Berlin. Der Ausbruch der Finanzkrise ist zehn Jahre her. Kosten, die daraus entstanden, waren bislang weitgehend unbekannt. Nun gibt es Zahlen.

An diesem Sonnabend ist es zehn Jahre her, dass die amerikanische Investmentbank Lehman Brothers Insolvenz beantragen musste. In der sich daraus entwickelnden Finanzkrise kamen auch deutsche Banken unter Druck, die von der Bundesregierung gestützt werden mussten. Die Kosten, die in diesem Zusammenhang entstanden, waren bislang weitgehend unbekannt. Jedenfalls wurden sie bisher nicht in einer Art Bilanz zusammengerechnet.

Diese Aufgabe hat nun der Grünen-Bundestagsabgeordnete und Finanzexperte Gerhard Schick übernommen. Schick hatte eine parlamentarische Anfrage an die Bundesregierung gestellt und hat nun die „unübersichtlichen Tabellen“ und „lückenhaften“ Informationen zusammengetragen und ausgewertet.

Kosten für Entlassungen noch nicht erhalten

Ergebnis: Die Bankenrettung hat den Staat bislang 59 Milliarden Euro gekostet, so Schicks vorläufiges Fazit. Die Summe umfasst Garantien, Kredite und Kapitalspritzen, die staatliche Stellen bis Ende 2017 zur Verfügung stellten.

Da die Hilfen noch nicht abgeschlossen seien, könnten die Verluste nach Angaben von Schick auf mehr als 68 Milliarden Euro steigen. Damit müsse jeder Bundesbürger rund 820 Euro übernehmen, hat Schick ausgerechnet. Noch etwas griffiger formuliert: „Eine vierköpfige Familie hat mehr als 3000 Euro für die Pleitebanken bezahlt“, sagt Schick. Umgekehrt hat der Staat aber auch profitiert, denn die Regierung konnte sich am Kapitalmarkt quasi zum Nulltarif Geld leihen.

In den genannten Summen noch nicht enthalten seien die Kosten für Entlassungen bei Unternehmen, die Kosten für staatliche Konjunkturpakete, die Eurokrise und ihre Konsequenzen: niedrige Zinsen, Probleme bei der Altersvorsorge, steigende Immobilienpreise und steigende Mieten.

„Die Bankenkrise in Deutschland ist noch nicht vorbei“, sagte Schick der „Süddeutschen Zeitung“, die über seine Anfrage berichtet hat. Schick, der den Bundestag verlassen und die außerparlamentarische Bewegung „Finanzwende“ gründen will, sprach von einer verheerenden Bilanz.

Vor allem Landesbanken gerettet

Schick wirft Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) vor, zu wenig getan zu haben, um solche Finanzkrisen auch künftig zu vermeiden. „Was 2008 als Bankenkrise begann, wurde rasant zur Eurokrise. Statt die Krise grundlegend zu lösen, haben die Bundesregierungen unter Angela Merkel immer nur die Symptome bekämpft“, sagte Schick am Donnerstag.

Merkel und ihre Regierungen hätten sich ins Klein-Klein ineffizienter Regulierung gestürzt, statt die Krisenursachen zu beheben: „Die Bundesregierung ist im Zweifel der Finanzlobby gefolgt, statt die Finanzwirtschaft endlich in den Dienst der Gesellschaft zu stellen“, kritisiert der Finanzexperte. Beim nächsten Crash werde Deutschland „wieder mittendrin“ sein.

Auch Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) handele falsch: „Statt Konsequenzen zu ziehen, sinniert ein sozialdemokratischer Finanzminister wieder über deutsche Großbanken“, so Schick. Er fordert eine härtere Schuldenbremse für Geldinstitute: „Bei einer Pleite großer Banken müsste immer noch der Steuerzahler einspringen, damit nicht das ganze System zusammenbricht.“

Weder die Unionsparteien, noch SPD oder FDP hätten ein Interesse an einer echten Aufarbeitung der Krise gezeigt. Konsequenzen für die Regulierung des Finanzsektors und die Aufsichtsbehörden seien ausgeblieben.

Zu den in der Finanzkrise geretteten Banken gehören vor allem Landesbanken. Aber auch Sparkassen und ihre Verbände mussten gestützt werden. Am spektakulärsten und teuersten war die Rettung der Hypo Real Estate. Unterstützung brauchten auch die IKB und die Commerzbank, an der der Staat noch immer mit 15 Prozent beteiligt ist.