Die Polizeigewerkschaft findet sich im Anti-Gewalt-Konzept der Partei komplett wieder. Andreas Dressel sagt: Das ist reiner Zufall!

Hamburg. Handelte die SPD-Bürgerschaftsfraktion nach dem Motto: "Besser gut geklaut als schlecht erfunden"? Das zumindest glaubt der Bund Deutscher Kriminalbeamter (BdK). Gewerkschaftschef André Schulz war nach eigenen Aussagen "bass erstaunt", als er am Donnerstag im Abendblatt Details des SPD-Konzepts gegen Jugendgewalt las. Grund für sein Erstaunen: In dem Eckpunktepapier der Sozialdemokraten hatte André Schulz "in großen Teilen ein Positionspapier des BdK" zum gleichen Thema wiedererkannt, das die Gewerkschaft bereits im Oktober 2009 erarbeitet und veröffentlich hat", sagt der Kripo-Gewerkschafter. Nicht, dass Schulz grundsätzlich böse darüber wäre, dass die Politik die Positionen der Polizeigewerkschaft teile. "Wir begrüßen natürlich, dass die SPD unsere fachliche Arbeit unterstützt und anerkennt und fast 90 Prozent unseres Papiers übernimmt und umsetzen will", sagte Schulz.

Das sei schließlich "ein Zeichen der guten Arbeit" des BdK. Dennoch folgt ein Aber. "Es wäre halt schön gewesen, wenn man uns vorher gefragt hätte und die SPD sich nicht mit fremden Federn schmücken würde", sagt Gewerkschafter Schulz.

Ein Vorwurf, den SPD-Innenpolitiker Andreas Dressel vehement zurückweist. "Das ist reiner Zufall", sagte Dressel dem Abendblatt. "Unser Eckpunktepapier basiert auf unseren eigenen politischen Positionen. Ich habe das BdK-Papier in dem Kontext gar nicht gelesen." Vielmehr sei das vergangene Woche vorgestellte Papier eine "Weiterentwicklung" der eigenen Anträge zum Thema Jugendgewalt, quasi ein "best of" der SPD-Anträge.

Und doch ist eine Überschneidung der beiden Papiere nicht von der Hand zu weisen. So heißt es beispielsweise unter 2.3 im BdK-Papier: "Als Ultima Ratio ist eine Unterbringung in 'Erziehungsinternaten' denkbar; hierzu sind die Familiengerichte frühzeitig über die Gefährdung des Kindeswohls in Kenntnis zu setzen und einzubinden."

Bei der SPD heißt es unter 4. "Wenn die Einhaltung der Schulpflicht nicht anders gewährleistet werden kann, kann in Einzelfällen die gerichtliche Anordnung einer vorübergehenden Unterbringung in einem Internat infrage kommen." Noch deutlicher wird die fachliche Übereinstimmung an anderer Stelle. Beim BdK heißt es: "Die Schulpflicht ist konsequent durchzusetzen." Die SPD überschreibt einen Absatz mit "Schulpflicht konsequent durchsetzen".

Beim Thema Alkohol sind sich beide Seiten erneut einig. Unter 3.5 beim BdK heißt es: "Erfahrungsgemäß werden viele Gewalttaten junger Straftäter unter dem Einfluss von Alkohol und/oder anderen berauschenden Mitteln begangen, die zu einer Enthemmung führen. Der BdK empfiehlt die konsequente Umsetzung des Maßnahmenkonzeptes 'Eindämmung des Alkoholmissbrauchs zur Gewaltprävention und konsequente Durchsetzung des Jugendschutzes und des Gaststättengesetzes'."

Einen Punkt, den auch die SPD so direkt unterschreiben würde. Unter Absatz elf im Eckpunktepapier der SPD heißt es dazu: "In Brennpunktbereichen wird mittlerweile mehr als die Hälfte der Gewalttaten unter Alkoholeinfluss verübt - Alkohol wird damit zu einem Gewaltkatalysator. Der Kampf gegen den Missbrauch von Alkohol muss daher Teil der Bekämpfung von Jugendgewalt sein. Neben einer Verstärkung der Alkoholprävention sind konkrete Maßnahmen zu ergreifen, um den gefährlichen Alkoholmissbrauch in Hamburg zurückzudrängen und dem Jugendschutz zur Durchsetzung zu verhelfen."

Die Liste ließe sich fortsetzen. Zur Entstehung der beiden Papiere können beide Seien klar Auskunft geben. Gewerkschaftschef André Schulz betonte die Bedeutung des Themas "Bekämpfung der Jugendkriminalität" für den BdK. Eine deutschlandweite Arbeitsgruppe beschäftige sich mit dem Thema. Nach einem Dreivierteljahr Arbeit sei als Ergebnis dieser Arbeitsgruppe im Oktober 2009 das Positionspapier entstanden.

Nach Angaben der SPD-Fraktion ist das Eckpunktepapier mit insgesamt 14 Initiativen gegen Jugendgewalt in Hamburg das Ergebnis einer Fachübergreifenden Zusammenarbeit der Fraktion. "Jugend-, Rechts- und Innenpolitiker haben sich zusammengesetzt und sowohl die Versäumnisse des Senats, als auch die Ergebnisse einer Expertenrunde ausgewertet und dies gemeinsam mit eigenen SPD-Anträgen im Papier verarbeitet."

SPD-Politiker Andreas Dressel sieht die Übereinstimmungen gar nicht als großes Problem. Vielmehr wertet er es als ein "gutes Zeichen, dass die fachpolitischen Vorschläge auf einer Linie liegen." Dies erhöhe die Chance, beim Thema Jugendkriminalität "zu besseren Ergebnissen und zu neuen Strategien" zu kommen. "Das sollte uns doch einen", sagte Dressel.