Die FDP fordert neues Konzept für Radarfallen in der Hansestadt. Hamburg nimmt 40 Prozent der Bußgelder an Hauptverkehrsstraßen ein.

Hamburg. Fast eine halbe Million Mal - genau 470.199-mal - hat es allein im Jahr 2010 auf Hamburgs Straßen geblitzt. Geschwindigkeitsüberschreitungen gehören zum Alltag im Verkehr der Hansestadt - und sind zudem mit 4193 Fällen im Jahr 2011 die dritthäufigste Unfallursache. 2010 kamen dabei sogar neun Menschen in Hamburg ums Leben. Für die Polizei gilt der Grundsatz, das Tempo besonders an Schulen, Kindergärten, Seniorenheimen und an Unfallschwerpunkten zu kontrollieren.

Aus der Senatsantwort auf eine Anfrage des FDP-Verkehrsexperten Wieland Schinnenburg geht nun hervor, dass bis auf eine Ausnahme alle 20 stationären Anlagen in Hamburg nicht im unmittelbaren Umfeld dieser besonders schützenswerten Orte aufgestellt sind, sondern an mehrspurigen Straßen, an denen fast 40 Prozent der Bußgelder aus Geschwindigkeitsüberwachungen eingenommen werden. In einem Antrag, der am Mittwoch in die Bürgerschaft eingebracht werden soll, fordert die Fraktion ein neues Konzept für Tempokontrollen.

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"Die FDP-Fraktion fordert den Senat auf, die stationären Blitzer ab sofort dort aufzustellen, wo es dem Menschen am meisten nutzt, also vor Kitas, Schulen und Seniorenheimen", sagt Schinnenburg, "und nicht dort, wo er am meisten Geld einnehmen kann." Im Jahr 2011 hat die Stadt Hamburg 14 331 980 Euro eingenommen, davon 5 510 258 Euro mit stationären Blitzanlagen. Schinnenburg geht davon aus, dass Autofahrer auf mehrspurigen Straßen eher dazu geneigt sind, mit überhöhter Geschwindigkeit zu fahren. Dort würden jedoch nicht die Unfälle durch dieses Fehlverhalten verursacht, sondern sie hätten größtenteils andere Ursachen, wie Fehler beim Einfädeln oder zu dichtes Auffahren. Die Blitzgeräte seien deshalb im Sinne der Verkehrssicherheit falsch stationiert.

Verantwortlich für Verkehrskontrollen mit mobilen Geräten sind die Verkehrsdirektionen, die 13 mobile Geräte im gesamten Stadtgebiet einsetzen. Zudem betreibt die Polizei 31 Handlasergeräte, die besonders in Tempo-30-Zonen und im Umfeld von schützenswerten Orten genutzt werden. 2291 Kontrollen wurden 2010 an Unfallhäufungsstrecken durchgeführt, 1876 an Schulen, Kitas und Seniorenheimen.

Auch die Auswahl der Kontrollstellen wird zentral von den Verkehrsdirektionen getroffen. "Diese Entscheidungen liegen den Erfahrungswerten der Beamten der Wachen zugrunde, die wissen, wann und wo Kontrollen in ihrem Zuständigkeitsbereich angebracht sind", sagt eine Polizeisprecherin. 20 Prozent der Kontrollen fänden zusätzlich an anderen Stellen in Hamburg statt, um einen Überraschungseffekt zu nutzen und die Autofahrer dazu zu bringen, sich an die Geschwindigkeiten zu halten. "Auch Beschwerden seitens der Bevölkerung können ein Grund für Kontrollen sein", sagt die Sprecherin.

Die Standorte für die stationären Blitzanlagen werden laut Polizei jährlich auf ihre Nützlichkeit geprüft. Kriterien sind hierbei die Unfallhäufigkeit und die Fallzahlen der Geschwindigkeitsüberschreitungen. Im Zeitraum von 2008 bis 2010 konnte die Polizei feststellen, dass an folgenden Standorten viele Unfälle durch Geschwindigkeitsüberschreitungen zu verzeichnen waren: Am Braamkamp, am Jahnring, an der Kollaustraße, an der Osdorfer Landstraße und an der Robert-Schumann-Brücke. Zwei neue Blitzanlagen wurden am Cranzer Hauptdeich und an der Eiffestraße aufgestellt. Die Gründe: In Cranz sei es laut Polizei vermehrt zu Unfällen gekommen, an der Eiffestraße wurde die Geschwindigkeit von vielen Autofahrern stark überschritten.

Auch die Innenbehörde bestätigt, dass Standorte der stationären Blitzanlagen auf viele Kriterien überprüft werden würden. Bei neuen Anlagen müsse man zudem für Anschaffung und Installation pro Standort mit Kosten von etwa 100 000 Euro rechnen. "Diese Geräte sind mit der neuesten Technik ausgestattet und sehr robust", sagt Frank Reschreiter, Sprecher der Innenbehörde. "Auch die alten Geräte werden nach und nach mit der neuen Lasertechnik ausgerüstet."

ADAC-Sprecher Matthias Schmitting kritisiert den Vorwurf, mit den Kontrollen an viel befahrenen Straßen würde man die Autofahrer "abzocken". "Geschwindigkeitskontrollen haben überall ihre Berechtigung, wenn im Hamburger Stadtverkehr zu schnell gefahren wird", sagt der Verkehrsexperte. "Und dann ist da wieder die Frage nach der Henne und dem Ei: Warum sollte man Blitzer abschaffen, nur weil viele Autofahrer an gewissen Orten zu schnell fahren und dadurch Geld eingenommen wird?"

Jeder Autofahrer habe es schließlich selbst in der Hand, ob er sich in der Hansestadt an die Richtgeschwindigkeit hält oder eben mit einem Bußgeld rechnen muss, wenn er diese überschreitet. Zudem sei eine funktionierende Verkehrsinfrastruktur in der Hansestadt für Fußgänger, Fahrrad- und Autofahrer ohne Kontrollen nicht möglich.