennenlernten, als ihre Eltern aus dem polnischen Lódz vertrieben und enteignet wurden, woraufhin ihr Vater sich aus Scham und Verzweiflung erhängte. Reich-Ranickis Mutter, die im selben Haus wohnte, erfuhr von dem Suizid und schickte ihren Sohn zu den Nachbarn, damit der sich um die Tochter kümmerte. Zwei Jahre später waren sie verheiratet, und sie sind es noch.

Und wie war das bei den berühmten Schmidts? Mit zehn Jahren trafen sie sich in der Lichtwark-Schule zum ersten Mal auf dem Pausenhof und wurden Freunde. Sechs Jahre später knutschten Loki und Helmut dann zum ersten Mal auf einer Parkbank im Hamburger Stadtpark. Aber es war zu keiner Zeit die klassische Sandkastenliebe, wie es Helmut Schmidt in seinem "Rückblick" später beschrieb: "Nach mehreren beiderseitigen Abkühlungen, Affären mit anderen und Wiederanknüpfungen hat eine gemeinsame Woche zur endgültigen Bindung geführt." Das war, als sie ihren Sandkastenfreund in Berlin besuchte, kurz bevor er 1941 als Soldat an die russische Front geschickt wurde.

Unglückliche äußere Umstände während des Kennenlernens sind vielleicht das große Geheimnis Nummer zwei einer glücklichen Ehe.

Die viel beschworene Liebe scheint für die Beständigkeit einer Lebensgemeinschaft dagegen eine ziemlich untergeordnete Rolle zu spielen. Sie ist vergleichbar mit der Eintrittskarte zu einem Konzert, das jedoch irgendwann einmal, früher oder später, zu Ende geht - zumeist mit Misstönen, die zuerst das Gehör verletzen und dann das Herz. Wenn es plötzlich ans Eingemachte geht und die albernen, viel beschworenen Schmetterlinge den Bauch längst verlassen haben. Gerade Männer irren nämlich mit ihrer rosaroten Vorstellung, eine Liebesbeziehung lasse sich ewig "so" fortführen. Und genau das schafft Probleme. Denn die Organisation des grauen Alltags, die Verteilung von Lasten und Pflichten sowie das Aushandeln von Gerechtigkeit sei mit der Liebe einfach nicht vereinbar, lehrt die moderne Paarforschung. Frauen sehen das häufig genauso: "Mein Mann Helmut und ich, wir waren niemals verliebt in dem Sinne. Verliebt zu sein ist wie ein Feuer aus Reisig und Stroh. Dreck, Not und Kummer, wie unsere Generation sie erlebt hat, verbinden mehr", sagte Loki Schmidt.

Der häufigste Fehler ist, den anderen im eigenen Sinne ändern zu wollen

Nadja Tiller und Walter Giller (verheiratet seit 1956), Senta Berger und Michael Verhoeven (verheiratet seit 1966) oder Inge und Walter Jens (verheiratet seit 1951): Drei Ehepaare, die es offensichtlich geschafft haben, Stürme in Wassergläser abzuleiten, Gefühle zu konservieren - und die herausgefunden haben, dass eine gute Ehe oder Partnerschaft nicht aus völliger Harmonie besteht, sondern auch aus Widerspruch und Unterschied.

Vernunft und Zweckmäßigkeit könnten die Geheimnisse Nummer drei und vier einer glücklichen Ehe sein.

"Unbedingt", sagt der renommierte Psychologe Arnold Retzer, Leiter des Systemischen Instituts an der Universität Heidelberg, Lehr- und Paartherapeut, der mit seinem Buch "Lob der Vernunftehe" unter anderem dafür plädiert, möglichst rasch den Kopf einzuschalten, da der "nicht der unwichtigste Teil unseres Körpers" sei. Denn eine erfolgreiche Paarbeziehung sollte sowohl mit dem Verstand als auch mit dem Gefühl rechnen, gerade wenn die aufgelösten individuellen Grenzen - "wir sind ein Herz und eine Seele" - zum Beispiel mit einer ganz banalen Frage konfrontiert werden: "Wer steht nachts auf und beruhigt das schreiende Baby?" Für den Psychologen ist es längst keine Floskel mehr, sondern bittere Wahrheit, dass Eheschlachten durch falsch ausgedrückte Zahnpastatuben ausgelöst werden können. Deshalb ist Retzer sich nach unzähligen Paargesprächen und Studien sicher, dass sich Paare auf Gemeinsamkeiten konzentrieren und trotzdem Widersprüche zulassen müssten. "Es kommt letztlich nicht darauf an, sich zu vertragen, sondern sich zu ertragen. Ein Arrangement, das auch als resignative Reife bezeichnet werden kann", sagt der Therapeut.

