Mit der kleinen Stute Roja kam vor genau drei Wochen niedlicher Nachwuchs bei den seltenen Halbeseln in Hagenbecks Tierpark zur Welt.

Hamburg. Der Vater aus Frankreich, die Mutter aus den Niederlanden. Dass Völkerverständigung dieser Tage nicht nur auf dem grünen Rasen der südafrikanischen Fußballstadien funktioniert (auch wenn Frankreich dafür vielleicht nicht das beste Beispiel ist ...), wurde bei Familie Onager gerade eindrucksvoll bewiesen. Mit der kleinen Stute Roja kam vor genau drei Wochen niedlicher Nachwuchs bei den seltenen Halbeseln in Hagenbecks Tierpark zur Welt. Zwei Tage später wurde ihr mit Halbbruder Navid sogar prompt das passende Spielzeug ins Haus geliefert.

"Als meine Kollegin morgens in den Park kam, war die Kleine schon da", sagt Tierpflegerin Vanessa Kempe (35) über die unkomplizierte nächtliche Geburt Rojas. "Sie folgt ihrer Mutter Shadi seitdem auf Schritt und Tritt." Für die dreijährige Stute ist es das erste Fohlen - wogegen Vater Bento mit 16 Jahren schon auf 14 Jungtiere zurückschauen kann. Alle zeugte er bei Hagenbeck, wie überhaupt die Onager-Geschichte eine echte Hamburger Erfolgsgeschichte ist.

Onager zählen zu den Halbeseln. Das heißt nicht, dass sie eine Kreuzung aus Esel und Pferd sind, auch wenn sie so aussehen. Halbesel sind Wildtiere, die eine eigene Art innerhalb der Pferdeverwandtschaft bilden. Ursprünglich gab es sechs Unterarten, von denen zwei bereits ausgerottet sind: der Anatolische Halbesel und der Syrische Halbesel. Bleiben noch Onager, Kulan, Dschiggetai und Khur, auch wenn die Diskussion unter Wissenschaftlern über die Systematik noch nicht gänzlich beendet ist.

Aber zurück zu Hagenbecks Onagern. 1954 rüstete der Tierpark seine allerletzte Fangexpedition aus, die die ersten dieser Huftiere nach Hamburg und von hier aus in die Welt brachte. In Zusammenarbeit mit iranischen Wissenschaftlern und Helfern zog der Hagenbeck-Beauftragte Arnulf Johannes in die entlegenen Gebirgsebenen mit ihren Salzwüsten im Norden Irans. Vom Jeep aus konnte Johannes elf erwachsene Onager und neun Fohlen fangen, auf die heute noch fast alle in menschlicher Obhut gehaltenen Onager zurückgehen.

Seit der Expedition wurden allein in Hamburg 90 Fohlen geboren. Und doch sieht die Zukunft für Onager nicht rosig aus: Die Zahl im Iran wird auf weniger als 150 erwachsene Tiere geschätzt; damit ist die Unterart als "vom Aussterben bedroht" eingestuft. In Hamburg wächst Roja, die bei ihrer Geburt rund 20 Kilogramm auf die Waage brachte, in einer Herde von acht der bis 1,40 Meter hohen und bis 300 Kilogramm schweren Tiere mit der fahlgelben Färbung auf. "Noch zeigt sie nicht viel Interaktion mit den anderen Tieren, aber dass sie gut bei ihrer Mutter trinkt, ist für uns auch das Wichtigste", sagt Vanessa Kempe. Außer ihren Verwandten wird Roja andere Tiere nur auf die Entfernung sehen: Die genügsamen (im Sommer fressen sie im Tierpark Gras, im Winter Futterrüben), wetterharten und äußerst zähen Tiere sind nämlich auch überaus wehrhaft. "Bento würde am liebsten die benachbarten Trampeltiere weghaben, steht oft am Zaun und droht. Selbst ein Kaninchen würde der jagen", sagt seine Tierpflegerin und lacht. Im Freiland haben nicht einmal Wölfe die Chance, einen Onager zu reißen. "Uns respektieren sie - aber es sind keine Tiere, die man anfassen kann", sagt Kempe. So viel zum Namen Wild esel.

Wenn man die Wüstenbewohner so sieht, würde man das gar nicht vermuten. Genauso wenig wie die Tatsache, dass Onager eine Spitzengeschwindigkeit von 70 Kilometern pro Stunde erreichen können und selbst noch nach 45 Minuten intensiven Rennens ein Tempo von beinah 50 Kilometern pro Stunde halten können. Damit gelten sie als die schnellsten Vertreter der Pferde.

Roja übt vorerst nur die ersten kindlichen Bocksprünge im Gehege. Drei Tage nach ihrer Geburt bekam sie von Zootierarzt Dr. Michael Flügger bereits einen Chip unter die Haut gesetzt, der die Nachverfolgung der seltenen Tiere sichert. Denn irgendwann soll sie in einem anderen Park für Nachkommen sorgen und damit den Artbestand sichern. Das wünscht sich Zoodirektor Dr. Stephan Hering-Hagenbeck, der die Zucht der Onager in Europa über das Europäische Erhaltungszuchtprogramm (EEP) koordiniert. In den Zoologischen Gärten Europas gibt es noch 70 Onager; einige wurden bereits in der Wüste Negev in Israel ausgewildert.

Ach übrigens: Der Name Roja kommt aus dem Persischen und bedeutet "Traum". Und ihren Geburtstag teilt Roja mit Miroslav Klose. Wer träumt da nicht vom WM-Titel ...

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