Die Chefin des Unternehmerinnenverbandes hat deren Mitgliederzahl verdoppelt, sie sieht aber noch Steigerungspotenzial.

Hamburg. Die Frau weiß, was sie will, hat sich schon in jungen Jahren nach einem Politikstudium im französischen Grenoble für Betriebswirtschaftslehre entschieden. Heute leitet sie mit ihrem Mann ein Bau- und Projektierungsunternehmen in Hamburg-Volksdorf und Leipzig. "Eigentlich wollte ich früher Politikerin werden, doch Rituale wie der Fraktionszwang bei Abstimmungen in Parlamenten waren nicht meine Sache", sagt Kristina Tröger im Gespräch mit dem Abendblatt. Außerdem hat sie ein ausgeprägtes Gespür für wirtschaftliche Belange. So wundert es nicht, dass sie seit rund zwei Jahren ehrenamtlich den Landesverband Hamburg und Schleswig-Holstein vom Verband der Unternehmerinnen (VdU) führt. "Wir haben unsere Mitgliederzahl in seit 2010 auf rund 170 verdoppelt und haben zudem 150 Interessentinnen", sagt die agile 52-Jährige. Neben den traditionell hanseatisch zurückhaltend geprägten Damen sind inzwischen auch jüngere Unternehmerinnen dabei, so etwa die Zwillinge Claudia und Christina Meier mit ihrem trendigen Hamburger Modelabel Meier.Meier.

Durch den hohen Mitgliederzuwachs ist der Hamburger Verband bundesweit der größte Landesverband. "Schon seit der Gründung des bundesweiten VdU im Jahr 1954 hatte Hamburg den stärksten Unternehmerinnenverband, aber so viele Mitglieder wie jetzt gab es noch nie", so Tröger. "Wir machen jedes Jahr 30 Veranstaltungen rund um das Thema Wirtschaft. Wir besuchen Betriebe oder laden Banker, Politiker und andere Persönlichkeiten zu Vorträgen aus Wirtschaft, Gesellschaft und Kultur sowie der die Finanzwelt ein", begründet die Verbandschefin den Zustrom. Vor zwei bis drei Jahren gab es noch weniger Veranstaltungen.

Das wichtigste Thema für die Netzwerkerin in Sachen Frauen und Wirtschaft ist jedoch, dass auch die Männer in den Unternehmen erkennen, dass eine gemischte Führungsmannschaft meist besser für eine Firma ist als ein reiner Managerklub. "Unternehmen mit gemischten Führungsteams sind erfolgreicher als solche mit ausschließlich männlichen Vorständen", sagt sie. Für die Aufsichtsräte fordern die Hamburger Unternehmerinnen bereits seit dem Jahr 2009 eine gesetzliche Frauenquote von 40 Prozent. "Wir hören immer wieder von den Firmen, dass sie keine passende Kandidatin auf dem Markt finden. Das kann ich nicht nachvollziehen. Allein in der Datenbank des VdU befinden sich mehr als 400 qualifizierte weibliche Topmanagerinnen und Unternehmerinnen, die bereits auch schon teilweise in Beiräten von Firmen vertreten sind."

Kristina Tröger, die früher unter anderem Chefeinkäuferin bei Kaufhof war und danach weltweit den Zentraleinkauf von Otto im Bereich Damenoberbekleidung leitete, will nicht über die Blockadehaltung mancher Unternehmen klagen, sondern richtet den Blick nach vorne. "Zusammen mit der Wirtschaftsberatungsgesellschaft Ernst & Young schulen wir in Hamburg bereits hoch qualifizierte Frauen in Sachen Mandate im Aufsichtsrat", sagt sie. Etwa zwei Dutzend Kandidatinnen haben das Angebot bereits angenommen. Kristina Tröger ist auch im Verband Frauen in die Aufsichtsräte (FidAR) aktiv. "Es kommt jetzt darauf an, dass alle Gremien in dieser Frage zusammen- und nicht gegeneinanderarbeiten." Auch deshalb freut sie sich, "dass die Hamburger Gleichstellungssenatorin Jana Schiedek mit ihrem Antrag im Bundesrat für die Frauenquote eine Initialzündung gestartet hat."

Mit 170 Mitgliedern mag der Hamburger Landesverband des VdU zwar deutschlandweit vorbildlich sein, aber Kristina Tröger ist sich dennoch bewusst, dass diese Zahl angesichts von gut 30.000 Frauen, die in Hamburg selbstständig sind, noch großes Steigerungspotenzial hat. Viele Interessentinnen fallen jedoch schon deshalb weg, weil als Aufnahmekriterium gilt, dass jede Firma mindestens drei Mitarbeiter haben soll und mindestens 250.000 Euro Umsatz im Jahr erwirtschaftet. Kristina Tröger befindet sich dennoch auf einem guten Weg. Inzwischen werden auch Existenzgründerinnen aufgenommen und sogar Topmanagerinnen von Konzernen, die in ihrer Funktion auch führen. "Wir wollen in unserem Verband alle Branchen und alle Bereiche in Hamburg abdecken", sagt sie.

Ihren beruflichen Wechsel nach ihrer Zeit im Einzelhandel in eine eindeutige Männerdomäne findet sie spannend. Mit ihrem Mann Ulrich kaufte sie Altbauten, projektierte, sanierte und verkaufte diese dann. Das ging lange gut, doch inzwischen werden die passenden Denkmalimmobilien in guten Lagen immer knapper. Das Ehepaar Tröger zeigt sich flexibel. Künftig werden auch Neubauwohnungen gebaut. Das erste Projekt steht bereits: 120 bis 125 Eigentumswohnungen, Mietwohnungen und Häuser, die teils öffentlich gefördert werden, sollen am Spechtort in Lemsahl-Mellingstedt entstehen. Als Projektentwickler und Investorin ist die Hamburger Chefin vom Unternehmerinnenverband auch bei diesem Vorhaben mit von der Partie.