Beim Gipfel in Berlin werden große Ziele formuliert. Aber Kaufprämien für die Fahrzeuge der Zukunft plant die Bundesregierung nicht.

Berlin/Hamburg. Seit mehr als 150 Jahren gibt es Elektroautos, doch in diesem Jahrzehnt sollen sie den Durchbruch schaffen: Eine Million dieser Fahrzeuge sollen im Jahr 2020 auf deutschen Straßen rollen. Dieses Ziel hat Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) ausgegeben. Doch bis dahin ist es ein langer Weg: Derzeit haben nur 1600 von 45 Millionen Pkw in Deutschland einen reinen Elektroantrieb.

Die Mobilität der Zukunft müsse "ressourcenunabhängiger, umweltfreundlicher, nachhaltiger" sein, forderte die Kanzlerin auf dem Elektromobilitätsgipfel in Berlin. Um diesen Umstieg zu realisieren, hätten Politik und Wirtschaft eine "wirkliche partnerschaftliche Verantwortung".

Direkte finanzielle Kaufanreize plant die Regierung allerdings weiterhin nicht, vorgesehen ist lediglich eine Unterstützung der Forschung etwa bei den Stromspeichertechnologien. "Ohne staatliche Prämien sind die Ziele für die Verbreitung der Elektroautos aber illusorisch", sagt Stefan Bratzel, Branchenexperte an der Fachhochschule der Wirtschaft Bergisch Gladbach. Denn der Mehrpreis für ein batteriebetriebenes Fahrzeug gegenüber einem vergleichbaren konventionellen Auto liege bei 10 000 bis 15 000 Euro. Fachleute gehen davon aus, dass der Abstand bis zum Jahr 2020 nicht wesentlich sinkt. Nach den Erkenntnissen des ADAC würden die Kunden aber höchstens einen Aufschlag von 3000 bis 5000 Euro akzeptieren. Bratzel plädiert daher für eine Kaufprämie von anfänglich 5000 Euro, jedoch mit jährlicher Deckelung und mit abnehmender Höhe, sobald der Preis angesichts größerer Produktionszahlen sinke.

Deutsche Hersteller hinken im internationalen Vergleich hinterher

Experten halten es jedoch für möglich, dass sich die Bundesregierung gegenüber Kaufanreizen auch deshalb so zurückhaltend zeigt, weil die Prämien zunächst vor allem den Absatz ausländischer Anbieter fördern würden. "Die deutschen Automobilhersteller haben im internationalen Vergleich derzeit noch deutliche technologische Rückstände bei der E-Mobilitätskompetenz", so Bratzel.

Zwar wehrte sich Daimler-Chef Dieter Zetsche gegen die These, die deutschen Konzerne hätten den Trend zu Elektroautos verkannt. Es sei mittlerweile eine Art Volkssport, der Automobilindustrie "Schlafmützigkeit" vorzuwerfen, sagte Zetsche im "ZDF-Morgenmagazin": "Hier haben wir es mit einer Mär zu tun." Ähnlich äußerte sich der BMW-Vorstandsvorsitzende Norbert Reithofer: Man könne keineswegs sagen, dass die Deutschen die Entwicklung alternativer Antriebe schleifen gelassen hätten. Die Hersteller seien sehr gut aufgestellt und verfügten bereits über Erfahrungen aus Testflotten und vielen Versuchen auf der Straße.

Tatsache ist aber, dass ausländische Anbieter früher mit Serienmodellen auf den deutschen Markt drängen. PSA Peugeot Citroën aus Frankreich sowie Mitsubishi aus Japan wollen noch in diesem Jahr starten.

Ein batteriebetriebener VW Golf soll im Jahr 2013 kommen

Unter den deutschen Herstellern hat nach aktuellen Planungen Opel mit dem Modell Ampera, das im kommenden Jahr bei den Händlern stehen soll, die Nase vorn. Der Marktführer Volkswagen will erst im Jahr 2013 seinen Verkaufsschlager, den Golf, als Elektroauto auf den Markt bringen, ebenso wie einen neuen Kleinwagen namens Up!

So ist es möglicherweise kein Zufall, dass VW-Chef Martin Winterkorn den Wunsch äußerte, ab 2013 - "dem Startjahr vieler neuer Elektrofahrzeuge" - sollte "der Kauf von emissionsfrei fahrenden Autos mit einer Nachhaltigkeitsprämie gefördert werden". Frankreich habe bereits einen Betrag von mehreren Tausend Euro in Aussicht gestellt. "Ein solches Signal brauchen wir auch in Deutschland", so Winterkorn.

Daimler-Chef Zetsche brachte eine staatliche Beteiligung an den erforderlichen Infrastrukturinvestitionen ins Gespräch. Die deutsche Automobilindustrie werde in den nächsten drei Jahren zehn bis zwölf Milliarden Euro in Forschung und Entwicklung für alternative Antriebe investieren, sagte er. "Auf dieser Basis halten wir es für sinnvoll, wenn die Bundesregierung in Betracht zieht, hier auch eine Unterstützung zu leisten."

Elektroautos dienen beim heutigen Energiemix nicht dem Klimaschutz

Während Deutschland ein Programm von 500 Millionen Euro zur Förderung der alternativen Antriebstechnologien aufgelegt hat und damit vereinzelte regionale Tests finanziert, will China in den kommenden Jahren umgerechnet gut 30 Milliarden Euro in die Entwicklung solcher Technik investieren. Der Betrag ist je zur Hälfte für Hybrid- und Elektrofahrzeuge vorgesehen.

Den Branchenkenner Bratzel wundert es nicht, dass die Chinesen so massiv auf dieses neue Feld setzen: "Sie wissen, dass sie die Kompetenzen der Europäer bei den klassischen Antrieben nicht aufholen können."

Gerade dort aber liegt nach Auffassung von Umweltschützern noch sehr viel Verbesserungspotenzial. "Nach heutigem Stand beim Energiemix in der Stromversorgung dienen Elektroautos nicht dem Klimaschutz", sagt Wolfgang Lohbeck, Verkehrsexperte bei Greenpeace. "Ihr CO2-Ausstoß je Kilometer liegt im Bereich von 120 bis 180 Gramm, besonders effiziente Wagen mit Verbrennungsmotor unterschreiten aber die Marke von 100 Gramm."

Möglich seien noch sehr viel niedrigere Werte, sagt Lohbeck: "Mit kleineren, leichteren Autos ließe sich dies auf 50 oder 60 Gramm reduzieren - und zwar sofort, nicht erst in Jahrzehnten." Dafür müsse die deutsche Industrie aber den Begriff "Premiumauto" neu definieren.