Am Montag startet die Abendblatt-Serie über die Pädagogin, Kanzlergattin und Naturschützerin - Zeitzeugin eines bewegenden Jahrhunderts

Hamburg. "Wenn man mit Loki Schmidt redete, dann war das immer wie ein lebendiger Geschichtsunterricht", sagen viele, die in den vergangenen Jahrzehnten mit der Frau des Altbundeskanzlers intensiver gesprochen haben. Die am Donnerstag Verstorbene hat sich zuletzt mehr und mehr geöffnet und die Menschen teilhaben lassen an ihrem eindrucksvollen Leben, das sich fast über ein Jahrhundert erstreckt hat.

Als Hannelore Glaser im März 1919 in Hamburg das Licht der Welt erblickt, wird vier Monate später mit der Mehrheit von SPD, Zentrum und DDP die Weimarer Verfassung verabschiedet. Im November 1918 hatte die Revolution in der Endphase des Ersten Weltkriegs zum Ende des Kaiserreichs und zur Geburt der ersten deutschen Republik geführt.

Nur zehn Jahre später geriet Deutschland in den Strudel der sich aus dem Zusammenbruch der New Yorker Börse im Oktober 1929 entwickelnden Weltwirtschaftskrise - das Ende der "Goldenen 20er-Jahre". Es gab in allen Industrienationen Unternehmenszusammenbrüche, Deflation und Massen-Arbeitslosigkeit.

Auch Lokis Vater, ein Werftarbeiter, verlor seinen Job und war jahrelang arbeitslos. Ihre Mutter ernährte die Familie als Näherin. Trotz der ärmlichen Verhältnisse auf 28 Quadratmetern in Hammerbrook erlebte sie eine behütete Kindheit. Vater Hermann und Mutter Gertrud vollbrachten trotz spärlicher Mittel das Kunststück, ihren vier Kindern ein stabiles Umfeld zu bieten. Die Kanzlergattin erzählte später immer begeistert Episoden von wunderschönen Jugendjahren. Dabei spielte auch der "Pfefferfresser" eine Rolle. Diesen farbenprächtigen Tukan aus Südamerika hatte der handwerklich wie künstlerisch begabte Vater in der neuen Wohnung in Hamm an die Wand des Kinderzimmers gemalt. Als die Geschwister das Werk erstmals bestaunen durften, lag auf jedem Bett eine Banane. "Die hat euch der Pfefferfresser gebracht", sagte Hermann Glaser. Für jedes Kind eine ganze Banane, das hat Loki zeitlebens nicht vergessen.

Draußen im Lande dagegen wurde es zunehmend ungemütlicher. Die Krise hatte zur Folge, dass 1930 immer mehr Kredite gestrichen und Kapital aus Deutschland abgezogen - und die NSDAP zweitstärkste Partei in Deutschland wurde. Drei Jahre später übernahmen die Nazis die Macht, das Ende der Weimarer Republik und die Umwandlung der Demokratie in eine Diktatur erlebte Loki Schmidt als 13-jähriges Mädchen.

Da kannte sie "ihren" Helmut schon drei Jahre. Ihr Schulfreund, der einen Kopf kleiner war als die kräftige "Loki", die den Spitznamen "Schmeling" trug. Und von dem sie im Stadtpark den ersten Kuss bekam. Sie heirateten mitten im Krieg 1942. Nach dem Feuersturm ein Jahr später mit mehr als 30 000 Toten in Hamburg zog Loki nach Bernau in die Nähe von Berlin, um in der Nähe ihres Mannes zu sein.

Als Deutschland in Trümmern lag, begann der mühsame Wiederaufbau. Mitten im Wirtschaftsaufschwung verloren in Hamburg bei der verheerenden Sturmflut 340 Menschen ihr Leben. Innensenator Helmut Schmidt sorgte resolut für militärische Hilfe. Die Geburtsstunde des "Machers".

Zwölf Jahre später ist Loki Schmidt die Gattin des fünften Bundeskanzlers. Sie ist an seiner Seite, als RAF-Terroristen den Arbeitgeberpräsidenten Hans-Martin Schleyer ermorden und der Deutsche Herbst das Land erschüttert.

Und sie wird zur prominentesten deutschen Naturschützerin, noch bevor mit den Grünen 1983 erstmals eine Umweltpartei in den Bundestag einzog.

Lesen Sie ab Montag die Serie: Loki Schmidt - ein deutsches Leben