Die Harley Days lockten mehr als 75.000 Biker und gut 600.000 Zuschauer an. Zentrum des Geschehens war erstmals der Großmarkt.

Hamburg. Kaum öffnen sich die S-Bahn-Türen, beginnt schon das Spektakel: Überall wuseln Menschen in bunt bestickten Leder- und Jeansjacken herum, schwere Stiefel haben sie an den Füßen und spiegelnde Sonnenbrillen auf der Nase. Von Nahem dröhnen aufheulende Motorengeräusche und wabern gräuliche Abgaswolken heran. Mit jedem Krach, mit jedem Mief gehen die Menschen hier ein Stückchen mehr gen S-Bahn-Ausgang und ihre Mundwinkel ein bisschen mehr nach oben. "Hammerbrook" steht auf dem Stationsschild, an dem die Menschen vorbeitrotten, doch am heutigen Sonntag, da wäre "Harleybrook" wohl passender.

Denn es sind Harley Days - und deshalb bereits seit Freitag mehr als 75.000 Motorradfahrer und über eine halbe Million Schaulustige in Hamburg unterwegs, vor allem am Sonntag, an dem bei der großen Abschlussparade mehr als 10.000 Biker quer durch die Stadt erwartet wurden. Zentrum des Geschehens ist in diesem Jahr erstmals der Großmarkt, auf den die Behörden das traditionelle Biker-Treffen nach einigen Querelen im Vorfeld verlegt hatten; aus Anwohnerschutzgründen durften die Eisenrösser nicht länger auf ihrem Platz an den Arenen im Hamburger Volkspark bleiben.

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Knapp eine Viertelstunde dauert der Fußweg von der S-Bahn-Station zum Großmarktgelände an der Kreuzung von Nagelsweg und Amsinckstraße. Auch wer nicht zum Harley-Fantross zählt, ist schnell von dem angesteckt, was die Kenner der Szene schlicht "das Feeling" nennen. Und was sie auf Nachfrage dann mit Wörtern wie "Freiheit" oder "Vergnügen" beschreiben, manchmal auch mit "volle Lotte Leben".

Einer dieser Kenner ist Claas Hansen. Der 31 Jahre alte Rechtsanwalt aus Tangstedt steht am Eingang des Großmarkts, an dem die Biker aus der Bahn nun gerade angekommen sind. Lässig stützt Hansen sich auf seine Maschine und lässt sich nicht anmerken, wie sehr er in seiner schwarzen Kutte schwitzen muss: Hansen ist im Originalress eines amerikanischen Motorradpolizisten unterwegs, Aufnäher à la "Police Department - City of New York" zieren seine Uniform. "Die Harley Days passen bestens nach Hamburg", findet Hansen, "beides steht für Weltoffenheit." Was eigentlich die Harley unter allen Motorrädern so besonders mache? "Na ja", antwortet Hansen und verliert seine Mimik dabei in einem breiten Grinsen, "es gibt Harleys - und es gibt Joghurtbecher ..."

Dann, auf einmal, muss Claas Hansen sich bereit machen zum Start der großen Parade, bei der er vornweg mitdüst, neben den Schauspielern Tanja Schumann und Till Demtrøder. Eine nach hinten hin scheinbar unendlich lange Blechlawine hat sich jetzt vom Großmarkt-Eingangstor aus angestaut, dicke Helme und breite Nierenschutzgürtel hocken ungeduldig auf den Feuerstühlen und geben unentwegt Gas. Immer wieder bläst ein Hupgetöse zum Marsch. Die Luft ist sprit- und lärmgeschwängert.

Dann geht's auf einmal los: Eine Maschine nach der nächsten knattert in die Stadt hinein, Pickelhauben, Hirschgeweihe und Fuchsfelle haben dabei einige kostümierte Biker auf, einer trägt gar ein ganzes Clownskostüm - die Parade, sie gleicht bisweilen einem Karnevalsumzug. Einem internationalen, wohlgemerkt: Die Kennzeichen kommen aus Schweden und Spanien, Frankreich und Finnland, selbst ein saudi-arabisches ist dabei. Währenddessen winken die Zuschauer und schwenken Rasseln und Fähnchen, rufen und lachen. Manch ein mutiger Motorradfahrer vermag es bei so viel Anfeuerung gar, sein Bike in Schräglage und den Sozius dadurch zum Fliegen zu bringen. Warum sie so freudig am Streckenrand stehen? "Weil die Stimmung hier einfach ...", schreien Waltraud, 66, und Hans-Werner Berger, 68, aus Celle, gegen die fast übermächtige Geräuschkulisse an. "... Hammergeil ist!", vollenden die danebenstehenden Tim, 23, und Jan Wallring, 21, aus Duvenstedt den Satz. Die vier Motor-Fans sind sich einig: "Die Harley Days sind ein tolles Ereignis, Ausdruck eines Lebensgefühls!"

Ganz anderer Meinung sind Linda Stein, 26, und Maike Bender, 27, aus Billwerder, die vor dem Großmarkt zu Fuß unterwegs sind und argwöhnisch darauf achten, nicht unter die Räder zu kommen: "Motorräder machen doch nur Lärm und Dreck", ereifern sich die Frauen und verschwinden in der Masse aus Leuten mit Totenkopf-Tattoos und "Leise ist Scheiße"-T-Shirts.

Während nun die ersten Parade-Biker wie etwa Claas Hansen schon über Reeperbahn und Köhlbrandbrücke jagen und demzufolge bald schon wieder zum Großmarkt zurückkehren müssten, brausen von hier noch immer neue Fahrer überhaupt erst los. Noch dürfte es also einige Stunden dauern, bis es später heißt: Aus "Harleybrook" wird wieder Hammerbrook, gefahren wird nun wieder Bahn statt Bike.