Ohne Gesetz bleibt der Weg zum Chefsessel weiter steinig

Vielleicht ist es nur der Tropfen auf den heißen Stein, der schnell verdampft, ohne große Wirkung zu entfalten. Vielleicht ist es aber auch der berühmte letzte Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt. Der Hamburger Initiative für eine Frauenquote in Aufsichtsräten ist jedenfalls Letzteres zu wünschen. Sie hat den Weg durch den Bundesrat in den Bundestag geschafft - mit Stimmen der CDU. Damit hätte sie zumindest das Potenzial, den ohnehin vorhandenen Druck so sehr zu erhöhen, dass daraus auch ein Gesetz werden kann.

Denn die Bundesrepublik hat die Quote bitter nötig. Obwohl mehr Mädchen Abitur machen, es mehr Studentinnen als Studenten gibt, hört die Chancengleichheit in den Führungsetagen auf. Im Mittelstand, dem Rückgrat der deutschen Wirtschaft, ist immerhin noch jeder dritte Chef eine Frau - danach aber ist Schluss. Bei den 200 größten deutschen Unternehmen bewegt sich ihr Anteil in den Vorständen im unteren einstelligen Prozentbereich. Es gelingt den Frauen offenbar nicht, die sogenannte "gläserne Decke", die die direkten und indirekten Aufstiegsbarrieren beschreibt, von unten zu durchstoßen. Daran hat sich im vergangenen Jahrzehnt kaum etwas geändert.

Wer jetzt argumentiert, dem Großteil der Frauen sei mit einer Quote für Aufsichtsräte nicht geholfen, irrt. Denn der Aufsichtsrat beruft den Vorstand - und der Vorstand wiederum ist in die Personalfindung für die wichtigen Schaltstellen eines Konzerns involviert. Frauenförderung und eine neue unternehmerische Kultur können so von oben nach unten Einzug halten. Erfahrungen in elf europäischen Ländern zeigen, dass das funktioniert. Und sie zeigen, dass es mitnichten so ist, dass unqualifizierte Frauen gegenüber qualifizierten Männern auf einmal bevorzugt werden. Dieser gern vorgebrachte Einwand ist angesichts der vielen Uni-Absolventinnen grotesk. Warum sollten sie so viel ungeeigneter sein als ihre männlichen Kommilitonen? Stemmt sich die Bundesregierung weiter gegen die Quote, vergeudet sie wertvolles Potenzial. Der Zuspruch zum Hamburger Gesetzentwurf zeigt, dass viele es mittlerweile genauso sehen.