Wehe, ein anderer Kerl will ihm seine Behausung, eine 750-Milliliter-Sprühflasche, streitig machen! Dann wird die Rückenflosse aufgestellt.

Hamburg. Sein Zuhause ist eine Sprühflasche. Eine 750-Milliliter-Sprühflasche, um genau zu sein, und diese ist Fietes ganzer Stolz. Wehe, ein anderer Kerl will ihm seine Behausung streitig machen! Dann wird blitzschnell die Rückenflosse aufgestellt und dem Kontrahenten notfalls mit einer Tracht Prügel gezeigt, wo das Wasser besonders nass ist. Wenn es um ihre Röhren geht, verstehen Schlammspringer einfach keinen Spaß.

Bei Schlammspringern handelt es sich nicht, wie man eventuell kurzzeitig glauben könnte, um Touristen aus Bottrop in neongemusterten, kunstseidenen Jogginganzügen, die im Nordseewatt an lustigen Ferienwettbewerben ("Wer kann am weitesten in Gummistiefeln?") teilnehmen. Nein, Schlammspringer sind bis zu zehn Zentimeter große Fische, die durch ihr besonderes Verhalten den Eindruck wecken, man werde Zeuge des evolutionären Landgangs der Wirbeltiere; Schlammspringer verbringen viel Zeit an Land.

Fiete ist eines von 15 Exemplaren, die in Hagenbecks Tropen-Aquarium zu sehen sind. Wenn man sich erst einmal eingeguckt hat und den ersten der grau-braun gemusterten Fische entdeckt hat, sieht man sie plötzlich überall: Auf dem steinigen Untergrund, gleich hinter der Wasserkante, auf den Wurzeln der Mangroven oder aber am Eingang einer der Röhren. "Für diese haben wir Sprühflaschen im Untergrund eingelassen", verrät Tierpfleger Reiner Reusch. Und diese, für die Besucher unsichtbar, werden bestens von den Fischen angenommen. In ihrer ursprünglichen Heimat, den Brackwasserbereichen des Indischen Ozeans und des Pazifiks, legen sich Schlammspringer ihre Röhren mit teils mehreren Ausgängen unter Wasser im Schlick an. An die Wände der Röhren heften die Weibchen auch ihre Eier. Bei Ebbe sieht man die Tiere dann fleißig Schlamm aus den Röhren spucken - Hausputz und Entrümplung auf Schlammspringerart. Auch bei Hagenbeck müssen die Fische nicht auf die Gezeiten verzichten: "In dem Becken produzieren wir jeden Tag zweimal Ebbe und zweimal Flut."

Doch wie können die Schlammspringer, die als Grundelverwandte tatsächlich echte Fische und damit Kiemenatmer sind, überhaupt an Land atmen? Reusch: "Sie haben, wenn sie das Meer verlassen, immer eine Wasserblase im Mund, besser gesagt in ihrem erweiterten Kieferraum. Und dadurch können sie weiter über die Kiemen atmen." Von Zeit zu Zeit muss diese Blase jedoch aufgefrischt werden.

Nix da also mit dem Verdacht, es könnte sich doch um Amphibien handeln - auch wenn die großen, recht beweglichen Augen sehr an Frösche erinnern. Wer Fiete auf die Flossen schaut, wird sehen, dass es wirklich welche sind und keine anders gestalteten Extremitäten. Mit den verdickten Brustflossen bewegen sich die Schlammspringer fort (und klettern damit sogar die Mangroven hoch), und das zeitweise Vorschnellen durch Bewegungen ihres Schwanzes brachte ihnen den Namen ein.

Reusch und seine Kollegen füttern die Schlammspringer, die sich ihren Lebensraum mit weiteren Brackwasserarten, den Nagasaki-Fische und und den Argus-Fischen teilen, übrigens mit Muschelfleisch und kleinen Krabben. "Aber sie weiden auch Algen ab", sagt ihr Tierpfleger. Neuerdings bekommen die Ebbe-und-Flut-Junkies dabei exotischen Besuch: Eine der leuchtend grünen Wasseragamen (eine Reptilienart) ist immer wieder mal auf Entdeckungstour in der großen Halle. Reusch: "Das geht bestens, solange sie nicht den Krokodilen vor die Schnauze geraten."

Dass Fiete oder auch - reihum - ein anderes der Schlammspringer-Männchen dabei Wache steht, hat nichts mit den tierischen Ausbrechern zu tun. Auch im Freiland zeigen Schlammspringer dieses Verhalten, um rechtzeitig Reiher zu bemerken.

Sollte Sie übrigens einmal ein Schlammspringer aus wässrigen, verquollenen Augen anschauen, dann ist er nicht etwa untröstlich, weiler beim Wachestehen gepennt und so gerade seine Freunde eingebüßt hat. Vielmehr sind es schlicht die Hauttaschen unter seinen Augen, die ihn so verheult aussehen lassen und die durch einen Flüssigkeitsvorrat seine Augen an Land vor Austrocknung schützen. Etwas, worum ihn sicherlich viele Menschen, die in staubig-trockenen Großraumbüros arbeiten, beneiden werden.

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