Insolvenzverwalter fordert trotz Vorauskasse 80 Millionen Euro von Verbrauchern. Das Firmengeflecht ist selbst für Experten schwer zu durchschauen.

Hamburg. Das Kapitel Teldafax hatte Wolfgang Schwarting aus Steinburg schon abgeschlossen. Der Strom- und Gashändler mit Discountpreisen war im Juni 2011 in die Insolvenz geschlittert. "Dass meine Vorauszahlungen verloren waren, wurde mir schnell klar", sagt der 67-Jährige dem Abendblatt. "Doch jetzt werde ich erneut mit Forderungen des Insolvenzverwalters konfrontiert, die von Creditreform eingetrieben werden." 172 Euro soll er für seinen Gasvertrag nachzahlen. Doch Schwarting möchte, dass die Forderung mit seinen Vorauszahlungen für Strom, den er gar nicht mehr bekommen hat, verrechnet wird. "Das muss möglich sein, denn beide Verträge habe ich mit der Teldafax Energy geschlossen."

Doris K. hatte sogar nur einen Gasvertrag bei Teldafax. Obwohl ihre Vorauszahlungen für den Gasverbrauch völlig ausreichten, soll sie jetzt noch 295 Euro nachzahlen. Bei der Verbraucherzentrale Schleswig-Holstein haben sich ebenfalls mehrere Verbraucher gemeldet, bei denen die Vorauszahlungen nicht verrechnet werden.

Insolvenzverwalter Biner Bähr, der gestern nicht für eine Stellungnahme zu erreichen war, hat die Creditreform jetzt mit dem Eintreiben von 250 000 Einzelforderungen im Gesamtwert von 80 Millionen Euro beauftragt. Nach Einschätzung der Inkassogesellschaft handelt es sich um "säumige Kunden".

Doch viele Forderungen sind umstritten. In Internetforen diskutieren Verbraucher, die jetzt mit nachträglichen Forderungen konfrontiert werden. Demnach muss Creditreform mit zahlreichen Widersprüchen rechnen. Ein Sprecher von Creditreform räumt ein, dass die inhaltliche Überprüfung der Forderungen nicht zu den Aufgaben des Unternehmens gehört.

Ursache für die erneuten Forderungen könnte das undurchsichtige Firmengeflecht von Teldafax sein. So wurde das Insolvenzverfahren insgesamt über sieben Firmen eröffnet. Experten gehen davon aus, dass diese rechtlich selbstständigen Firmen unabhängig voneinander betrachtet werden müssen. Folglich können Forderungen unterschiedlicher Firmen nicht einfach verrechnet werden. "Das gilt generell und ist keine Besonderheit des Insolvenzrechts", sagt Victor von Websky von der Sozietät Schomerus. "Möglicherweise haben die Kunden mit unterschiedlichen Firmen Verträge geschlossen, ohne dass ihnen das bewusst war." So berichten Verbraucher im Internet, dass sie den Stromvertrag zwar mit Teldafax Energy geschlossen haben, kurz danach aber ein Schreiben von Teldafax Services bekamen. Die Firma gab an, im Namen und für Rechnung der Teldafax Energy zu handeln. Diese Firma taucht auch in zahlreichen Forderungen der Creditreform auf. Auch die 172 Euro, die jetzt Wolfgang Schwarting nachzahlen soll, werden im Namen der Teldafax Services geltend gemacht. "Mit dieser Firma habe ich keinen Vertrag geschlossen", ist sich Schwarting sicher.

"Es kann durchaus sein, dass Forderungen an eine andere Gesellschaft abgetreten wurden, ohne dass das dem Kunden angezeigt werden muss", sagt Helge Hirschberger von der Kanzlei Happ Luther. Das könne schon in den allgemeinen Geschäftsbedingungen geregelt sein. Auch gebe es im Insolvenzrecht eine Reihe von Beschränkungen zur Verrechnung von Forderungen.

Rein rechtlich können die Forderungen also durchaus gerechtfertigt sein, auch wenn das den Kunden unverständlich ist. "In diesem Firmengeflecht kann es eine Vielzahl von Sachverhalten geben und jeder kann nur individuell beurteilt werden", sagt Thorsten Kasper vom Bundesverband der Verbraucherzentralen. So müsse geprüft werden, ob die Abtretung von Forderungen rechtskräftig ist. Doch die Verbraucherzentralen arbeiten sich gerade erst in die komplizierte Materie ein. Der Hamburger Verbraucherschützer Günter Hörmann warnt dennoch vor "vorschnellen Zahlungen". Verträge und Abrechnungen müssten genau geprüft werden. Denn bei insolventen Firmen ist die Buchhaltung meist nicht auf dem Stand. Verbraucherschützer warnen nach den jüngsten Erfahrungen eindringlich vor Tarifen mit Vorkasse.