Frankfurt/Brüssel. Die Rettung zweier italienischer Banken kostet Steuerzahler bis zu 17 Milliarden Euro. EU-Politiker stellen Einlagensicherung infrage.

Aufatmen in Italien, Wut in Deutschland: Die milliardenteure Auffanglösung für zwei italienische Regionalbanken auf Staatskosten stößt bei deutschen Politikern auf heftige Kritik. „Mit dieser Entscheidung geleitet die Kommission die Bankenunion zum Sterbebett“, sagte der CSU-Europaabgeordnete Markus Ferber am Montag in Brüssel.

Neue Regeln sollten nach der Finanzkrise eigentlich verhindern, dass die Steuerzahler für marode Banken aufkommen müssen. Dieses Versprechen sei „mit dieser Nacht-und-Nebel-Aktion ein für alle Mal hinfällig“, sagte Ferber, der auch stellvertretender Vorsitzender des Wirtschafts- und Währungsausschusses im EU-Parlament ist. Der Europaabgeordnete Michael Theurer (FDP) sprach von einem „skandalösen Sündenfall“.

Zwei Regionalbanken sind nicht überlebensfähig

Die EZB-Bankenaufsicht hatte die beiden Regionalbanken Veneto Banca und Banca Popolare di Vicenza vor dem Wochenende als nicht überlebensfähig eingestuft. Doch statt sie nach den EU-Vorschriften auf Kosten der Aktionäre, Sparer und Fremdkapitalgeber abzuwickeln, hatte die EU das Vorgehen nach zähen Verhandlungen der italienischen Regierung überlassen – weil die Banken nicht wichtig genug seien für eine europäische Lösung. Die neue europäische Abwicklungsbehörde habe die Feuerprobe nicht bestanden, sagte der Grünen-Europaabgeordnete Sven Giegold. Die Rettungsaktion sei ein „gefährlicher Dammbruch“, die EU-Regeln seien erneut umgangen worden.

Die Bundesregierung äußerte nur vorsichtige Kritik. Eine Sprecherin des Bundesfinanzministeriums sagte, aus deutscher Sicht sei es grundsätzlich besser, eine unprofitable Bank aus dem Markt ausscheiden zu lassen, statt sie künstlich am Leben zu halten. Die EU-Kommission trage die Verantwortung dafür, dass europäische Abwicklungsregeln nicht durch nationale Insolvenzregelungen umgangen würden.

Lieber Staatshilfe oder eine Pleite?

Letztlich dreht sich der Streit um die Kernfrage, wie viel Staat sein muss, wenn eine Bank pleitegeht. Nach der Finanzkrise musste es viel Staat sein. Die Bankenrettung damals hatte sich nach einer Schätzung der Europäischen Zen­tralbank auf etwa 475 Milliarden Euro belaufen. Deshalb hatten Regierungen versprochen, den Steuerzahler künftig zu schonen. Das Prinzip: Die Bankenrettung sollten Eigentümer und Gläubiger bezahlen, nicht aber die Sparer mit Einlagen von bis zu 100.000 Euro. In Deutschland setzt die Bundesanstalt für Finanzmarktstabilisierung (FMSA) als nationale Abwicklungsbehörde diese Regeln um.

Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) besorgt die Bankenaufsicht für die kleinen und mittelgroßen Institute. Die Europäische Zentralbank überwacht die Großbanken. Zu den Abwicklungsinstrumenten zählt der „Einheitliche Abwicklungsfonds“, in den bis 2024 die Banken 55 Milliarden Euro eingezahlt haben sollen. Der soll Finanzkrisen eigentlich abfedern. Doch als die Veneto Banca und die Banca Popolare di Vicenza zwar zerschlagen und auf die zweitgrößte Bank des Landes – an die Intesa Sanpaolo – übertragen wurden, stützte der italienische Staat dies mit knapp fünf Milliarden Euro Kapital und weiteren zwölf Milliarden Euro an Garantien.

Experte sieht nur eine Zuständigkeit für Großbanken

In der Sache hat es niemanden verwundert, dass nach der Monte dei Paschi di Siena wieder zwei italienische Banken ins Schlingern geraten sind. Denn es geht den Banken dort wie der Wirtschaft, weiß Michael Heise, Chefvolkswirt der Allianz: „Das kommt daher, dass die italienische Wirtschaft jetzt seit vielen Jahren kaum noch gewachsen ist, und dass viele der Kreditforderungen ausfallgefährdet sind, die in italienischen Bankbilanzen sind.“ Auch juristisch ist begründbar, dass die beiden Banken nicht von der europäischen Abwicklungsbehörde, dem Single Resolution Board (SRB), sondern nach italienischem Insolvenzrecht aufgefangen und abgewickelt wurden.

Das sei „völlig in Ordnung“, sagt Mark Wahrenburg, Professor für Bankmanagement und Regulierung an der Universität Frankfurt. Denn: „Die europäische Abwicklungsbehörde ist allein für die Großbanken zuständig.“ Strittig war aber, ob auch in diesem Fall eine Bankpleite die gesamte Finanzstabilität gefährdet. Denn die entsprechende Richtlinie sieht nur vor, „unter Berücksichtigung der Systemrelevanz für bestimmte Institute“ Ausnahmen von der regelgerechten Abwicklung zu erlauben.

17 Milliarden Euro Kapital und Garantien vom Staat

Systemrelevanz wurde in diesem Fall für die europäische Ebene verneint. Italien hat aber behauptet, „dass es für seine Region Venetien relevant ist“ und rettet die beiden Institute, erklärt Susanne Knips, die auch Italiens Bankenlandschaft im Auftrag der Helaba beobachtet. Zwar wurden zunächst die Eigentümer und die Inhaber nachrangiger, also risikoreicher Anleihen der beiden Institute zur Kasse gebeten. Aber das reichte nicht. Denn nicht nur kleinere Sparer wurden verschont, wie es das europäische Recht vorsieht. Auch Inhaber erstrangiger Bankanleihen, in Italien zur Altersvorsorge weitverbreitet, sollten nicht bluten müssen. Deshalb die rund 17 Milliarden Euro Kapital und Garantien vom Staat.

Immerhin werden die beiden betroffenen Banken aufgelöst. Ihr fortführungsfähiges Geschäft übernimmt die zweitgrößte Bank des Landes, die Intesa Sanpaolo. Deren Chef, Carlo Messina, ließ – sicher im Sinne der Regierung – wissen: „Ohne das Angebot von Intesa Sanpaolo hätte die Krise der beiden Banken ernsthafte Auswirkungen auf das gesamte italienische Bankensystem gehabt.“ Daran haben viele Finanzpolitiker des Europäischen Parlaments jedoch ihre Zweifel. Auch der Frankfurter Bankprofessor Wahrenburg sagt: „Es wird noch zu diskutieren sein, ob die ‚schwere Finanzmarktstörung‘ tatsächlich vorlag.“