Das Grün für die Aktion “Mein Baum - meine Stadt“ muss auf Problemböden und Abgase vorbereitet werden. 2500 Bäume sollen ersetzt werden.

Hamburg. Er mag es grün. Schon berufsbedingt. Gerhard Doobe ist bei der Umweltbehörde für Landschafts- und Grünplanung zuständig und so etwas wie Hamburgs Baumpapst. Sein Metier sind die Bäume der Stadt. Und das ist komplex. "Straßen sind Extremstandorte. Kein Baum würde es sich freiwillig aussuchen, an einer Straße zu stehen." Giftige Autoabgase statt frischer Luft, Asphalt und Beton statt weichen, nährstoffreichen Waldbodens. An vielen Stellen gibt es nicht einmal mehr Regenwürmer. "Dazu kommt, dass die Städte den Klimawandel vorwegnehmen", sagt der 56-Jährige. "Die Anforderungen an diese Bäume sind sehr hoch."

Was ein richtiger Straßenbaum werden will, muss also besondere Qualitäten aufweisen. Einfach mal in den Wald gehen, Baum ausbuddeln und einpflanzen, das funktioniert nicht. Schon gar nicht, wenn es um die größte Pflanzaktion geht, die seit Jahren in Hamburg gestartet wurde. In knapp einem Monat geht es los. Unter dem Motto "Mein Baum - Meine Stadt" sollen im Jahr der Umwelthauptstadt 2500 Lücken im Straßenbaumbestand gefüllt werden, die nach dem Fällen von kranken und alten Bäumen entstanden sind. Denn: Straßenbäume leisten richtig etwas für die Umwelt. Durchschnittlich 1,5 Tonnen Kohlendioxid schluckt ein ausgewachsener Baum pro Jahr, bei 2500 Bäumen werden Hamburg etwa 3750 Tonnen des Treibhausgases erspart. Die Stadt selbst stellt zwei Millionen Euro für 2011 Bäume zur Verfügung, parallel dazu sind die Bürger zu Spenden aufgerufen. Das ganze Projekt, sagt Doobe, "ist eine gigantische Herausforderung". Es geht nicht nur um viele neue Bäume, sondern auch um viel Geld. Um zu verstehen, warum das so ist, muss man dahin gehen, wo die Straßenbäume herkommen - in die Baumschule.

+++ "Mein Baum - meine Stadt" sucht Paten für Pflanzaktion +++

+++ So werden Sie Baumpate +++

Hochgewachsen und schlank mit lichter Blätterkrone stehen sie dicht an dicht in Reihen. Tilia tomentosa "Brabant", zu Deutsch Silberlinde. Insgesamt 500. Wohlwollend lässt Gerhard Doobe den Blick über die DIN-genormten Spaliere schweifen. Gemeinsam mit Geschäftsführer Bernhard von Ehren ist er auf dem 500-Hektar-Gelände der traditionsreichen Baumschule von Ehren in und um Marmstorf unterwegs, um sich einen Überblick zu verschaffen. "Wir brauchen Bäume, die sich mit nicht allzu großem Aufwand in Städten pflanzen lassen", sagt Doobe. Und die ins Stadtbild passen. Die Stileiche zum Beispiel, Hainbuche, Kastanie, Spitzahorn, Platane und in Zeiten des Klimawandels zunehmend neue Sorten wie Ginkgo, Amberbaum, Feldahorn oder eben Silberlinden. Widerstandsfähigkeit ist das oberste Gebot. "Bei der Auswahl für uns ist entscheidend, dass der Baum bei der Pflanzung einen Stammumfang von etwa 20 Zentimetern hat, einen geraden Stamm und eine klar strukturierte Krone", sagt Hamburgs oberster Baum-Verwalter.

Das hört sich auf den ersten Blick nicht übermäßig schwierig an. Tatsächlich braucht ein Baum aber zehn Jahre, um diese Kriterien zu erfüllen - und jede Menge Training. Schule eben, fast im Wortsinn. "Wir machen das, indem wir die Bäume verpflanzen", erklärt Bernhard von Ehren. Weil sich ein Baum immer wieder an eine neue Umgebung gewöhnen muss, bildet er viele Faserwurzeln und einen kompakten Wurzelballen. "Wir setzen sie quasi unter Dauerstress", erklärt der Baumschul-Inhaber. Mindestens dreimal muss ein Baum verpflanzt oder - im Fachjargon - verschult sein, bevor er in Hamburg an die Straße darf. Denn neben versiegelten Böden, giftigen Stickoxiden und klimatischen Zumutungen stoßen die Straßenbäume auch unter der Erde immer wieder an ihre Grenzen, wenn etwa Leitungen die Ausbreitung der Wurzeln behindern. "Das überstehen nur Bäume, die darauf vorbereitet sind."

Eine weitere Zielvorgabe lautet: Äste dürfen erst in einer Höhe von 4,50 Metern ansetzen, damit sie den Verkehr mit Bussen und Lastwagen nicht behindern. Deshalb werden schon bei den jungen Bäumchen die unteren Äste immer wieder abgenommen. "Wichtig ist, dass das Aufasten fachgerecht und schonend passiert, damit die ,Wunden' gut verheilen und die Rinde gegen spätere Verletzungen gewappnet ist", sagt der studierte Biologe. Das ist viel Arbeit, 300 Euro kostet ein angehender Alleebaum im Schnitt. Das ist nicht wenig. "Aber stellen Sie sich vor, was los wäre, wenn die Bäume, die wir jetzt in der Aktion ,Mein Baum - Meine Stadt' pflanzen, in ein paar Jahren krank werden und sterben." Deshalb wird in den nächsten Wochen auch ein unabhängiger Gutachter in den Baumschulen unterwegs sein, um die bestellten Bäume zu prüfen.

Doch damit ist es noch nicht getan. Mindestens doppelt so viel wie der Baum kostet die Vorbereitung der Pflanzgruben. Zunächst muss an allen Lücken untersucht werden, ob sich an der Stelle Munition aus dem Zweiten Weltkrieg befindet. Danach wird die etwa zwei Kubikmeter große Pflanzgrube ausgehoben und mit speziellen Pflanzsubstraten, die unter anderem Lava, Bims und Sand enthalten, aufgefüllt werden. "Wir versenken viel Geld im Boden. Aber normale Erde würde sich bei den ständigen Belastungen durch den Autoverkehr sofort verdichten und hart wie Beton werden", erklärt Doobe. Manchmal muss sogar noch eine Tiefenbelüftung gelegt, auf jeden Fall aber Baumpfähle und Baumschutzbügel gesetzt werden - erst dann kommt der Baum. "Heutige Straßenbäume", sagt der Baum-Fachmann, "sind im Grunde genommen Topfpflanzen." Etwas ernüchternd und ziemlich aufwendig hört sich das an. "Aber Grün ist wichtig für die Stadt." Gerade Hamburg profitiere von seinen 250 000 Straßenbäumen. "Sie erhöhen den Wohlfühlfaktor."