Diesem hehren Anspruch läuft jedoch häufig der (gegenseitige) Wunsch der Partner entgegen, den anderen umzuformen, nach dem jeweiligen Gusto. Schließlich heiratet man nicht nur seinen Traumpartner, sondern auch ein paar Probleme. Wenn Partner diese Probleme dann irgendwann einmal angehen, "in den Griff bekommen wollen", hat die Ehe schon ihren ersten Knacks. Die Schmidts haben darauf verzichtet. "Ich habe die Zeiten ja miterlebt, wo dieser Mensch Tag für Tag 15, 16 Stunden gearbeitet hat mit einer Verantwortung, die sehr schwer war", erzählte Loki Schmidt. "Diesen Mann zu bitten: Kannst du mir mal den Ascheimer ausleeren: So verrückt bin ich nicht. Es gibt aber Menschen, die ein gepflegtes Beamtendasein geführt haben, die sagen: 'Du hast deinen Mann viel zu sehr verwöhnt.' Ich bin keine emanzipierte Frau. Ich bin eine Frau, und zwar eine eigenständige Frau. Das hat mit der sogenannten Emanzipation nichts zu tun. Bin ich dazu da, meinen Mann zu erziehen? Bestimmt nicht!" Nein, auch die Schmidts waren unterschiedlich und führten dennoch ein erfülltes Eheleben. Weil sie sich nicht gegenseitig ändern wollten, dafür einander respektierten und sich auch so häufig wie möglich zum Lachen brachten.

Auch in der zeitgemäßen Paartherapie hält der (vernünftige) Gedanke Einzug, dass es kontraproduktiv sei, wenn sich Partner ein- oder gegenseitig zu modellieren versuchen. "Es gibt zwei verschiedene Arten, ein Kunstwerk zu erzeugen", sagte Arnold Retzer jüngst der "Frankfurter Allgemeinen": "Bilder entstehen, indem einer leeren Leinwand Farbe hinzugefügt wird. Bei Skulpturen schlägt der Bildhauer überflüssigen Marmor weg. Die Ehe funktioniert nach dem zweiten Prinzip."

Die Vernunft einer Beziehung liegt so offenbar im Weglassen und Verdrängen; etwa der Annahme, Glück ließe sich wie ein Produkt herstellen, dem Glauben, auf Gleichheit und Gerechtigkeit habe man Anspruch, oder gar der Vorstellung, Probleme seien lösbar.

Letzteres betrifft vor allem Verletzungen und Kränkungen, die durch Untreue und Affären hervorgerufen werden und bei denen betroffene Paare immer wieder der hoffnungslos überbewerteten Idee der Gerechtigkeit und des Ausgleichs entgegenstreben: "Aber wie soll beispielsweise der Seitensprung eines Partners wieder gutgemacht werden?", fragt Retzer. "Darf ein gehörnter Ehemann seine Frau nun einmal oder gar mit fünf Frauen betrügen, damit wieder Gleichstand herrscht? Oder ist eine hohe Geldsumme oder ein Geschenk zu leisten, damit man wieder zueinanderfindet?"

Natürlich nicht. Denn Gerechtigkeit sei eine Konstruktion der Mathematik und damit für das Paarleben unbrauchbar, da ein übertriebener Gerechtigkeitsanspruch eher zu Rachefeldzügen als zu einer Intensivierung des Liebesglücks führten.

Vertrautheit ist gut, Vertrauen ist besser

Die Alternative seien altbewährte Verhaltensweisen von erfahrenen Ehepaaren, die einander ihre Fehler unausgesprochen verzeihen und überzogene Ansprüche aufgeben, die man an den anderen hat. So könne es von immensem Vorteil sein, wenn die Partner die Gnade des Vergessens praktizierten und auf unnötige Ratgeberbücher und Therapien verzichteten, da beide sonst verzweifeln würden: Spätestens dann, wenn sie alle dort aufgeführten Dinge im wahren Leben umsetzen wollten.

Und dann gibt es da ja noch dieses Missverständnis über Vertrautheit und Vertrauen. Letzteres, bedingungsloses Vertrauen nämlich, ist weitaus mehr als Vertrautheit. Das empfand auch Loki Schmidt so: "Wie wichtig es ist, dass man dem anderen absolutes Vertrauen schenkt oder weiß, dass einem absolutes Vertrauen entgegengebracht wird, ist etwas, das man vielleicht erst richtig einschätzen kann, wenn man älter ist."