Premiere für Olaf Scholz. Ehrengast Barroso sagte, Hamburg habe “als dynamische Stadt eine große Bedeutung für die Wirtschaft in der EU“.

Altstadt. Das strenge Zeremoniell und die Vorgaben des Protokolls können auch dem routiniertesten Besucher, der sonst sicher über das internationale Parkett eilt, Respekt einflößen. So wird es auch den meisten der 380 hochkarätigen Gäste am Freitagabend im Großen Festsaal des Rathauses gegangen sein - strahlt das Matthiae-Mahl, das älteste noch begangene Festmahl der Welt (seit 1356), doch eine besondere Aura aus. Es war eine besondere Stimmung, als die in Smoking oder Abendrobe gekleideten Gäste über den roten Läufer schritten und sich dem Blitzlicht stellten.

Die meisten Damen trugen schwarz, doch Katharina Fegebank (GAL) hatte ein kleidsames Violett gewählt, Uwe Seelers Ehefrau Ilka und Ehrenbürgerin Hannelore Greve hatten sich für Pailletten entschieden.

Die Ehrengäste, EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso und Deutsche-Bank-Vorstand Jürgen Fitschen, erschienen im Smoking. Für beide war das Mahl, das bis nach Mitternacht dauerte, fast ein Heimspiel. Denn auch wenn es für Barroso das erste Mal war, erinnert ihn das maritime Ambiente Hamburgs an seine Heimat. Der Portugiese, der Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) mit einem Lächeln auf dem Spiegel des Rathauses begrüßte, stammt aus Lissabon, der stolzen Hafenstadt, die im 14. und 15. Jahrhundert wahrlich Europas Tor zur Welt war.

Der 55-Jährige hatte den Ausflug auch zur Besichtigung der Baustelle der Elbphilharmonie genutzt. Das Bauwerk beeindruckte ihn: "Ich bin mir sicher, am Ende werden die Hamburger sehr stolz auf die Elbphilharmonie sein." In seiner Rede ("Ein stärkeres Europa in stürmischen Zeiten") sagte Barroso: "Ich kenne Hamburg schon ein bisschen. Und so weiß ich, dass Hamburg nicht nur stets einen guten Bürgermeister und einen großen Hafen zu bieten hat, sondern auch sprachliche Spezialitäten. Sie gestatten bitte, dass ich ab jetzt auf Englisch zu Ihnen spreche. Das fällt mir leichter, und das scharfe Hamburgische 'st' findet sich ja auch im Englischen."


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Er zitierte aus einem Gedicht des Hamburger Autors Wolfgang Borchert: "In Hamburg kann die Nacht nicht süße Melodien summen mit Nachtigallentönen, sie weiß, dass uns das Lied der Schiffssirenen, die aus dem Hafen stadtwärts brummen, genau so selig macht." Barroso glaube, dies sei "eine gute Inspiration für uns in dieser Krise". Und weiter: "Hamburg möge diese Inspiration nutzen - als Deutschlands Tor zur Welt und also als eines von Europas Toren zur Welt." Hamburg sei eine dynamische Stadt, die viel für Europas Wirtschaft mache.

Jürgen Fitschen, der zweite Ehrengast und Mitglied des Vorstands der Deutschen Bank AG, reiste aus Frankfurt an, kennt sich in Hamburg aber bestens aus. Hier machte der gebürtige Niedersachse aus Hollenbeck im Landkreis Stade seine ersten beruflichen Schritte, nachdem er von 1971 bis 1975 an der Universität Hamburg Wirtschaftswissenschaften studiert und sich bei der Citibank Hamburg seine ersten Sporen verdient hatte. Vielleicht hörten Barroso und Fitschen besonders gut zu, als geübte Matthiae-Mahl-Gänger erzählten, wie sie sich auf den Abend vorbereitet hatten: "Ich habe heute kein Mittag gegessen", sagte Altbürgermeister Klaus von Dohnanyi (SPD). Diesen Trick kennt auch Olaf Scholz, dennoch war es eine Premiere für ihn. Zum ersten Mal war er Gastgeber.

In seiner Rede betonte der Bürgermeister - nachdem er dem Ehrenbürger und Ballettchef John Neumeier zum 70. Geburtstag gratuliert hatte - die Bedeutung Europas für die "europäische Hauptstadt" Hamburg. "Große Verkehrsprojekte gibt es, mit denen wir unsere Anbindung in Europa verbessern wollen - die Elbvertiefung etwa und den Ausbau der Transeuropäischen Verkehrsnetze."

Scholz betonte auch die Notwendigkeit, anderen EU-Mitgliedern in der Euro-Krise zu helfen. Zur Energiewende sagte er: "Was den Strommix in Deutschland betrifft, müssen wir in den kommenden Jahren sehr dicke Bretter bohren, um den Atomausstieg auch wirklich zu realisieren. Wir setzen vor allem auf die Windenergie."

Auf dem Jungfernstieg hatten sich am Nachmittag mehr als 100 Menschen versammelt, um gegen das Festessen zu protestieren: "Mit den rund 88 000 Euro, die das Matthiae-Mahl für fast 400 Gäste kostet, könnten knapp 30 000 Kinder eine kostenlose warme Mahlzeit bekommen", sagte Ljana Zár von Attac.