Bezirke ließen kranke und zu hohe Stämme abholzen. Umweltschützer warnen vor Raubbau an der Natur. Bezirke weisen die Kritik zurück.

Hamburg. Neue Sichtachsen in den öffentlichen Parks, von Pilzen befallene Bäume, Sträucher, die zu hoch wachsen: Während der offiziellen Fällsaison zwischen dem 1. Oktober und dem 1. März sind noch in den vergangenen Tagen an etlichen Stellen der Stadt die Männer mit den Motorsägen unterwegs gewesen. Gelegentlich zum Entsetzen mancher Spaziergänger: Vom "Raubbau an der Natur" spricht die Initiative Stadtnatur. Doch die Bezirke weisen die Kritik zurück. Vielfach diene das Fällen vor allem der Verkehrssicherheit oder dem Schutz anderer Bäume. Das Abendblatt hat mehrere Beispiele zusammengestellt:

Planten un Blomen: Dort sind jetzt 58 von 590 Bäumen mit einem Stammdurchmesser von mehr als 20 Zentimetern im Alten Botanischen Garten (zwischen Dammtorbahnhof und Gorch-Fock-Wall) der Kettensäge zum Opfer gefallen. "Es geht darum, den ursprünglichen Zustand des historischen Gartens wiederherzustellen", sagt Lars Schmidt-von Koss, Sprecher des Bezirksamts Mitte. "Wertvolle" Bäume wie Rot- und Hainbuchen, Ahorn, Weiden, Eschen und Erlen sollen durch das Fällen vor Gehölzen geschützt werden, die nicht zum ursprünglichen Bewuchs des Parks gehören. Es gehe darum "alte wertvolle, weil seltene Bäume, frei zu stellen, ehe sie von ordinären Gehölzen verdrängt werden".

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Ufer der Außenalster in Hohenfelde: Drei alte Bäume wurden hier gefällt. Eine Parkbank mit Alsterblick, die in Höhe Sechslingspforte unter drei malerischen Weiden zum Verweilen einlud, steht nun neben großen Baumstümpfen. Nach Auskunft des Bezirksamts Hamburg-Nord mussten die Bäume aus Sicherheitsgründen gefällt werden. "Die Weiden waren schon sehr alt, ihre Stämme eingerissen und an Stamm und Baumfuß von Pilz befallen", sagt Sprecher Peter Hansen. Weidenbohrer heißt der Schädling, der dazu führte, dass die Bäume abgesägt werden mussten. Im Herbst sollen neben der Bank drei neue Weiden gepflanzt werden.

Ufer der Außenalster in St. Georg: Hier war wieder der Bezirk Mitte aktiv. In Höhe der Gurlitt-Insel fällten Bezirksmitarbeiter drei Pappeln und ließen etliche Sträucher "rückschneiden". "Es handelte sich dabei um alte Bäume, die durch herabstürzende Äste ein Sicherheitsrisiko darstellten", sagt Bezirkssprecher Schmidt-von Koss. Die Pappeln sollen allerdings nachgepflanzt werden. Und die "gestutzten" Kleinsträucher wüchsen überdies rasch wieder nach.

Heinepark: Da das Haus an der Elbchaussee 33 im Heinepark von der Saga abgerissen wurde, seien dort die Pflanzungen und Zäune auf dem Grundstück entfernt worden, teilt der Bezirk Altona mit. Vor allem, um die Fläche "optisch wieder in den Park zu integrieren".

Rund um den Hindenburgpark: Hier gab es dem Bezirksamt Altona zufolge mehrere Baumfällaktionen. So auf einer öffentlichen Fläche im Bereich Hans-Leip-Ufer sowie vom Amt genehmigte Baumfällungen auf privatem Grund an der Elbchaussee 269 und 271 (insgesamt sieben Bäume).

Jenischpark: Zur Herstellung der Verkehrssicherheit wurde eine Hängebuche neben dem Jenischhaus gefällt. Eine Nachpflanzung sei zurzeit mit der Denkmalpflege "in Klärung", heißt es im Bezirksamt Altona.

Köhlbrandtreppe: Das Bezirksamt Altona spricht von einer Gefährdung der Verkehrssicherheit: Eine große und prägende Pappel im Bereich der Köhlbrandtreppe in Altona-Altstadt wurde dort gefällt, weil sie vom Brandkrustenpilz befallen war. In diesem Bereich würden noch weitere Bäume gefällt werden müssen.

Die Initiative Pro Stadtnatur wertet solche Fällaktionen unterdessen als "Massenabholzungen, Kahlschlag und Verwüstungen". Gerade an der Alster seien sie weiterer Beleg für die "gesetzwidrige Ausräumung der Ufervegetation" in den Hamburger Bezirken, sagt Harald Duchrow, Sprecher der Initiative. So habe der Bezirk Eimsbüttel bereits in früheren Jahren die Uferböschung des Harvestehuder Alstervorlandes "vollständig kahl geschoren" und verhindere seitdem "gnadenlos" jedes Aufkeimen von Ufergehölzen. Unter dem irreführenden Motto "Qualitätsoffensive Freiraum" treibe Hamburg Raubbau an der Natur. "Da sitzen in den Verwaltungen etliche Kurzrasen-Liebhaber, denen wucherndes Grün nicht ins Konzept passt", sagt Duchrow. Dabei stehe das Ufergehölz für biologische Vielfalt, sei ein Lebensraum - etwa von Vögeln - und habe einen positiven Einfluss auf das Stadtklima.

Ganz so drastisch sieht die renommierte Naturschutzorganisation BUND die Sache nicht: Wenn derzeit gerade in den öffentlichen Grünanlagen wieder mehr die Park-Architekten die Gestaltung bestimmten, sei dagegen im Grunde nicht viel zu sagen, sagt Paul Schmid, BUND-Sprecher in Hamburg. Allerdings müsse dann dafür gesorgt werden, dass es Nachpflanzungen gebe. So habe Hamburg in den vergangenen Jahren allein bei den öffentlichen Straßenbäumen jährlich einen "Netto-Verlust" von bis zu 2000 Bäumen erlebt.

Erst mit der städtischen Pflanz-Aktion 2010, "Mein Baum, meine Stadt" sei es erstmals wieder zu einem Ausgleich gekommen. "Dieses Programm muss daher fortgesetzt werden", fordert der BUND-Sprecher. Von einem baumfreien Stadtbild ist Hamburg aber weit entfernt: Es gibt gut 230 000 Straßenbäume, 600 000 in den Parks und Hunderttausende in privaten Gärten.