Berlin/Braunschweig. Der Verbraucherzentrale Bundesverband klagt stellvertretend für Tausende Dieselfahrer gegen VW. Der Konzern soll Schadenersatz zahlen.

Volkswagen sieht sich nach dem Diesel-Skandal nun einer Sammelklage von Zehntausenden VW-Fahrern gegenüber. Der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) brachte am Donnerstag die erste Musterfeststellungsklage gegen den Autobauer ein. Sammelklagen dieser Art können erst seit Donnerstag eingereicht werden und waren erst vor kurzem von der Bundesregierung möglich gemacht worden.

„Volkswagen hat betrogen und schuldet geschädigten Verbraucherinnen und Verbrauchern dafür Schadenersatz“, sagte vzbv-Vorstand Klaus Müller am Donnerstag. Laut Verband ging die Klage schon in der Nacht zum Donnerstag per Fax ans Oberlandesgericht Braunschweig. Gegen 2 Uhr sollen die mehr als 240 Seiten beim Gericht eingegangen sein – nach 40 Minuten Übertragungszeit.

Dank der Musterfeststellungsklage können Verbraucherschützer stellvertretend für viele Betroffene gegen Unternehmen klagen. Die Verbraucher selbst tragen dabei kein finanzielles Risiko. In diesem Fall soll die Klage erreichen, dass betroffene Dieselfahrer für den Wertverlust ihrer Autos entschädigt werden, den der Abgas-Skandal und der Rückruf von VW mit sich gebracht haben. Bestenfalls sollen sie den Kaufpreis erstattet bekommen, sagte Klaus Müller.

ADAC rechnet mit Mitte November mit Eröffnung des Verfahrens

Klaus Müller, Vorstand des Verbraucherzentrale Bundesverbands.
Klaus Müller, Vorstand des Verbraucherzentrale Bundesverbands. © dpa | Monika Skolimowska

Im September 2015 hatte VW Manipulationen an Dieselmotoren einräumen müssen. US-Umweltbehörden hatten festgestellt, dass nur bei Tests die Abgasreinigung voll aktiviert war, während der Ausstoß auf der Straße viel höher lag. Vom daraus folgenden Pflichtrückruf bei Volkswagen sind 2,5 Millionen Autos betroffen.

Betroffene können sich nun der Musterklage anschließen, wenn sie nicht schon allein vor Gericht gezogen sind. Die Anwälte des vzbv rechnen damit, dass sich mehrere Zehntausend Dieselfahrer anschließen. Laut ADAC, der die Klage zusammen mit den Verbraucherschützern organisiert hat, wird das Verfahren voraussichtlich Mitte November beim Bundesamt für Justiz eröffnet.

Volkswagen rechnet nicht damit, dass die Klage Erfolg haben wird. Kunden in Deutschland hätten trotz der „Umschaltlogik“ – also der im Dieselskandal aufgeflogenen Abschalteinrichtung der Abgasreinigung – keine Ansprüche, erklärte der Branchenprimus. Die Fahrzeuge seien genehmigt, technisch sicher und fahrbereit.

Dieselfahrer müssten Ansprüche nach Musterprozess selbst durchsetzen

Derzeit sind nach VW-Angaben 26.600 Verfahren von Kunden mit einem Schummel-Diesel anhängig, rund 7400 Urteile seien bisher ergangen. An Landesgerichten blieben die Klagen laut VW überwiegend erfolglos. Während Kläger-Anwälte dem Konzern vorwerfen, spätestens auf der Ebene der Oberlandesgerichte den Vergleich zu suchen, betonte VW, die Zahl der Vergleiche sei relativ gering. Die genaue Zahl wollte Volkswagen aber nicht nennen.

„Autofahrer wurden von Volkswagen lange genug hingehalten. Jetzt reicht’s“, sagte Müller. Gewinnen die Verbraucherzentralen den Musterprozess, müssen die Dieselfahrer die Höhe des Schadenersatzes selbst durchsetzen und dafür womöglich noch einmal vor Gericht.

Verbraucherministerin Katarina Barley (SPD) hält es jedoch für möglich, dass VW in diesem Fall zu Entschädigungen bereit sei. Wenn geklärt sei, dass es einen Anspruch auf Schadenersatz gebe, werde sich das beklagte Unternehmen „sehr gut überlegen, ob es sich überhaupt noch von jedem einzelnen Geschädigten verklagen lässt oder ob es nunmehr schnell, einfach und fair entschädigt“, sagte sie.

(dpa/ba)